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Bundeskabinett beschließt Entwurf für Bundeshaushalt 2024 – Kritik


Kritik von Gewerkschaften
Kabinett beschließt Entwurf für Bundeshaushalt 2024

Von reuters, afp, dpa, lw

Aktualisiert am 05.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Bundesfinanzminister Christian Lindner: Das zweite Jahr in Folge soll 2024 die Schuldenbremse wieder greifen.Vergrößern des BildesBundesfinanzminister Christian Lindner: Das zweite Jahr in Folge soll 2024 die Schuldenbremse wieder greifen. (Quelle: Leon Kuegeler/imago-images-bilder)

Bei mehreren Details gibt es immer noch Streit, trotzdem hat das Bundeskabinett nun dem Haushaltsentwurf zugestimmt – mit deutlichen Einsparungen.

Nach monatelangem Ringen hat die Bundesregierung ihren Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 und den Finanzplan bis 2027 beschlossen. Die Vorlage von Finanzminister Christian Lindner (FDP) hat nach Angaben aus Regierungskreisen am Mittwoch das Kabinett passiert.

Lindner will die Details am Nachmittag vor der Presse erläutern. Der Finanzminister wertet den Entwurf als eine Rückkehr zur Normalität nach mehreren Jahren, in denen der Etat durch Hunderte Milliarden Euro an neuen Schulden zur Bewältigung der Corona-Pandemie und der Folgen des Ukraine-Krieges aufgebläht war. Alle Ressorts bis auf das Verteidigungsministerium mussten Sparbeiträge leisten.

Pistorius fordert künftig "deutlichen Sprung" bei Verteidigungsetat

Das Bundesverteidigungsministerium betonte dennoch, dass die Mittel für die Landesverteidigung auf Dauer weiter steigen müssen. Die Etaterhöhung um 1,7 Milliarden Euro für das Jahr 2024 auf dann 51,8 Milliarden Euro sei zwar Ausdruck der "aktuellen finanzpolitischen Rahmenbedingungen", erklärte das Ministerium in Berlin am Mittwoch. Aber: "Es ist klar, dass wir hier nicht stehen bleiben können", sagte Minister Boris Pistorius. Die Bundeswehr müsse weiterhin modernisiert und vernünftig ausgestattet werden. Gemeinsam mit dem Finanzministerium werde er dafür Sorge tragen, kündigte Pistorius an.

Aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen für die Bundeswehr von insgesamt 100 Milliarden Euro sollen kommendes Jahr rund 19,2 Milliarden Euro ausgegeben werden. Damit wird Deutschland das Ziel der Nato erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren. "Nach der Ausschöpfung des Sondervermögens werden wir allerdings dringend einen deutlichen Sprung beim regulären Verteidigungshaushalt brauchen", betonte Pistorius.

Schuldenbremse soll wieder greifen

Das zweite Jahr in Folge soll 2024 die Schuldenbremse wieder greifen. Den Spielraum für die zulässige Neuverschuldung will Lindner mit knapp 16,6 Milliarden Euro laut Reuters vorliegender Kabinettsvorlage aber voll ausschöpfen. Geplant sind Ausgaben von 445,7 Milliarden Euro für 2024 und damit rund 30 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr.

Trotz des Kabinettsbeschlusses ist der Streit in Detailfragen aber nicht beigelegt. Bei der ab 2025 geplanten Kindergrundsicherung etwa muss sich die Ampelkoalition bis Ende August noch verständigen, wie viel Geld sie dafür im Finanzplan vorsehen will.

Lindner hat zwei Milliarden Euro einkalkuliert, Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte ursprünglich mit zwölf Milliarden Euro geplant. Auch der Wirtschaftsplan, der im Detail die Ausgaben des Klima- und Transformationsfonds (KTF) regelt, steht noch aus. Daraus soll etwa die Förderung beim Heizungstausch ab 2024 gezahlt werden.

Einschränkungen beim Elterngeld

Neuen Streit zwischen FDP und Grünen lösten zudem mögliche Einschränkungen beim Elterngeld aus. Paus will den Berechtigtenkreis leicht verringern: Die Lohnersatzleistung, die der Staat zahlt, wenn Eltern nach der Geburt der Kinder zu Hause bleiben, sollen Spitzenverdiener nicht mehr bekommen, sondern nur noch Eltern, die zusammen nicht mehr als 150.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr verdienen. Die Ministerin begründet dies damit, dass sie eine Sparvorgabe des Finanzministeriums umsetzen müsse. Bisher lag diese Grenze bei 300.000 Euro zu versteuerndem Jahreseinkommen.

Die Familienministerin sagte in einem Interview mit RTL/ntv, dass vermutlich rund 60.000 Familien künftig keinen Anspruch mehr auf die staatliche Lohnersatzleistung während der Elternzeit hätten. Von einem Sprecher des Familienministeriums hieß es am Dienstag, bei etwas über einer Million Elterngeldbeziehenden im Jahr 2020 wären somit rund fünf Prozent aller Elterngeldbeziehenden von der Neuregelung betroffen. Hier lesen Sie mehr zum Elterngeld.

Laut IW könnten mehr Menschen betroffen sein

Nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) könnte die geplante Kürzung deutlich mehr Menschen betreffen. Dem IW zufolge lebten 2020 in Deutschland 435.000 Paare, die potenziell Kinder bekommen könnten und gemeinsam ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro hatten.

Der Familien-Experte des Instituts, Wido Geis-Thöne, erklärte: "Die Idee, die Grenze für das Elterngeld zu reduzieren, ist grundsätzlich nicht verkehrt. Allerdings ist sie mit 150.000 Euro eher niedrig – das erreichen zwei Akademiker in Vollzeit auch ohne Spitzenpositionen. Hier sollte die Regierung sich fragen, ob sie nicht über ihr Ziel hinausschießt."

FDP und auch Lindner erklärten indes, der Sparbeitrag könne von Paus auch anders erbracht werden. Trotz der Einsparung sind im Etat der Familienministerin für 2024 knapp acht Milliarden Euro für das Elterngeld vorgesehen, also 290 Millionen Euro weniger als 2023.

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Als Sparbeitrag fällt im Etat auch ein erst 2022 eingeführter Zuschuss für die Pflegeversicherung von einer Milliarde Euro weg. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte aber umgehend klar, dass es deshalb keine Leistungskürzungen geben werde.

"Das ist kontraproduktiv"

Gewerkschaften und der Sozialverband VdK kritisierten die geplanten Einsparungen im Haushalt 2024, vor allem im Sozialbereich, scharf. VdK-Präsidentin Verena Bentele sagte der "Augsburger Allgemeinen", dass der für die gesetzliche Krankenversicherung vorgesehene Zuschuss niedriger als 2023 ausfalle und damit zu gering sei. Unionsfraktionsvize Mathias Middelberg (CDU), der die Kürzungen wiederum für wenig zugkräftig hält, sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Tatsächlich handelt es sich bei den minimalen 'Einsparungen' vielfach nur um Verschiebungen der Belastung in die Sozialkassen."

DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte der dpa: "Ein Kürzungskurs ist grundsätzlich unnötig, tendenziell unsozial und wirtschaftspolitisch schädlich." Die Regierung setze mit dem Haushalt ein falsches Signal. Kürzungen drückten direkt die Binnennachfrage und die Wirtschaftsleistung. "Das ist angesichts der aktuellen, prekären konjunkturellen Lage wirtschaftspolitisch kontraproduktiv."

VdK-Präsidentin Bentele ergänzte: "Ein starker Sozialstaat ist das Fundament unserer Gesellschaft, wir dürfen nicht zulassen, dass es zu bröckeln beginnt und zerbricht." Sie forderte Nachbesserungen vor allem in den Bereichen der geplanten Kindergrundsicherung sowie bei den Zuschüssen für die Kranken- und Pflegeversicherung. "In Deutschland wachsen drei Millionen Kinder in Armut auf."

"Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse"

Dass ausgerechnet auch bei Pflege oder Elterngeld gespart werden soll, sei "weder sinnvoll noch überlegt", sagte der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann laut einer Mitteilung. "Die Ampel hat sich selbst in diese Lage gebracht, weil sie Steuererhöhungen ausschließt und in einem von Krieg und Inflation geprägten Jahr die Schuldenbremse schon für 2023 wieder scharfgestellt hat – das hat die nach der Krise nötigen Spielräume genommen." Körzell wurde noch deutlicher: "Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse", kritisierte er.

Der DGB-Vorstand forderte stattdessen zusätzliche Staatsausgaben und "massive Investitionen" etwa in Verkehr, Infrastruktur und Digitalisierung. "In China und den USA werden hunderte von Milliarden in Zukunftsinvestitionen gesteckt. Wenn Deutschland hier bremst, verliert es für lange Zeit den Anschluss."

"Der Konsolidierungskurs des Bundesfinanzministers ist richtig"

Aus der Wirtschaft kommt Unterstützung für die Haushaltspläne der Bundesregierung. "Der Konsolidierungskurs des Bundesfinanzministers ist richtig. Wir brauchen Nachhaltigkeit auch in der Finanzpolitik. Wir unterstützen die Ampel-Regierung in diesem Bemühen", sagte Arbeitgeber Präsident Rainer Dulger. Er sprach von einem kraftvollen Signal der Stabilität angesichts aktueller Unsicherheiten auf den internationalen Finanzmärkten.

Der Arbeitgeberpräsident mahnte zugleich eine Begrenzung der Beiträge für die Sozialversicherungssysteme an. "Wir brauchen eine Sozialversicherungsbremse und einen klaren Fahrplan, wie die Beitragssätze wieder auf unter 40 Prozent begrenzt werden können", sagte er.

Die geplanten Änderungen und andere Sparvorhaben sind Teil eines Haushaltsfinanzierungsgesetzes, das die Regierung bis Mitte August auf den Weg bringen will. Veränderungen sind also möglich. Über den gesamten Bundeshaushalt entscheidet der Bundestag erst zum Abschluss der Haushaltswoche am 1. Dezember. Bis dahin sind zahlreiche Änderungen im Etatentwurf zu erwarten, die auch die im Herbst anstehende neue Steuerschätzung und eine Anpassung der wirtschaftlichen Erwartungen berücksichtigen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
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