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TV-Kritik "Anne Will": Kevin Kühnert – "Ich habe der SPD nicht geschadet"


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Talkshow "Anne Will"
"Wir müssen unser Wirtschaftssystem radikal umbauen"

Von Nina Jerzy

Aktualisiert am 06.05.2019Lesedauer: 3 Min.
Runde bei "Anne Will": Kühnert knüpfte nahtlos an die Argumentation aus seinem vielbeachteten "Zeit"-Interview an.Vergrößern des Bildes
Runde bei "Anne Will": Kühnert knüpfte nahtlos an die Argumentation aus seinem vielbeachteten "Zeit"-Interview an. (Quelle: Screenshot/ ARD)
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Für Kevin Kühnert darf die Umwelt nicht dem Markt überlassen werden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wirft ihm Sozialismus-Fantasien vor. Anne Will fragt: Ist es an der Zeit für radikalen Klimaschutz?

Die Gäste

  • Annalena Baerbock, Parteivorsitzende Bündnis 90/Die Grünen
  • Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen
  • Kevin Kühnert, Bundesvorsitzender der Jusos
  • Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU)
  • Ioannis Sakkaros, Initiator der Gelbwesten-Proteste in Stuttgart

Die Positionen

Kühnert knüpfte nahtlos an die Argumentation aus seinem vielbeachteten "Zeit"-Interview an. "Etwas, was für alle zur Verfügung stehen muss, kann nicht Marktmechanismen unterworfen werden", sagte der Juso-Chef mit Blick auf die Umwelt. "Denn Marktmechanismen produzieren Gewinner und Verlierer und die möchte ich an dieser Stelle einfach nicht haben." Die CO2-Steuer (Kühnert: "Ich glaube 'Bepreisung' ist der richtigere Begriff") könne da ein Beitrag zur Diskussion sein. Sie erlaube es, den individuellen CO2-Ausstoß greifbar zu machen.

Die CO2-Steuer würde zunächst höhere Ausgaben für die Verbraucher bedeuten. Dafür sollen sie durch niedrigere Stromkosten und eine jährliche Pro-Kopf-Rückzahlung entlastet werden. Ein Rechenmodell sieht eine jährliche Umlage von 70 Euro pro Kopf vor. Davon würden vor allem Familien profitieren, unterstrich Baerbock. Sie warb für die CO2-Steuer als Instrument, um Umweltbewusstsein zum echten Wirtschaftsfaktor zu erheben. Würden Verbraucher deshalb statt SUV plötzlich kleinere Autos verlangen, werde die Industrie nachziehen, sagte Baerbock.

"Das ist für mich nicht glaubhaft. Es wird weiter Widerstand geben", sagte Sakkaros hingegen zum Prinzip CO2-Steuer. Er verwies auf frühere Umweltschutzabgaben wie die Ökosteuer: "Bisher hat es eigentlich nichts gebracht. Ich frage mich: Wo ist das ganze Geld hin?"

"Sie können sich sicher sein, wir machen das als CDU nicht mit", verkündete Kretschmer. Sein Motto: "Man muss einen Schritt nach dem nächsten machen." Nach den nationalen Debatten um Ausstieg aus Kohleverstromung und Kernenergie sei es nun entscheidend, Länder wie China und Indien beim Umweltschutz in die Verantwortung zu nehmen. Außerdem gebe es mit dem Zertifikatehandel in der EU oder technischen Innovationen bereits gute Strategien zum Umweltschutz: "Da brauche ich den Leuten nichts aus der Tasche ziehen."

Der Aufreger des Abends

Die Stimmung im Studio war ausgesprochen feindselig. Etliche Male versuchten Kontrahenten, einander verbal niederzuwalzen. Vor allem zwischen Kühnert und Kretschmer knallte es wiederholt. "Man polarisiert dieses Volk. Das halte ich für absolut schädlich", kritisierte Kretschmer. Er sagte an den Juso-Chef gewandt: "Wenn Sie Sozialismus haben wollen, bitte schön." Er beließ es nicht bei dieser einen DDR-Parallele. "An dem Tag, wo sie (die Bürger) angefangen haben auszureisen, hat man die Mauer gebaut. Das ist genau die gleiche Herangehensweise." "Es ist infam, die ganze Zeit diese DDR-Vergleiche zu bringen", entgegnete Kühnert. "Wenn das alles ist, was Ihnen einfällt, dann disqualifizieren Sie sich für diese politische Debatte."

Kühnert war für sein Interview auch von Parteifreunden teils harsch kritisiert worden. Sigmar Gabriel etwa hatte ihm Egoismus vorgeworfen. "Ich glaube nicht, dass ich der SPD damit geschadet habe", zeigte sich Kühnert sicher und keilte zurück: "Bei Sigmar Gabriel weiß ich nicht, ob er der beste Berater dafür ist, ob jemand irgendwo einen Ego-Trip macht oder nicht."

Das Wort des Abends

"Radikal" – ein kleines Wort mit Sprengkraft. Will selbst hatte es in einer Frage an Baerbock losgelassen. Die griff es auf und forderte: "Wir müssen unser Wirtschaftssystem radikal umbauen." Einige Unternehmen würden Profit mit der Zerstörung der Umwelt machen. Eine gleichermaßen soziale wie ökologische Marktwirtschaft könne dies beenden. "Wir wollten bei der Sprache aufpassen. Dieses ganze Radikale macht Angst", warnte hingegen Kretschmer. Aber auch Nachhaltigkeitsforscherin Göpel fand, dass nur noch radikale Schritte helfen. "Die Zeit ist nicht auf unserer Seite", warnte sie. "Je länger wir es jetzt noch verzögern, umso höher werden die Kosten."

Der Faktencheck

"Für eine CO2-Steuer gibt es in der deutschen Bevölkerung keine Mehrheit", sagte Kretschmer. Damit hat er recht. Laut dem aktuellen ARD-"Deutschlandtrend" sehen zwar 81 Prozent der Bundesbürger sehr großen oder großen Handlungsbedarf in Sachen Klimaschutz. Mindestens ebenso viele meinen, dass der Klimawandel ohne Einschränkungen beim Lebensstil nicht gestoppt werden kann und dass Deutschland beim Klimaschutz mit gutem Beispiel vorangehen sollte. 62 Prozent lehnen eine CO2-Steuer aber eher ab.

Einen anderen Weg hat kürzlich eine Studie der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) aufgezeigt. Ihr zufolge könnten bis 2050 weltweit fast 90 Prozent des Strombedarfs durch Ökostrom gedeckt werden. Dieser Umbau des Stromsektors würde zwar etwa 13 Billionen Euro kosten. Im Gegenzug könnte die Weltwirtschaft aber rund 142 Billionen Euro sparen, etwa indem Schäden infolge des Klimawandels abgewendet werden. IRENA wurde 2009 in Bonn begründet. 153 Staaten und die EU sind Mitglieder der Organisation.

Verwendete Quellen
  • Auswärtiges Amt: Informationen zu IRENA
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