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Atomausstieg: Wohin mit dem Atommüll bei AKW-Abschaltung?


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Deutschland schaltet AKW ab
Die strahlenden fünf Prozent


Aktualisiert am 13.04.2023Lesedauer: 4 Min.
Radioaktivität (Symbolbild): Nach dem Ende des Atomzeitalters in Deutschland geht die Diskussion um die Entsorgung der Altlasten los.Vergrößern des Bildes
Radioaktivität (Symbolbild): Nach dem Ende des Atomzeitalters in Deutschland geht die Diskussion um die Entsorgung der Altlasten los. (Quelle: luftquallenpapst via www.imago-images.de)
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Die Ära des Atomstroms geht zu Ende. Was bleibt, sind Tausende Tonnen radioaktiver Müll. Eine schnelle Lösung für dessen Entsorgung ist nicht in Sicht.

Es ist eine Frage, für die es seit 63 Jahren keine richtige Antwort gibt. 1960 ging Deutschlands erstes kommerzielles Atomkraftwerk in Betrieb, im selben Jahr trat das erste Atomgesetz in Kraft. Was damals wie heute, angesichts des Atomausstiegs, niemand weiß: Was wird aus dem Vermächtnis der Kernkraft – wohin mit all dem strahlenden Müll?

Denn: Schalter umlegen und Stecker ziehen, das geht in diesem Fall nicht so einfach, wenn am Samstag die verbleibenden drei Kernkraftwerke vom Netz gehen. Zwar wird damit die Kernspaltung und die Stromerzeugung gestoppt. Doch die Brennelemente glühen noch eine ganze Weile weiter und sondern auch noch Tausende von Jahren radioaktive Strahlung ab.

Zwischenstation – bis auf Weiteres

Deshalb müssen die Reaktoren zunächst weiter gekühlt werden. In den Tagen nach der Abschaltung werden die Brennstäbe aus dem Reaktorkern in wassergefüllte Lagerbecken gebracht, wo sie für etwa fünf Jahre bleiben und abklingen.

Der deutsche Atomausstieg

Zum ersten Mal beschlossen wurde der deutsche Atomausstieg schon 2002 unter der rot-grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder. Der Neubau von AKW wurde verboten, bestehende Kernkraftwerke sollten nach einer "Regellaufzeit" von 32 Jahren vom Netz gehen. 2010 verlängerte die schwarz-gelbe Koalition unter Angela Merkel die Laufzeiten. Nach der Katastrophe von Fukushima dann die Kehrtwende im Jahr 2011: Auch gegen innerparteilichen Widerstand setzte Merkel den Atomausstieg durch. Eigentlich sollte er schon zum Jahreswechsel erfolgen. Aufgrund der Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges wurden die Laufzeiten der verbleibenden drei AKW bis zum 15. April verlängert.

Anschließend verstauen Spezialisten die Brennelemente dann in sogenannten Castorbehältern. "Castor" steht für "cask for storage and transport of radioactive material" ("Behälter für die Lagerung und den Transport von radioaktivem Material"). Diese Spezialcontainer haben eine Wandstärke von bis zu 40 Zentimetern und lassen nur eine sehr geringe Strahlung hindurch. Sie sind extrem stabil, müssen Stürze und extreme Temperaturen aushalten können – denn die Brennstäbe können auch in dieser Phase noch mehr als 100 Grad heiß sein.

In den Castorbehältern geht es dann für die Brennstäbe in Zwischenlager. Diese befinden sich in den meisten Fällen direkt neben den bestehenden und früheren Kraftwerksstandorten. Aktuell gibt es 16 solcher Lager in Deutschland. Dort bleiben die Castoren, bis es ins Endlager geht.

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Und genau hier wird es kritisch. Denn ein Endlager ist noch nicht in Sicht – zumindest nicht für die hoch radioaktiven, verbrauchten Brennelemente. Die Abfälle dieser Kategorie verursachen zwar 99 Prozent der Radioaktivität, machen aber nur fünf Prozent des Gesamtvolumens aus. Die restlichen 95 Prozent entfallen auf mittel und schwach radioaktive Abfälle, also zum Beispiel auf radioaktiv kontaminierte Werkzeuge, Schutzkleidung oder Anlagenteile wie Pumpen oder Rohrleitungen.

Für den weniger belasteten Atommüll der zweiten Kategorie ist bereits ein Endlager gefunden: 303.000 Kubikmeter sollen Platz im Schacht Konrad des ehemaligen Eisenerzbergwerks in Salzgitter (Niedersachsen) finden. Es soll 2027 in Betrieb gehen. Das Problem: Das Bundesamt für Strahlenschutz und Entsorgung (BASE) erwartet insgesamt bis zu 620.000 Kubikmeter schwach und mittel radioaktiver Abfälle. Das Endlager Konrad kann also nur einen Teil aufnehmen.

Drei Turnhallen voller Atommüll

Bei den hoch radioaktiven Abfällen erwarten Experten nach Angaben der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) bis 2080 rund 10.500 Tonnen – es wird von etwa 1.900 Behältern oder einem Volumen von rund 27.000 Kubikmetern an hoch radioaktiven Abfällen ausgegangen; das entspricht einer Größenordnung von etwa zwei bis drei Turnhallen, die bis unter die Decke mit Castor-Behältern voll gestapelt sind.

Für diese muss noch ein Platz gefunden werden. Die Suche ist kompliziert – und schon einmal gescheitert.

Sicherheit gesucht – für eine Million Jahre

Nach dem Fiasko um den Salzstock Gorleben, der bereits 1977 erstmals in Betracht gezogen wurde, was massive Proteste auslöste, entschied die Bundesregierung 2013, mit der Suche noch einmal von vorne zu beginnen. 2017 ging es mit einer weißen Landkarte wieder los, in dem Verfahren soll auf wissenschaftlicher Basis und unter Einbeziehung der Öffentlichkeit der sicherste Standort in Deutschland gefunden werden. Die Experten der BGE suchen im Boden, denn die Endlagerung soll unter Tage erfolgen. Oberirdisch sei das Risiko größer, dass doch radioaktive Stoffe in die Umwelt gelangen, begründet die BGE diese Entscheidung.

Die Anforderung an ein solches Endlager für hoch radioaktive Stoffe: Es soll eine Million Jahre Sicherheit bieten, dass durch freigesetzte radioaktive Stoffe keine heute geltenden Grenzwerte überschritten werden und keine Gefahr für Mensch und Umwelt entsteht.

54 Prozent Deutschlands kommen infrage – theoretisch

Deswegen kommen tiefgelegene Gesteinsschichten infrage: mindestens 100 Meter dick und in mindestens 300 Metern Tiefe gelegen. Der Fokus liegt auf Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein. Alle drei Gesteinsarten verfügen über Eigenschaften, die die Ausbreitung von Radioaktivität möglichst dauerhaft verhindern sollen.

Zwischen 2017 und 2020 hat die BGE auf rein geologischen Daten die Gebiete in Deutschland kartiert, in welchen es solche Gesteinsschichten gibt. Dabei herausgekommen sind 90 Teilgebiete – rund 54 Prozent des Landes. Der Salzstock Gorleben gehört allerdings nicht mehr dazu.

Nun muss aussortiert werden: Anhand von vier exemplarisch ausgewählten Gebieten erstellt die BGE Methoden, mit denen bestimmt werden kann, wie geeignet die Teilgebiete als Endlager-Standorte tatsächlich sind. Dabei geht es vorrangig um geologische Kriterien wie die Stabilität des Bodens oder das Grundwasservorkommen. Aber auch Kriterien wie die Nähe zu Wohn- oder Naturschutzgebieten werden berücksichtigt. Die BGE rechnet damit, dass so etwa 10 Regionen übrig bleiben werden, die infrage kommen. Diese werden dann weiter erkundet.

Nach dem Standortauswahlgesetz sollte eigentlich 2031 feststehen, wo das Endlager schlussendlich errichtet werden soll. Im Dezember des vergangenen Jahres revidierte die BGE dieses Datum jedoch: Mit einer Entscheidung wird in den 2040er Jahren gerechnet.

Zahlen sollen die Betreiber – eigentlich

Klar ist schon jetzt: Es wird teuer. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission schätzte die Kosten unter anderem für die Stilllegung und den Rückbau der Meiler auf mehr als 48 Milliarden Euro. Tragen müssen das die Betreiber der AKW. Für die Zwischen- und Endlagerung wurde hingegen ein zentraler Fonds eingerichtet, in den die Kraftwerksbetreiber einzahlen mussten. 24 Milliarden Euro schwer ist nun der sogenannte Kenfo, der "Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung".

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Der Fonds legt das Geld an – bis 2100 sollen aus den 24 Milliarden 169 Milliarden Euro werden, der berechnete Finanzbedarf. Sollte das Geld am Ende nicht ausreichen, muss der Steuerzahler einspringen: Die Kraftwerksbetreiber haben ihre rechtliche Pflicht mit der Fondseinzahlung getan.

Doch nicht nur die Endlagersuche wird dauern: Auch bis von den Kernkraftwerken selbst nichts mehr zu sehen ist, werden noch etliche Jahre ins Land gehen: Mit zehn bis 15 Jahren Nachbetrieb und Rückbauphase rechnen die Betreiber – RWE rechnet mit Kosten von 500 Millionen bis eine Milliarde Euro, je nach Größe, Alter und Betriebsstunden des Kraftwerks. Erst danach gelten die Anlagen als frei von Radioaktivität und die Gebäude können abgerissen werden. Die Ära Atomenergie wird Deutschland somit noch einige Zeit nachhängen.

Verwendete Quellen
  • bge.de: "Allgemeine Fragen und Antworten"
  • bge.de: "Radioaktive Abfälle"
  • bge.de: "Endlagersuche"
  • base.bund.de: "Der Atomausstieg in Deutschland"
  • base.bund.de: "Hochradioaktive Abfälle in DeutschlandZwischenlagerung und Entstehung"
  • base.bund.de: "Noch am Netz: Isar 2, Emsland & Neckarwestheim 2"
  • endlagersuche-infoplattform.de: Endlagersuche
  • Nachrichtenagenturen dpa, AFP
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