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Höcke: So will der AfD-Rechtsaußen Thüringens Ministerpräsident werden


Landtagswahl in Thüringen
Im Wahlkampf provoziert er erneut


14.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Björn Höcke spricht beim AfD-Sommerfest in Altenburg (Archivbild): Der thüringische Landeschef will Ministerpräsident werden. (Quelle: IMAGO/imago)

Björn Höcke will Ministerpräsident Thüringens werden. Seine AfD steht in Umfragen gut da – doch manch ein Parteimitglied sieht Landeschef Höcke trotzdem eher als Hindernis.

Für Björn Höcke war das Jahr 2024 bisher ein Jahr der Rückschläge. Gleich zweimal verurteilte ihn das Landgericht Halle wegen des Verwendens einer NS-Parole zu Geldstrafen. Rechtskräftig sind die Urteile zwar noch nicht, denn Höckes Anwälte legten Revision ein. Doch noch in diesem Jahr könnte der nächste Prozess warten: Das Landgericht Mühlhausen in Thüringen hat im vergangenen September Anklage wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung zugelassen. Ein Gerichtstermin steht bisher nicht fest.

Dafür soll ein anderer Termin für Höcke zum Lichtblick werden: Am 1. September wählen die Thüringer einen neuen Landtag. In Umfragen steht Höckes AfD mit großem Abstand und rund 30 Prozent auf Platz eins in der Wählergunst – und das, obwohl das Landesamt für Verfassungsschutz den Landesverband seit 2021 als "erwiesen rechtsextremistische Bestrebung" einstuft. Höcke dürfte das egal sein: Der thüringische AfD-Chef will Ministerpräsident werden. Doch für welche Positionen steht Höcke eigentlich? t-online stellt den Spitzenkandidaten vor.

Steckbrief Björn Höcke

Beruf: Chef des AfD-Landesverbands Thüringen, ehemals Lehrer für Geschichte und Sport, Oberstudienrat

Geburtstag: 1. April 1972

Geburtsort: Lünen (Nordrhein-Westfalen)

Familienstand: verheiratet, vier Kinder

Berufsausbildung: Studium der Geschichts- und Sportwissenschaft auf Lehramt; Master of Arts in Schulmanagement

Wofür steht Björn Höcke politisch?

Höcke gilt als das Gesicht der Rechtsextremen innerhalb der AfD – und als solches war er auch der Politiker, um den sich der mittlerweile aufgelöste sogenannte Flügel der Partei ab 2015 formierte. Die Gruppierung galt als Sammelbecken der radikalen Kräfte innerhalb der AfD. Bereits Anfang 2020, kurz vor ihrer Auflösung, wurde sie vom Bundesamt für Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" eingestuft. Auch Höcke selbst wurde als "Rechtsextremist" klassifiziert und steht seitdem unter Beobachtung.

Besonders gegen den thüringischen AfD-Landesverband und seinen Chef gibt es weiterhin Vorwürfe der Nähe zum Nationalsozialismus, des Geschichtsrevisionismus, des Rassismus und der Demokratiefeindlichkeit.

Kretschmer nennt Höcke einen "Neonazi"

In seinem 2018 erschienen Buch "Nie zweimal in denselben Fluss" forderte Höcke, "kulturfremde" Menschen aus Deutschland zu verbannen: "Neben dem Schutz unserer nationalen und europäischen Außengrenzen wird ein groß angelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein", heißt es dort. Dabei werde man, wie in dem Buch steht, "so fürchte ich, nicht um eine Politik der 'wohltemperierten Grausamkeit' herumkommen". Sechs Jahre später wurde ein geheimes Treffen von Rechtsextremen im November 2023 in Potsdam öffentlich, an dem auch AfD-Politiker teilnahmen und unter anderem über einen "Masterplan zur Remigration" sprachen. Mehr dazu lesen Sie hier. Das Treffen löste bundesweite Proteste aus.

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) bezeichnete Höcke Anfang August im Gespräch mit der "Bild am Sonntag" als "Neonazi: von seiner ganzen Wortwahl, von den Themen, wie er sich benimmt". Mehr dazu lesen Sie hier.

"Offener NS-Bezug"

Auch der Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, wirft Höcke "offenen NS-Bezug" vor – unter anderem wegen eines Zitats des Publizisten Arthur Moeller van den Bruck, das der AfD-Landeschef auf Telegram geteilt hatte. Van den Bruck gilt als Vertreter der Konservativen Revolution und war laut Wagner ein Vordenker des Nationalsozialismus. In den 1920er-Jahren schrieb er das Buch "Das Dritte Reich", das dem NS-Staat später seinen Namen gegeben haben soll. Höcke und die AfD weisen solche Vorwürfe regelmäßig zurück.

2017 hatte Höcke versucht, obwohl er ausgeladen worden war, am Holocaustgedenktag in Buchenwald teilzunehmen. Die Gedenkstätte wies den Politiker am Eingang zurück und übergab ihm in Schriftform ein Hausverbot. Dieses hatte die Institution ihm nach seiner Forderung nach einer "erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad" bei einer Rede in Dresden im Januar 2017 erteilt.

Neue Anzeige wegen des Verdachts auf Volkverhetzung

Ihrem Programm zur anstehenden Landtagswahl hat die AfD Thüringen 21 Zeilen eines Liedes des Lyrikers Franz Langheinrich vorangestellt. Der thüringische Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne) hat deshalb Anzeige gegen Höcke und den zweiten AfD-Landessprecher Stefan Möller erstattet. Langheinrich habe der völkisch-nationalistischen Szene angehört, er sei Teil der nationalistischen "Deutschen Kunstgesellschaft" gewesen, heißt es in der Begründung der Anzeige wegen des Verdachts auf Volksverhetzung. Der AfD-Landesverband nennt die Anzeige einen "Missbrauch der Justiz".

Der thüringische Journalist und Autor Martin Debes attestierte dem Landeschef und seinem Gedankengut entscheidenden Einfluss innerhalb der Bundespartei: "Dass die AfD so extremistisch auftritt wie heute, ist ohne Thüringen und Björn Höcke nicht zu erklären", sagte Debes dem ZDF.

Mit welchen Versprechen geht Höcke in den Wahlkampf?

Die Thüringer AfD will nach Angaben eines Parteisprechers auf klassische AfD-Themen wie Migration oder Kritik an erneuerbaren Energien setzen. Der Wahlkampf laufe unter dem Motto "Der Osten macht's", sagte Thüringens Vize-AfD-Chef Torben Braga Mitte Juli vor dem Wahlkampfauftakt seiner Partei.

Bei der Auftaktveranstaltung in Arnstadt jedoch setzte Höcke seinen Fokus weit weg von Thüringen und auf die Weltpolitik: Er forderte angesichts des Kriegs in der Ukraine eine "große überparteiliche Friedensbewegung" und bezeichnete die anderen Parteien als "Kriegstreiber". Weiterhin erklärte Höcke: "Diese Ostwahlen entscheiden auch, ob dieses Land den Kriegskurs verlässt mittelfristig oder ob es weiter in Richtung Krieg-Eskalation hineinmündet." Es gebe nur "eine Möglichkeit, den Frieden zu wählen – und das ist die AfD".

Die AfD lehnt Waffenlieferungen an die Ukraine ab, sieht eine Mitschuld der Nato und des Westens am Ausbruch des Kriegs, will mit Russland verhandeln und die dem Land auferlegten Sanktionen aufheben. Selbst als Ministerpräsident Thüringens hätte Höcke zwar kaum Einfluss auf die deutsche Außenpolitik, dennoch sei der Krieg im Landtagswahlkampf ein "Riesenthema", das "erhitzt und emotional" diskutiert werde, erklärte die Historikerin Katja Hojzer der dpa.

AfD spricht von "positiver Diskriminierung" der Thüringer

Höckes zweites großes Thema ist die Migration. In ihrem Wahlprogramm fordert die AfD Thüringen einen "asylpolitischen Kurswechsel". Dazu soll eine sogenannte Abschiebeinitiative 2025 gehören, ebenso wie eine Begrenzung des Familiennachzugs und eine Beendigung von angeblicher "positiver Diskriminierung". Unter dieser versteht die AfD angeblich gegen die thüringische Bevölkerung gerichtete Maßnahmen, durch die sie gegenüber nichteuropäischen Menschen benachteiligt werde.

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Ferner verspricht Höcke ein Kinderbegrüßungsgeld von 10.000 Euro und beabsichtigt, ein sogenanntes Ehestandsdarlehen für die erste Immobilie einzuführen. Dieses soll ab einer bestimmten Anzahl von Kindern nicht mehr zurückgezahlt werden müssen. Auch im Nazi-Deutschland und später in der DDR gab es ähnliche Modelle, die die Geburtenrate steigern sollten.

Nicht zuletzt will Höcke die Politik der Corona-Jahre zum Gegenstand eines Untersuchungsausschusses machen und das Gendern an Schulen verbieten. Außerdem setzt er sich für eine Auflösung des thüringischen Landesamts für Verfassungsschutz ein und will auch das Bundesamt für Verfassungsschutz grundlegend umbauen.

Welche Kontroversen hat Höcke ausgelöst?

Die Liste der von Höcke ausgelösten Kontroversen ist lang. Vor den beiden diesjährigen Prozessen wegen der Verwendung einer Losung der Sturmabteilung (SA) der Nationalsozialisten gab es in seiner politischen Karriere mehrfach Ermittlungen gegen den AfD-Rechts-Außen. Mehr zu den bisherigen Ermittlungen gegen Höcke lesen Sie hier. Nie aber hatte es Urteile gegeben – erst in diesem Jahr kam es in den Prozessen vor dem Landgericht Halle dazu, rechtskräftig sind die Urteile noch nicht. Mehr dazu können Sie hier nachlesen.

Einer der größten parteiinternen Kritiker Höckes, der AfD-Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber, sieht in Höcke ein Hindernis für eine Regierungsbeteiligung der AfD. "Für die Übernahme von Regierungsverantwortung sehen ihn viele in der AfD als Hindernis", sagte Stöber der "Welt am Sonntag". Der AfD-Landeschef sei zwar ein guter Redner, der Menschen begeistere. "Er sieht sich jedoch zu gerne im Mittelpunkt des Geschehens und will alle Fäden in der Hand haben. Sein Hang zum Egozentrismus hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft", sagte Stöber der Zeitung.

Was ist über Höcke privat bekannt?

Über das Privatleben des AfD-Rechtsaußen ist gemeinhin wenig bekannt. Höcke wurde 1972 im nordrhein-westfälischen Lünen geboren. Heute lebt er mit seiner Familie – seiner Ehefrau Nora, zwei Töchtern und zwei Söhnen – in Bornhagen im thüringischen Landkreis Eichsfeld.

Im November 2022 gab es eine Hausdurchsuchung bei den Höckes wegen des Verdachts auf unerlaubten Waffenbesitzes bei einem minderjährigen Mitglied des Haushalts, wie der MDR damals berichtete.

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