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"Fridays For Future" in Berlin: Greta kommt und alle rasten aus


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"Fridays For Future" in Berlin
Greta Thunberg kommt – und alle rasten aus

Von Helena Serbent (watson.de)

29.03.2019Lesedauer: 4 Min.
Greta Thunberg: Bei ihrem Auftritt in Berlin wurde sie von Fotografen umringt.Vergrößern des Bildes
Greta Thunberg: Bei ihrem Auftritt in Berlin wurde sie von Fotografen umringt. (Quelle: dpa-bilder)
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Am Anfang war es nur ein schwedischer Teenager: Heute mobilisiert "Fridays For Future" die Massen. Doch die Bewegung hat sich verändert, berichtet Watson-Autorin Helena Serbent.

Stockholm, Schweden, August 2018: Ein 15-jähriges Mädchen mit dunkelblonden Zöpfen steht vor dem schwedischen Parlament. Es ist Freitag und eigentlich müsste es gerade im Unterricht sitzen. Doch in den Händen hält das Mädchen ein schlichtes Schild, dass ihr Anliegen erklärt: "Skolstrejk för klimatet", stand darauf, zu deutsch "Schulstreik für das Klima". Das Mädchen heißt Greta Thunberg. Noch kennt kaum einer ihren Namen.

Berlin, Deutschland, 29. März 2019: Greta Thunberg läuft mit 25.000 weiteren Schülerinnen und Schülern, Lehrenden und Eltern durch die Straßen vom Invalidenpark zum Brandenburger Tor. Neben Greta marschiert auch Luisa Neubauer. Greta und Luisa führen den Zug an, circa hundert Journalisten umkreisen die beiden und das vorderste Banner wie Raubvögel. Einer dieser Medienmenschen, die unbedingt ein Foto von der Klimaaktivistin Greta knipsen wollen, bin ich.

Thunbergs Rede bei der UN-Klimakonferenz sorgte für Aufsehen

Als ich das erste Mal von Greta Thunberg hörte, kursierte gerade ihre Rede von der UN-Klimakonferenz in Katowice im Dezember 2018 im Internet. Darin wusch Greta den Mächtigen der Welt den Kopf und verlangte ein Umdenken in der Klimapolitik.

Innerhalb von wenigen Wochen organisierten weltweit kleine Gruppen Proteste. Wie Greta schwänzen viele von ihnen seitdem jeden Freitag die Schule, um vor den Parlamenten zu demonstrieren. "Fridays For Future" heißt die Bewegung, Freitage für die Zukunft.

Im Januar 2019 war ich bei einem der ersten Proteste von der Berliner Gruppe um Luisa Neubauer. Etwa 500 Jugendliche kamen zwischen zehn und zwölf Uhr vor dem Berliner Reichstagsgebäude zusammen, um eine klimafreundliche Politik zu fordern. Ein bunter Haufen war das: Kinder zwischen sechs und 18 Jahren, Studierende, ein paar Erwachsene, sie tragen Schilder mit Eisbären und Pinguinen, die gerettet werden sollen. Andere zeigen sich solidarisch mit den Aktivisten im Hambacher Forst. Mittendrin geben Luisa Neubauer und ihre Mitstreiter ein paar Lokaljournalisten Interviews.

Aus einer kleinen Versammlung wurde eine Massendemonstration

Niemand musste sich damals anmelden, um mit den Protagonisten zu sprechen. Die Aktivisten freuten sich, dass sich die Medien für sie interessierten, und gaben bereitwillig Gesicht und Stimme für einen Beitrag her. Um zwölf Uhr war von der Aktion kaum noch etwas übrig, nur ein paar vergessene Demoschilder lagen vor dem Parlamentsgebäude.

Eine Woche nach meinem ersten Besuch bei "Fridays For Future" in Berlin versammelten sich dann Tausende Schülerinnen und Schüler aus ganz Deutschland vor dem Bundesfinanzministerium. Da wurde klar, dass die Bewegung keine Eintagsfliege ist, dass sie wohl nicht so schnell im Sand verlaufen wird.

Als Politiker von CSU, CDU und AfD sich öffentlich über die "Schulschwänzer" und Greta Thunberg aufregten, war genauso klar: Diese Schülerinnen und Schüler haben einen Nerv getroffen. Bei den einen, weil sie trotz jahrelanger Regierungsverantwortung keine bessere Klimapolitik vorzuweisen hatten, bei den anderen, weil sie den Klimawandel trotz wissenschaftlicher Beweise immer noch leugnen. Greta Thunberg wird im Internet als geistige Brandstifterin dargestellt, von einigen sogar beleidigt und bedroht.

Gekommen, um Greta zu hören

Für die Schülerinnen und Schüler weltweit ist sie dagegen ein Vorbild: "Make the world Greta again" steht auf mehreren Plakaten, die jeden Freitag nun zu den Klimademos der Jugendlichen getragen werden. In Schweden wurde sie zur Frau des Jahres gekürt. Nachdem Thunberg angekündigt hat, am 29. März mit den deutschen Jugendlichen gemeinsam zu demonstrieren, war schnell klar, dass das eine Großdemonstration wird. Die Rede war schnell von mindestens 10.000 Personen.

Treffpunkt am Freitagmorgen ist der Invalidenpark. Als ich um 10 Uhr dort ankomme, sind Straßen abgesperrt, mehrere Rollwagen mit Lautsprechern aufgebaut und eine riesige Masse aus Kindern, Teenagern, Eltern und anderen Sympathisanten setzt sich in Bewegung. Nahezu jeder, den ich frage, warum er zur Demo gekommen ist, gesteht: "Ich bin auch gekommen, um Greta zu hören."

Während ich bei meinem ersten Besuch bei den Klimaschützern der Zukunft entspannt darauf warten konnte, dass sie ihre Schilder richten, ihre Haare zurecht rücken und sich dann dreimal erklären, warum sie demonstrieren, ist am Tag von Gretas Besuch alles anders. Ein Pulk aus Kameramenschen umkreist im Lauf Greta, Luisa Neubauer und das vorderste Banner. Mit Greta oder Luisa mal eben sprechen? Als ich eine Ordnerin danach frage, lacht sie. "Nein. Nicht heute."

"Wir sind 25.000"

Der Marsch endet vor dem Brandenburger Tor. Eine riesige Bühne ist dort aufgebaut. "Wir sind 25.000", brüllen die Veranstalteter immer wieder von der Bühne. Luisa, Greta und der halbwegs prominente Rest der Organisation sind eine Zeit lang nicht zu sehen. Neben der Bühne steht ein Zelt, abgesperrt von Hamburger Gittern. Die Aktivisten sind unantastbar. Der Protest dauert jetzt schon dreieinhalb Stunden. Eine Band spielt auf der Bühne, die Leute im Publikum fangen Sprechchöre an. "Greta, Greta!" Dann kommt Luisa Neubauer auf die Bühne und kündigt mehrere Redende an.

Kurz vor Ende der Veranstaltung kommt Greta auf die Bühne. Sie spricht in diesem perfekten Oxford-Englisch. "Das Haus brennt." Die Erwachsenen sollen sich fürchten. Die Menge jubelt. Greta sagt es noch mal: 25.000. Dann verschwindet sie auch schon wieder von der Bühne. Ich stelle mir vor, ich hätte mit 16 da oben gestanden. Vor Tausenden Menschen. Dieses Mädchen nötigt einem Respekt ab. Ihr folgen die Menschen. Aber wird das etwas verändern?


Ja, es hat sich was verändert. Aus einer kleinen Schülergruppe wurde eine weltweite Massenbewegung. Wo früher liebenswerte Versammlungen waren, gibt es heute Großveranstaltung mit einem enormen Administrationsaufwand. Und die Leitfiguren werden zu idealisierten Helden, die man auf einer Bühne anhimmeln kann. "Fridays For Future" ist nun populär, aber keine Bewegung zum Anfassen mehr. Doch während sich die Demo selbst in kürzester Zeit verändert hat, scheint die Klimapolitik so festgefahren wie eh und je. Bisher können die Umweltaktivisten um Luisa Neugebauer dort keine nennenswerten Erfolge vermelden.

Hinweis: Dieser Text erschien zuerst bei watson.de. Klicken Sie hier, um den Artikel dort zu lesen.

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