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Islamisten-Demo von "Muslim interaktiv" in Hamburg – was ist Kalifat?


Demo in Hamburg
Diese Islamistengruppe fordert einen Gottesstaat

Von t-online, sic, cck

Aktualisiert am 14.10.2024Lesedauer: 4 Min.
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Teilnehmer einer Islamisten-Demo in Hamburg (Archivbild): "Kalifat ist die Lösung", stand unter anderem auf Plakaten. (Quelle: Axel Heimken/dpa)

Erneut hat am Wochenende in Hamburg eine islamistische Demonstration stattgefunden. Eine der Auflagen der Versammlungsbehörde war ein Verbot der Forderung nach einem Kalifat in Deutschland. Doch was ist das überhaupt?

Am vergangenen Samstag hat in Hamburg erneut eine islamistische Demonstration stattgefunden. Dazu aufgerufen hatte die vom Landesverfassungsschutz als "gesichert extremistisch" eingestufte Organisation "Muslim Interaktiv". Sie gilt als Nachfolgeorganisation der Hizb ut-Tahrir, die seit 2003 in Deutschland verboten ist. Das Motto der Kundgebung war "Stoppt den Genozid gegen unsere uigurischen Geschwister in Ostturkistan".

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Genehmigt worden war die Demonstration mit erheblichen Auflagen, unter anderem war die Forderung nach einem Kalifat in Deutschland verboten worden. Daran hielten sich die Teilnehmer zwar, allerdings forderten einige der 1.600 Teilnehmer auf Schildern ein "Kalifat im Nahen Osten". Auch das Motto der Kundgebung war offenbar nur eines von mehreren: Etlichen Demonstranten ging es vor allem um den Nahostkrieg, sie trugen Schilder mit Aufschriften wie "Stoppt den Genozid in Plästina" sowie "Stoppt den Vernichtungskrieg im Libanon". Mehr zu der Demonstration lesen Sie hier.

Bereits Ende April hatte es eine islamistische Demonstration von "Muslim Interaktiv" in Hamburg gegeben. Auf Transparenten hatten die Teilnehmer damals unter anderem ein Kalifat in Deutschland gefordert. Mehr zu der Demo im April lesen Sie hier. Was will "Muslim Interaktiv" und was ist ein Kalifat überhaupt? t-online gibt einen Überblick.

Was steckt hinter "Muslim Interaktiv"?

Der Hamburger Verfassungsschutz schätzt die Gruppe als gesichert extremistisch ein, sie soll zudem der 2003 verbotenen islamistischen Bewegung Hizb ut-Tahrir nahestehen. Wie groß die Bewegung ist, ist für Experten nur schwer einzuschätzen. Seit dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem anschließenden Krieg in Gaza hat die Szene ein deutlich größeres Mobilisierungspotenzial. Auf Demonstrationen von "Muslim Interaktiv" wird auch darauf Bezug genommen: "Staatsräson tötet" steht etwa auf Plakaten – gemeint ist das deutsche Selbstverständnis, für Israels Existenz einzutreten.

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"Muslim Interaktiv" hebt sich von anderen Gruppen durch ein professionelles Auftreten in den sozialen Medien ab, etwa durch hochwertig produzierte Videoclips. Auf von Jugendlichen stark genutzten Plattformen wie TikTok erfreuen sich diese Kurzclips großer Beliebtheit. Sie wurden teils mehr als 100.000-mal abgerufen.

In einem besonders beliebten Video erklärt der Redner Joe Adade Boateng einen Botschafter der Vereinigten Arabischen Emiraten zum Verräter – weil der sich mit dem israelischen Präsidenten getroffen hatte. "Muslim Interaktiv" zeigt sich zudem besonders reaktionär, wenn es um Frauen geht. Dass Saudi-Arabien in diesem Jahr zum ersten Mal offiziell eine Frau an einem Schönheitswettbewerb teilnehmen ließ, kommentiert Boateng mit den Worten: "Saudi-Arabien beschmutzt den Islam." Die nackten Schultern der Frau werden nur verpixelt gezeigt. "Wie viel sollen wir Muslime eigentlich noch tolerieren?", fragt Boateng in die Kamera.

Was ist ein Kalifat?

Ein Kalifat ist eine islamische Regierungsform. Der Herrscher eines solchen Kalifats wird Kalif genannt. Er verbindet die weltliche und geistliche Führerschaft in seinem Herrschaftsgebiet in einer Person. Die Rechtssprechung in einem Kalifat fußt auf der Scharia, der im Islam von Gott gesetzten Ordnung.

Die Idee des Kalifats geht auf den Religionsstifter des Islam zurück, den Propheten Mohammed. Schon er regierte sowohl als religiöser Führer als auch weltlicher Herrscher über Medina.

Worin besteht ein Kalifat?

Laut dem Historiker Hugh Kennedy hat es in der Geschichte der Kalifate kein einheitliches Bild dieser Herrschaftsform gegeben. "Wer ein aggressives Kalifat sucht, in dem die muslimische Bevölkerung strikt kontrolliert wird, kann in den umfangreichen historischen Dokumenten Vorläufer dafür finden", schreibt der Forscher. "Wer ein Kalifat sucht, das großzügig und offen für Ideen und Sitten ist, dabei aber selbstverständlich seiner Sicht des Willens und der Absichten Gottes treu bleibt, wird ebenfalls in der historischen Überlieferung fündig.“

Ein Kalifat kann also verschiedenste Ausprägungen haben. Wie sich das Leben unter einer solchen Regierung gestaltet, hängt besonders von den religiösen, aber auch den weltlichen Anschauungen des Herrschers ab.

Denn zentral im Konzept des Kalifats ist die Position des Kalifen als Stellvertreter Gottes auf Erden. In der Geschichte gab es oft mehrere Kalifate gleichzeitig und nebeneinander, die miteinander konkurrierten.

Der Anspruch eines Kalifen ist es darüber hinaus oft, nicht nur die Menschen in seinem Herrschaftsgebiet anzuführen, sondern die Umma. Die Umma bezeichnet die Gesamtheit aller Muslime. Ein Kalifat kann demnach die Vereinigung aller muslimisch geprägten Länder zu einem größeren Herrschaftsbereich zum Ziel haben – unabhängig von deren jeweils dominanter Strömung des Islam.

Wie sähe ein Kalifat der Hizb ut-Tahrir aus?

Laut der "Generation Islam", einer Nachfolgeorganisation der Hizb ut-Tahrir, die 2003 in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt wurde, handelt es sich bei einem Kalifat um ein "einzigartiges Staatssystem", das in islamischen Schriften dargelegt werde. Der Prophet Mohammed sei ebenso "Staatsmann, Stratege und Diplomat" gewesen.

Laut Vorstellung der Gruppe sollen in einem Kalifat alle Bevölkerungsgruppen und Glaubensrichtungen in Frieden leben können – unter der Regierung eines muslimischen Herrschers. Dabei beziehen sich die Anhänger von "Generation Islam" auf das Umayyaden-Kalifat, das im sechsten und siebten Jahrhundert von Spanien bis nach Indien ein großes Reich umfasst haben soll.

Verwendete Quellen
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