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Die Bevölkerung und der Klimawandel: "Deutschland braucht einen Ruck"


Die Bevölkerung und die Klimakrise
Zukunftsforscher: "Deutschland braucht einen Ruck"

dpa, Bernhard Sprengel

Aktualisiert am 27.12.2019Lesedauer: 3 Min.
Greta Thunberg initiierte die "Fridays For Future"-Bewegung.Vergrößern des Bildes
Greta Thunberg initiierte die "Fridays For Future"-Bewegung. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die Furcht vor dem Klimawandel scheint allgegenwärtig. Die Deutschen ändern ihr Verhalten trotzdem nicht, sagt der Hamburger Zukunftsforscher Opaschowski. Dabei wären grundlegende Veränderungen notwendig.

Klimastreik, Klimapaket und Klimanotstand - am Urlaubsverhalten der Deutschen ändert das nach Ansicht des Hamburger Zukunftsforschers Horst Opaschowski kaum etwas. Der 78-jährige Forscher beruft sich auf eine eigene repräsentative Umfrage in Kooperation mit dem Meinungsforschungsinstitut Ipsos. Demnach stimmten 49 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass die Reiselust im neuen Jahr trotz Klimakrise und klimapolitischer Maßnahmen ungebrochen sein werde. Als langjähriger Tourismusforscher habe ihn dieser Wert überrascht, sagt Opaschowski. Er hätte erwartet, dass nur 20 bis 25 Prozent so antworten würden, und schlussfolgert: "Bisher gibt es keine Anzeichen für ein irgendwie verändertes Verhalten."

"Panik ist bei den Jugendlichen angekommen"

Der Tourismus – ob Kreuzfahrten oder Flugreise – erreiche neue Rekordzahlen. "Das Umweltbewusstsein im Urlaub tut weh – und freiwillig ist man nicht bereit, auf die Urlaubsfreude zu verzichten", sagt Opaschowski. Vor gut zehn Jahren, nach der Finanzkrise von 2008, sei das anders gewesen. Damals sei die Reiselust zurückgegangen, weil die Deutschen die finanziellen Ausgaben fürchteten.

Der Zukunftsforscher verweist auf einen aktuellen Slogan des Bundeswirtschaftsministeriums: "Klimaschutz beginnt zu Hause." Er würde ergänzen: "Und endet dort auch." Opaschowskis Fazit: "Wahrscheinlich müssen wir uns damit abfinden, dass grundlegende Veränderungen im Verhalten einen Zeitraum von Generationen brauchen."

Etwas schneller ändert sich derzeit die allgemeine Stimmung in Deutschland. Sie zeige aber zwei Gesichter: Einerseits verharre die Zahl der Optimisten auf niedrigem Niveau. Nur 16 Prozent aller Befragten gaben an, sie sähen dem kommenden Jahr mit großer Zuversicht entgegen, nach 17 Prozent im Vorjahr. Bei den 14- bis 29-Jährigen sei der Anteil der Optimisten sogar von 28 auf 22 Prozent gefallen. Andererseits sei die Zahl der Pessimisten von 44 auf 37 Prozent gesunken, bei den 14- bis 29-Jährigen etwas weniger stark von 27 auf 22 Prozent. Opaschowski vermutet, dass die Fridays-for-Future-Bewegung die Stimmung bei den Jüngeren eingetrübt hat. "Die Panik ist bei den Jugendlichen angekommen", sagt er.

Kluft zwischen Arm und Reich

Seit der Flüchtlingskrise 2015/16 normalisiere sich jedoch die allgemeine Stimmung in Deutschland, glaubt der Zukunftsforscher. Die Angst vor Fremdenfeindlichkeit schwinde, genauso wie die Furcht vor einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich oder vor unbezahlbarem Wohnraum.

Überraschend findet Opaschowski auch, dass sich die Ostdeutschen zurzeit optimistischer zeigen als die Menschen im Westen. Im 30. Jahr der Einheit steigt der Anteil der Optimisten im Osten von 14 auf 20 Prozent, im Westen fällt er von 18 auf 15 Prozent. "Auch die Ostdeutschen können nicht ewig mit der Vorstellung leben, sie seien Bürger zweiter Klasse", sagt der Forscher. Man vergleiche sich nicht mehr permanent mit Menschen, die vielleicht 500 Kilometer entfernt lebten, sondern mit den Nachbarn. "Und das hebt das eigene Lebensgefühl."

Keine Visionen

Die Sorge vor sozialer Spaltung und wachsender Fremdenfeindlichkeit ist im Osten immer noch größer als im Westen, aber sie wird überall in Deutschland deutlich geringer. Steigende Wohnkosten sind vor allem eine westdeutsche Besorgnis (48 Prozent), im Osten interessiert das Thema weniger Menschen (35 Prozent).

Fast die Hälfte der Befragten - nämlich 47 Prozent - konnte sich in der Umfrage nicht entscheiden, ob sie mit großer Zuversicht oder mit gemischten Gefühlen auf das neue Jahr blicken. Es sei eben eine Zeit der Ungewissheit. Immerhin wirke Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch nach 14 Jahren im Amt wie ein Ruhekissen. "Auf der anderen Seite heißt ein sanftes Ruhekissen auch einschläfernde Wirkung", kritisiert Opaschowski. Merkel sage nicht, wie es wirklich weitergehe. "Das fehlende Visionäre ist das große Manko dieser Regierung."

Deutschland brauche wieder einen "Ruck", wie ihn der frühere Bundespräsident Roman Herzog 1997 gefordert habe, oder eine Vision wie von John F. Kennedy, der 1962 als US-Präsident die Mondlandung versprach. In der deutschen Politik gehe es zurzeit nur um das Jahr 2020 oder 2021, denn dann kämen wieder neue Wahlen. Es gebe keine Perspektive für das neue Jahrzehnt: "Die neuen Zwanziger sind ein unbeschriebenes Blatt", findet Opaschowski.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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