Enteignungsdebatte – heftige Kritik an Habeck "Damit streut man den Menschen nur Sand in die Augen"
Der Streit um eine mögliche Enteignung von Wohnungsgesellschaften hält an: Die CSU kritisiert Grünen-Chef Habeck. Die Linke wirft der SPD Mutlosigkeit vor. Der Städte- und Gemeindebund spricht von "Irrglauben".
Können Enteignungen gegen die Mietexplosion helfen? Der Städte- und Gemeindebund hat vor den negativen Folgen der Debatte über die Enteignung großer Wohnungsunternehmen gewarnt. "Durch derartige publikumswirksame Diskussionen, die sogar von einigen Politikern unterstützt werden, wird die Bereitschaft von privaten Investoren, neuen und zusätzlichen Wohnraum zu schaffen, im Zweifel deutlich reduziert", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, der "Passauer Neuen Presse". Die Hoffnung, Enteignungen großer Wohnungskonzerne könnten die Wohnungsnot lindern, bezeichnete er als "Irrglauben".
Zudem seien Enteignungsverfahren überaus langwierig, kompliziert und oftmals erfolglos. Auch entstehe dadurch keine einzige neue Wohnung. Stattdessen forderte Landsberg, dass schneller neue Wohnungen gebaut und überflüssige, das Bauen verteuernde Standards und Regeln eingeschränkt werden.
Bundesweit hatten am Samstag Zehntausende gegen steigende Mieten demonstriert. In Berlin begann zugleich ein bislang einmaliges Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne. Der Grünen-Bundesvorsitzende Robert Habeck hält Enteignungen prinzipiell für denkbar: "Das Grundgesetz sieht solche Enteignungen zum Allgemeinwohl ausdrücklich vor."
CSU-General kritisiert den Grünen-Chef
Wenn Grünen-Chef Robert Habeck es ernst meine, dann könne er "mit seiner Enteignungsidee ja mal bei den Luxus-Penthouse-Wohnungen seiner Grünen-Anhänger am Prenzlauer Berg anfangen", sagte dagegen CSU-Generalsekretär Markus Blume der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Das einzige Rezept, das mehr Wohnraum schafft, heißt Bauen, Bauen, Bauen", unterstrich der CSU-Politiker.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt warf dem Grünen-Vorsitzenden für seine Äußerungen zu Enteignungen vor, "neue soziale Ungerechtigkeiten" zu schaffen. "Wer wie Herr Habeck nach dem Motto 'Enteignen statt Bauen' handelt, schafft nur neue soziale Ungerechtigkeiten und stellt den gesellschaftlichen Frieden in Frage", sagte Dobrindt den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Der Wohnbau-Experte der Unionsfraktion im Bundestag, Kai Wegner, sagte der "Augsburger Allgemeinen", mit dem Vorschlag von Enteignungen würde den Menschen nur "Sand in die Augen" gestreut. Nicht Enteignungen würden dazu führen, dass wieder mehr Wohnraum zur Verfügung stehe. Es müssten schlicht mehr Wohnungen gebaut werden. "Und deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die Genehmigungsverfahren schneller werden und das Bauen nicht immer teurer wird", sagt Wegner.
Kipping wünscht sich mehr Mut von der SPD
Die Linken-Chefin Katja Kipping hat der SPD Zögerlichkeit bei der Frage von Enteignungen großer Wohnungsunternehmen vorgeworfen. "Ich wünsche mir mehr Mut von Andrea Nahles und der SPD", sagte Kipping der "Welt". Nahles hatte sich in der "Bild am Sonntag" gegen Enteignungen ausgesprochen. Stattdessen wolle die SPD aber einen Mietenstopp.
Kipping betonte: "Enteignungen von vornherein auszuschließen, obwohl sie das Grundgesetz erlaubt, ist das falsche Zeichen." Die Mitte werde jeden Monat durch explodierende Mieten enteignet. "Deshalb brauchen wir die Sozialisierung der Wohnungskonzerne", forderte Kipping.
SPD-Bundesvize Ralf Stegner widersprach Nahles: Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, Enteignungen seien ein letztes "Notwehrrecht" des Staates. "Es gibt teilweise halbkriminelles Verhalten, bei dem die Not der Mieter ausgenutzt wird. In diesen Fällen muss der Staat Handlungsfähigkeit beweisen."
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Nina Henckel, Sprecherin des Bochumer Immobilienkonzerns Vonovia, äußerte sich im Business Insider kritisch zum Vorschlag der Enteignung. Die aktuelle Forderung sei nicht sachdienlich, da die Finanzierung nicht geklärt sei. Sie räumt die Verantwortung der Unternehmen ein, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Deshalb plane die Vonovia allein in Berlin den Bau von 9.000 Wohnungen – auch zu niedrigen Quadratmeterpreisen.
- Nachrichtenagenturen dpa und afp
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