Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Aktionen der "Letzten Generation" "Bekloppt": Der Kanzler sagt, was alle denken
Jetzt ist es quasi (kanzler-)amtlich: Die Aktionen der "Letzten Generation" sind "bekloppt". Sagt zumindest Bundeskanzler Olaf Scholz. Hat er recht – oder geht es ihm um etwas anderes?
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Montag die Klebe-Aktionen der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" kritisiert. Vor Schülerinnen und Schülern in Kleinmachnow (Potsdam-Mittelmark) sagte Scholz: "Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße." Er habe den Eindruck, dass die Aktionen nicht dazu beitragen, dass irgendjemand seine Meinung ändere. Vielmehr seien alle verärgert. "Das ist eine Aktion, von der ich glaube, dass sie nicht weiterhilft", sagte Scholz.
Hat der Kanzler recht?
Es ist bekloppt, "fassungslos" über Scholz' Aussagen zu sein
Was hat Olaf Scholz genau gesagt? "Ich finde das völlig bekloppt, sich irgendwie an ein Bild festzukleben oder auf der Straße." Eines ist sicher: Er spricht vielen Deutschen damit aus der Seele.
Darf er so etwas sagen, als Kanzler? Jedenfalls sollte er sich klar darüber sein – und er wird sich klar darüber sein – was diese Worte auslösen. Den Zorn der Klimaaktivisten erntet er, das ist logisch. Und die Zustimmung der deutschen Mehrheitsbevölkerung ebenso.
Auf jeden Fall sendet Scholz ein ganz klares Signal an alle. Es geht nicht darum, ob der Protest zulässig ist oder nicht. Der Kanzler hält ihn schlicht für nicht zielführend. Und er hat recht: Aktionen fürs Klima bringen nur dann etwas, wenn sie etwas Positives für das Klima bewirken.
Straßenblockaden sind nur dann sinnvoll, wenn sie nur auf den Fahrbahnen für Stillstand sorgen, nicht aber in den Köpfen der Menschen. Und das tun sie ganz offensichtlich. Wenn 76 Prozent der Bevölkerung die Aktionen der "Letzten Generation" ablehnen, sollte das den Aktivisten Mahnung genug sein. Protest muss mehr Menschen erreichen, wenn er etwas bewegen will.
Mit Ablehnung allein werden die Aktivisten nichts erreichen, sie müssen mehr Menschen aufrütteln. Die Klimakrise lässt uns keine Zeit für lange gesellschaftliche Debatten über die richtige Form des Protestes. Nicht die Äußerungen des Kanzlers sind ein Problem. Sondern dass die Klimaaktivisten es nicht geschafft haben, mehr Menschen von der Dringlichkeit des Themas zu überzeugen.
Der Ton macht die Musik, und der ist längst viel zu schrill
Olaf Scholz ist kein rhetorisches Genie, kein brillanter Welten- und Krisenerklärer. Seine Sprache ist oft karg, dann wieder umständlich und verklausuliert. Das ist vielfach beschrieben und beklagt worden. Scholzing nannte etwa der britische Historiker Timothy Garton Ash das sprachliche Lavieren des Kanzlers mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Frage der Waffen- und Panzerlieferung.
Nun also hat der Kanzler nicht gescholzt, sondern Tacheles geredet, als er die Aktionen der Klimaaktivisten der "Letzten Generation" als "bekloppt" bezeichnete. Damit spricht er zwar vielen Deutschen aus der Seele. Falsch ist es trotzdem. Denn der Ton macht bekanntlich die Musik, und der ist längst viel zu schrill.
Worte sind Waffen. Eine Protestform und die dahinterstehende Bewegung als "bekloppt" zu disqualifizieren, ist populistisch. Olaf Scholz befeuert damit die sich ohnehin verschärfende Spaltung in der Gesellschaft.
Natürlich kann und soll er eine eindeutige Position zu den Klebeaktionen beziehen – also nicht herumscholzen. Zu kritisieren, dass die Klimaaktivisten mit ihren Aktionen dem eigenen Anliegen mehr schaden als helfen, ist berechtigt. Doch Kritik ist nicht gleich abkanzeln.
Wer abkanzelt, ist nicht an Dialog interessiert, will nicht mit besseren Argumenten überzeugen, etwa sich auf demokratischem Wege politisch zu engagieren. Erreicht wird so das Gegenteil: Warum sollten junge Menschen, die sich nicht ernst genommen fühlen, sich noch für die etablierten Formen der Politik interessieren? Die Fronten werden sich so nur weiter verhärten.
Dabei sind es doch gerade sie, anders als viele andere Gruppierungen, die bereit sind, sich gesellschaftlich zu engagieren. Nur: Olaf Scholz will sie gar nicht ansprechen. Stattdessen spricht er die Stammtisch-Sprache seiner eigenen, mehrheitlich älteren Wählerschaft. Das mag mit Blick auf Wahlen sinnvoll sein. Klug und der aktuellen Lage angemessen ist es nicht.
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