Empörung über Plakat Dresden erinnert an Zerstörung 1945 – Neonazis ziehen durch Altstadt
In Dresden wurde am Sonntag der Opfer der Bombenangriffe auf die Stadt im Jahr 1945 gedacht. Gestört wurde das Gedenken durch den Aufmarsch hunderter Neonazis.
Mit Kranzniederlegungen und stiller Erinnerung an Ruhestätten der Opfer haben Vertreter des Freistaats Sachsen und Dresdens am Sonntag der Opfer der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg auf die Stadt an der Elbe gedacht.
"Wir dürfen mit Blick auf die Zerstörung von Dresden nicht nur auf 1945 schauen, sondern müssen unsere Perspektive auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 erweitern", mahnte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) auf dem Nordfriedhof. Die Ursachen des Krieges und dessen Auswirkungen in anderen Teilen Europas seien ebenfalls zu betrachten.
Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) erinnerte in ihrer Rede zur Eröffnung der Bundesversammlung am Sonntag in Berlin an die Zerstörung Dresdens. "Mit diesen Toten, mit dem verheerenden Bombardement, mit dem Leid der Davongekommenen wurde immer wieder Politik gemacht", sagte sie. Das sei schon im Zweiten Weltkrieg der Fall gewesen "und erst recht danach".
Hilbert mahnte an den Gräbern von Opfern der alliierten Bombenangriffe vom 13./14. Februar 1945: "Im Erinnern müssen wir uns gerade auch wegen der gegenwärtigen politischen Lage in unserer Stadt, in unserem Land und in Europa der Vielschichtigkeit einer gleichzeitig trennenden und verbindenden, einer unendlich komplexen Geschichte stellen." Mit ihm verneigten sich Vertreter des Freistaats wie Landtags-Vizepräsidentin Andrea Dombois, Kulturministerin Barbara Klepsch und Kultusminister Christian Piwarz (alle CDU) sowie des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.
Holocaust-Verharmlosung bei Neonazi-Aufmarsch
"Der Tag verläuft bisher friedlich und störungsfrei", sagte ein Polizeisprecher. Derweil zogen hunderte Neonazis durch die Altstadt. Der Aufzug unter den Klängen von Wagner-Musik wurde von Einsatzkräften ebenso abgesichert wie lauter Gegenprotest in Sicht- und Hörweite hinter Absperrungen, die ein direktes Aufeinandertreffen verhinderten.
Für Empörung in den sozialen Medien sorgte insbesondere ein Transparent des rechten Aufmarsches mit der Aufschrift "Bombenholocaust". Außerdem war von 250.000 Opfern zu lesen – das Zehnfache der von Historikern anerkannten Zahl von etwa 25.000 Menschen, die bei dem Angriff getötet wurden.
Den Vorwurf der Verharmlosung des Holocausts – dem organisierten Völkermord der Nationalsozialisten an etwa sechs Millionen europäischen Juden – wollte die Polizei Sachsen hier nicht erfüllt sehen. Auf Twitter antwortete sie einem Nutzer, der auf das Transparent hinwies: "Nach Rücksprache mit der zuständigen Staatsanwaltschaft besteht zum Inhalt des Plakates keine strafrechtliche Relevanz."
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Im Vorjahr wurde das gleiche Banner anders bewertet, wie der MDR berichtet. Damals hieß es, die Teilnehmer seien "aus Gründen der Gefahrenabwehr" von der Polizei aufgefordert worden, es einzurollen.
Dem von "Nazis raus"-Rufen am Straßenrand begleiteten "Schweigemarsch" stellten sich Hunderte Gegendemonstranten laut entgegen. Über dem Areal von Zwinger, Semperoper und Residenzschloss kreiste ein Hubschrauber, außerdem standen ein Wasserwerfer und ein Räumpanzer bereit.
Einzelne Festnahmen bei Gegenprotesten
Im Nachgang der Versammlung berichtete die Polizei von einer symbolischen Blockade der Auftaktkundgebung und einzelnen Versuchen aus dem Gegenprotest, Absperrungen zu durchbrechen. "Dabei kam es auch zum Einsatz von Pfefferspray." Gegen einen 21- und einen 27-Jährigen wurden Ermittlungserfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet, gegen einen 24-Jährigen wegen Widerstands gegen Vollzugsbeamte. Auf dem Neumarkt an der Frauenkirche trennten Einsatzkräfte bei einer anderen Versammlung zwei unterschiedliche Lager.
Auf dem Altmarkt, am abgesperrten Gedenkort für die Opfer der Bombenangriffe, wurden tagsüber Kränze und Blumen abgelegt, auf zwei langen Tischen an der Frauenkirche die ersten Kerzen und kleine weiße Rosen aus Seide zur Erinnerung an Opfer von Terror und Gewalt.
"Starkes Symbol für Demokratie, Frieden und Zusammenhalt"
Mit der traditionellen Menschenkette will die Bürgerschaft am Abend erneut ein Zeichen für Frieden und Versöhnung setzen. Damit wehrt sich die Stadt gegen eine erneute Vereinnahmung des Jahrestages durch Rechtsextreme. "Gerade in der heutigen Zeit, in der extremistische Kräfte versuchen, den Rechtsstaat zu unterlaufen, ist sie ein starkes Symbol für Demokratie, Frieden und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft", sagte Kulturministerin Klepsch.
Danach werden Sächsische Staatskapelle und Dresdner Philharmonie spielen, ohne Beifall und mit Schweigeminute am Ende. In der Kreuzkirche ist ein ökumenischer Friedensgottesdienst geplant und danach werden die Glocken aller Innenstadtkirchen läuten – wie jedes Jahr zum Zeitpunkt des ersten Angriffs.
Knapp drei Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges hatten am 13. Februar 1945 und in den Tagen darauf alliierte Bomber Teile Dresdens in Trümmer gelegt. Die Zahl der Opfer konnte nie genau ermittelt werden. Nach Erkenntnissen einer Expertenkommission kamen bis zu 25.000 Menschen ums Leben und es wurde eine Fläche von zwölf Quadratkilometern vollständig zerstört.
- Nachrichtenagentur dpa
- MDR: Gedenktag in Dresden von Neonazi-Aufmarsch überschattet