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Flüchtlinge auf Güterzügen: Zahlen seit Jahrebeginn deutlich gestiegen


Flüchtlinge auf Güterzügen
"Es ist ein Phänomen, das uns Sorge macht"

Von dpa
Aktualisiert am 15.08.2018Lesedauer: 4 Min.
Zwei Bundespolizisten kontrollieren einen Güterzug an der Grenze zur Schweiz: "Manchmal sehen wir bei langsamer Fahrt oder einem Stopp Menschen von den Zügen springen."Vergrößern des Bildes
Zwei Bundespolizisten kontrollieren einen Güterzug an der Grenze zur Schweiz: "Manchmal sehen wir bei langsamer Fahrt oder einem Stopp Menschen von den Zügen springen." (Quelle: Patrick Seeger/dpa)
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Immer mehr Migranten versuchen, auf Güterzügen nach Deutschland zu kommen – ein lebensgefährliches Risiko. An der Rheintalbahn kontrolliert die Polizei inzwischen mit Hubschraubern.

Der Kranführer hoch über den Gleisen hat den besten Überblick. Er sieht die Güterzüge, die aus aller Welt kommen und die hier mit Hilfe der großen Kräne be- oder entladen werden. Und er bemerkt Bewegungen und Menschen, die nicht in diese Umgebung passen. Weil am Rhein im Süden Baden-Württembergs ist der erste Ort nach der Grenze. Und einer der größten Umschlagbahnhöfe Europas. Bahn und Bundespolizei sehen, nicht nur hier, einen lebensgefährlichen Trend: Flüchtlinge, die in Italien auf Güterzüge klettern und mit ihnen durch die Schweiz nach Deutschland reisen.

Polizeihauptmeister Carsten Luber und seine Kollegen schauen genauer hin. Die Beamten der deutschen Bundespolizei patrouillieren an Bahnstrecken. Sie kontrollieren internationale Güterzüge und prüfen Container, die auf Züge verladen und rund um den Globus unterwegs sind. Und sie nehmen Bahnhöfe und Schienenstrecken entlang der Flüchtlingsrouten ins Visier.

Zahlen seit Jahresbeginn deutlich gestiegen

"Es ist ein Phänomen, das uns Sorge macht", sagt der Polizist. In Baden-Württemberg ist es deutschlandweit mit am häufigsten zu beobachten. Die Region liegt auf einer international bedeutenden Flüchtlingsroute. Migranten klettern in Norditalien auf Güterzüge, fahren quer durch die Schweiz und kommen nach mehr als 400 Kilometern nach Deutschland. Weil am Rhein, die Stadt im Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich, ist die erste Station nach der deutsch-schweizerischen Grenze. Hier, und auch weiter entlang der Bahnstrecken, werden Flüchtlinge immer häufiger aufgegriffen.

Im vergangenen Jahr gab es in Baden-Württemberg nur einige wenige Einzelfälle, sagt Carolin Dittrich von der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein. Seit dem Jahreswechsel sind die Zahlen deutlich gestiegen. "Im ersten Halbjahr 2018 haben wir allein in Baden-Württemberg 254 Migranten aufgegriffen, die mit Güterzügen nach Deutschland kamen", sagt Dittrich. Pro Monat waren es demnach mehr als 40, ein Ende ist nicht in Sicht.

Weg nach Deutschland ist schwieriger geworden

Ähnliche Probleme haben auch Bayern und Österreich. Doch ist dort die Zahl der Flüchtlinge, die auf Güterzügen eingereist sind, seit Jahresbeginn stark zurückgegangen. Der Rückgang liegt an deutlich strengeren Kontrollen bei der Abfahrt der Züge in Verona durch italienische Beamte.

Flüchtlinge nutzten generell nahezu jedes Verkehrsmittel, sagt Dittrich von der Bundespolizeiinspektion. Güterzüge seien eine stark boomende Variante – und an Land die gefährlichste. Für Migranten sind sie eine Alternative, weil der Überwachungs- und Kontrolldruck anderswo gestiegen ist, viele Wege nach Deutschland schwieriger geworden sind. Für Bahn und Bundespolizei ist das eine Herausforderung.

Menschen auf den Achsen oder Rädern

In Dittrichs Beritt der Bundespolizeiinspektion Weil am Rhein wurden die Kontrollen verstärkt, dabei kommen auch Hubschrauber und Spezialkräfte zum Einsatz. "Angesichts der Gefahren für Leib und Leben, der sich die auf den Güterzügen reisenden Migranten aussetzen, steht die Gefahrenabwehr für die Bundespolizei im Vordergrund." Räumlicher Schwerpunkt sei die Rheinebene, nördlich von Basel. Sie ist eine der meist befahrenen Güterbahnstrecken Europas.

Ein Bahnbediensteter berichtet: "Manchmal sehen wir bei langsamer Fahrt oder einem Stopp Menschen von den Zügen springen." Oder es wird bemerkt, dass Menschen auf den Achsen oder Rädern von Zügen sitzen, auf Ladeflächen kauern oder dass Planen von Güterzügen aufgeschnitten sind. Dann ruft die Bahn die Bundespolizei, die neben dem Grenzschutz für den Bahnverkehr zuständig ist.

Lebensgefahr durch Oberleitungen

"Die Gefahren sind vielfältig", sagt die Polizeibeamtin Katharina Keßler. Als Beispiel nennt sie die über den Zugstrecken verlaufende 15.000-Volt-Oberleitung. Einen Kontakt überlebt selten jemand. "Aber schon eine Annäherung kann tödlich enden", warnt Keßler. Der Strom kann bis zu 1,50 Meter weit überspringen und ist so eine tödliche Gefahr.

Hinzu kommen typische Risiken des Bahnverkehrs: Schnellfahrende Züge auf benachbarten Gleisen, Rangierarbeiten, hochfliegende Gegenstände auf oder neben Schienen sowie die Gefahr, dass Ladung verrutscht und jemanden unter sich begräbt. Die Güter sind in der Regel mehrere Tonnen schwer, sie können für Menschen tödlich sein.

Frauen, Kinder, Schwangere

"Wir wundern uns selbst, dass noch nichts passiert ist", sagt Dittrich: "Es gibt Fälle, da sitzen Menschen stundenlang auf wenigen Zentimetern, versteckten sich in Hohlräumen unter dem Zug, sitzen direkt über den Rädern." Eine falsche Bewegung – und es komme zum Unglück. Es seien Frauen und Kinder, manchmal Schwangere oder Frauen, die ihr Baby im Arm halten. Fast alle, sagen die Beamten, kämen aus Afrika. Viele von ihnen hätten in Italien bereits Asyl beantragt.

Für Bahn und Bundespolizei ist das Retten dieser Menschen gefährlich. "Es muss häufig der Bahnverkehr gestoppt, Bahnhöfe müssen gesperrt und die Starkstromleitung muss abgeschaltet werden", sagt Keßler. Sonst werde es für die Beamten und die Flüchtlinge zu gefährlich.

"Wir sind bemüht, die Migration auf diesem gefährlichen Weg so weit möglich zu reduzieren oder zu verhindern", sagt Dittrich. Dazu dienten die verstärkten Kontrollen. Hierzu arbeite die Bundespolizei mit den Behörden in Italien und der Schweiz zusammen. Ziel sei auch, abzuschrecken, sagt die Beamtin: "Unsere Botschaft ist klar: Auf Güterzügen und Bahngleisen hat niemand etwas verloren."

Verwendete Quellen
  • dpa
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