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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Hart aber Fair" blickt auf 2018 Wenn Julia Klöckner sich um linke Hipster sorgt
Deutschland darf sich freuen. Das Jahr 2017 ist auch politisch fast am Ende. Wie sehr die Republik ein neues Jahr mit neuen Impulsen braucht, zeigte sich bei Frank Plasberg.
Die Gäste
· Julia Klöckner (stellvertretende Vorsitzende CDU)
· Bettina Gaus (Politische Korrespondentin der „taz")
· Abdelkarim (Stand-up-Comedian)
· Thomas Oppermann (SPD, Bundestags-Vizepräsident)
· Robin Alexander (Journalist der „Welt"-Gruppe)
Das Thema
Frank Plasberg wollte in dieser letzten Sendung des Jahres nur den „Ringrichter“ mimen, wie er erklärte. Er warf lediglich Themenhäppchen in Form von Zitaten anderer Politiker oder besonderer Momente in die Runde. Ein Rückblick auf das „Flop-Jahr 2017“, wie es die ARD nannte. „Erst Wahl, dann Qual: Womit haben wir das verdient?“
Inhaltlich ging es von den geplatzten Jamaika-Verhandlungen über den Aufstieg und Fall des Martin Schulz, die CSU-Feindschaft zwischen Horst Seehofer und Markus Söder, die Aussagen von CDU-Scharfmacher Jens Spahn und die ähnlich klingenden Jagd-Vokabeln des Herrn Gauland bis zur Verwirrung um eine Diätenerhöhung, die es noch gar nicht gab. Es war also alles dabei, worauf die Bürgerinnen und Bürger eigentlich keine Lust mehr haben.
Lacher des Abends
Martin Schulz bekam bei seiner Wahl im Frühjahr zum Parteivorsitzenden der SPD und Kanzlerkandidaten sage und schreibe 100 Prozent. „Das war keine Absicht“, sagte Thomas Oppermann am Montagabend. Ein schöner Spruch! Er kam wohl von Herzen. Oppermann wollte damit sagen, dass so ein Ergebnis nicht normal sei, die Partei ihren neuen Vorsitzenden habe tragen wollen. Nur wurde nicht nur Schulz danach von den Wählern fallen gelassen.
Ohrfeige des Abends
Zum Lachen sollte ansonsten wohl der Comedian Abdelkarim beitragen. Außer einem Bollywood-Vergleich zu den Jamaika-Verhandlungen und einem Irak-Vergleich zum 100-Prozent-Ergebnis von Schulz fiel ihm aber zunächst nicht viel ein. Er hatte erst seinen Auftritt, als es um Jens Spahn und dessen Forderung ging, Deutschland müsse ein Law-and-Order-Staat werden. Der Unionspolitiker will sich bekanntlich mit diesen rechtspopulistischen Äußerungen für eine Post-Merkel-Ära in Stellung bringen, bekam dafür vom Deutsch-Marokkaner aber nur eine verbale Ohrfeige.
Wer mit AfD-Parolen versuche, AfD-Wähler zur Union zurückzuholen, vergreife sich nur noch mehr im Ton. Oppermann fragte die neben ihm sitzende Julia Klöckner, ob der Spahn-Sprech schon ein Vorbote für die Zeit sei, „wenn Merkel mal weg ist“. Diese erwiderte, es sei legitim sich Sorgen um „Leib, Leben und Besitz“ zu machen. „Ein linker Hipster will nachts nach einer Party auch heil nach Hause kommen.“ Ganz so, als seien Deutschlands Straßen inzwischen nach Sonnenuntergang nicht mehr sicher.
Analogie des Abends
"Welt"-Journalist Robin Alexander zitierte mehrfach Michelle Obama, die in Bezug auf Donald Trump erklärt hatte: „When they go low, we go high.“ Frei übersetzt: Wenn andere Politiker neue Tiefpunkte setzen, halten wir mit Stil dagegen. Spahn war nicht der Einzige, der an diesem Abend eine Watsch’n dafür bekam, sich im Ton vergriffen zu haben. Alexander Gauland durfte auch nicht fehlen. Schließlich hatte er nach der Wahl erklärt, die AfD wolle sich das Land zurückholen.
Dann wäre da noch Christian Lindner, den Thomas Oppermann in die Abteilung der „Maximalisten und Populisten“ verwies. Auch Andrea Nahles bekam für ihr Oppositionsgeschrei eine mit, wobei Julia Klöckner sprach, als würde sie es selbst kaum glauben: „Dass man auch mal authentisch ist, das stimmt. Problematisch ist, wenn Politiker Kieselsteine sind, von denen alles abprallt.“ Klöckner bildete am Montagabend einen überaus formschönen Kieselstein und war sich nicht zu schade zu sagen: „Wir laden zu Sondierungsgesprächen ein mit zwölf Prozent Vorsprung.“ Gutes Gelingen!
Streitthemen des Abends
Frank Plasberg servierte an diesem Abend genug Stoff für ein ganzes Jahr an Sendungen, eben einen Rückblick auf all das, was das politisch interessierte Deutschland in den letzten zwölf Monaten hatte aushalten müssen. Klar, dass auch noch mal die Bürgerversicherung auf den Tisch kam. Thomas Oppermann lavierte minutenlang herum, ohne sich so recht zu an das Thema zu trauen.
Und so könnte es am Ende doch wieder so kommen, wie so häufig in den letzten Jahren: Die SPD bringt ein Thema vor, kann es nicht durchsetzen, „die Union erfindet dafür später einen Tarnbegriff und macht es zum eigenen Projekt“, wie Robin Alexander ausführte. In einer Welt der „thematisch ausgezehrten CDU“, so der Journalist weiter, und einer „SPD ohne Gewinnerthema“ könnte eine neue Große Koalition genau so verlaufen.
Was offen bleibt
Wird es 2018 also tatsächlich so kommen? Wird eine neue GroKo das Ergebnis der Wahl vom September? Thomas Oppermann zumindest wollte sich noch nicht darauf einlassen und erklärte, dass die SPD sich vorstellen könnte, als „eine Minderheitsregierung zu machen, und wir würden sie gut machen“. Neuwahlen seien für die Sozialdemokraten „indiskutabel“. Julia Klöckner, die auf Bitten des Moderators zwischenzeitlich in einem der peinlicheren Momente des Abends wie in einer Paartherapie Thomas Oppermann tief in die Augen schauen sollte, hielt dagegen nichts von einer Minderheitsregierung.
Am Ende des Abends bat Plasberg alle, sich für etwas zu entschuldigen, was 2017 nicht so gut verlaufen sei. Thomas Oppermann richtete seine Worte an all jene, die er zu hart angegangen habe. Julia Klöckner entschuldigte sich bei der SPD für eine nicht ganz faire Beurteilung der Situation der Sozialdemokraten nach der Wahl. Friede, Freude, Eierkuchen also am Ende eines chaotischen Jahres 2017. Möge 2018 besser werden!