"Schrecklich alltäglich" So berichtet die internationale Presse über Chemnitz
Die Bilder von pöbelnden und prügelnden Neonazis in Chemnitz lösen nicht nur in Deutschland Entsetzen aus. Auch die internationale Presse verfolgt die Geschehnisse mit Sorge.
Die "New York Times" berichtet aus Chemnitz: "Videos zeigen, wie mehrere Tausend Demonstranten Deutschlandfahnen schwenken und rufen ,Wir sind das Volk' und ,Ausländer raus', wie sich Neonazis in der Stadt versammeln und den rechten Arm zum Hitlergruß erheben. (...) Sachsen hat schon lange mit Rechtsextremismus und Fremdenhass zu kämpfen. Seit 1991 gab es immer wieder rassistisch motivierte Angriffe und die Landeshauptstadt Dresden ist der Geburtsort der islamfeindlichen, nationalistischen Pegida-Bewegung. Und die AfD ist dort zweitstärkste politische Kraft, knapp hinter Frau Merkels Konservativen."
Der US-Nachrichtensender CNN berichtet: "Die Auschreitungen sind das jüngste Beispiel für die Gespaltenheit Deutschlands über die Aufnahme von Flüchtlingen. Merkel hat harsche Kritik einstecken müssen für ihre Entscheidung von 2015, das Land für Asylsuchende auf dem Höhepunkt des Syrienkriegs offen zu halten. Diese Entscheidung hat der AfD großen Auftrieb gegeben und Neonazis ermutigt."
Verschiedene europäische Zeitungen haben die Ereignisse in Chemnitz in den vergangenen Tagen auch explizit kommentiert. Eine Auswahl.
Der britische "Guardian" kommentiert: "Es ist beunruhigend, wenn ein rechter Mob in den Straßen einer Stadt randaliert. Doch aus offenkundigen historischen Gründen sind solche Szenen in Deutschland besonders erschreckend. Im sächsischen Chemnitz haben sich in dieser Woche Extremisten in so großer Zahl zusammengefunden, dass die Polizei anscheinend unfähig war – oder unwillig, wie einige befürchten –, wahllose rassistische Gewalt zu verhindern. (...)
Die CDU wirkt wie gelähmt durch den Aufstieg der AfD, die bei den Bundestagswahlen im vergangen Jahr stark genug wurde, um Angela Merkel zu einer fragilen Koalition mit der SPD zu zwingen, der zweiten Säule des parteipolitischen Establishments des Landes. Dadurch ist das politisch weit rechts stehende Lager zur größten Opposition im Parlament geworden. Das ist das Aufblühen von etwas Gefährlichem, das tief verwurzelt ist."
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Der "Tages-Anzeiger" aus Zürich meint: "Angriffe von Rechtsextremen auf Ausländer sind in Deutschlands Osten schrecklich alltäglich. In kleinen sächsischen Städten wie Freital, Heidenau, Clausnitz oder Bautzen hat es in den vergangenen zwei Jahren ebenfalls pogromhafte Jagden gegeben wie nun in Chemnitz. Besonders an dem Vorfall von Sonntag sind vor allem die Größe des Mobs, dessen straffe Organisation und die Tatsache, dass er die Straßen einer ziemlich großen Stadt an einem Wochenendnachmittag in Besitz zu nehmen wagte, als sich auch viele unbeteiligte Passanten dort aufhielten."
In der niederländischen Zeitung "de Volkskrant" ist zu lesen: "Die Ausschreitungen zeigen, dass die Unterstützung für die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel begrenzt ist. Sie verdeutlichen ein gestiegenes Gefühl der Unsicherheit, aber auch die immer offener gezeigte Fremdenfeindlichkeit. Und sie sind eine Machtdemonstration der extremen Rechten. Nicht zuletzt wird in solchen Fällen auch die Ohnmacht der Polizei ein Diskussionsthema. Das Zusammengehen von Rechtsextremisten und Hooligans in Ostdeutschland ist berüchtigt."
Auf t-online.de heißt es: "Ein Bruch geht durch Deutschland. Auf der einen Seite des Grabens stehen erzürnte, zum Teil auch hasserfüllte Menschen. Manche zeigen offen ihre rechtsradikale Gesinnung, andere halten sich weder für rechts noch für radikal, hegen aber einen tiefsitzenden Groll gegen Flüchtlinge, gegen die Bundeskanzlerin, auch gegen die Medien, und manche von ihnen haben offenbar nichts dagegen, Seite an Seite mit Extremisten auf die Straße zu gehen, wilde Parolen zu verbreiten. Sie sind nicht wenige, aber sie sind eine Minderheit. (...) Nicht alle Menschen, die in Chemnitz auf die Straße gingen, waren Rechtsradikale. Die Motive waren unterschiedlich. Alle diese Menschen unterschiedslos als “Nazis“ zu verunglimpfen, wäre ebenso unredlich, wie pauschal alle Ausländer als Kriminelle zu beschimpfen.
Die in Barcelona erscheinende Zeitung "La Vanguardia" sieht es so: "Man darf nicht tolerieren, dass Ultrarechte auf Kundgebungen sich selbst zum ,Volk' ernennen, da die große Mehrheit der Deutschen eine ganz andere Sicht der Dinge hat. Und man kann auch nicht akzeptieren, dass diese Demonstranten bei ihren Krawallveranstaltungen Losungen wie diejenige der ,Lügenpresse' ausrufen, die seinerzeit von den Nazis erfunden und benutzt wurde. Das Migrationsproblem ist derzeit in Europa schwerwiegend. Aber es werden nicht die Fremdenfeinde und Nazi-Nostalgiker mit ihrer Jagd auf Ausländer sein, die dieses Problem lösen."