Sat.1-Film "Der Rücktritt" Doku-Drama über Wulff fällt bei Zuschauern durch
Vor der Kritik gefeiert, beim Fernsehpublikum durchgefallen. Sat.1 zeigte am Dienstagabend - nur zwei Tage vor dem Urteil im Korruptionsprozess gegen Christian Wulff - das Doku-Drama "Der Rücktritt" über die letzten 68 Tage von Wulff im Amt des Bundespräsidenten. Die Kritik lobte den Film bei seiner Premiere vor rund einer Woche als "großes Fernsehen", doch beim Zuschauer konnte der Streifen nicht punkten. Insgesamt schalteten 2,78 Millionen Menschen ein.
Vor ziemlich genau zwei Jahren, am 17. Februar 2012, erklärte Christian Wulff seinen Rücktritt. Vorausgegangen waren dramatische Wochen, in denen ein Vorwurf gegen Wulff den anderen jagte. Sein Rücktritt schließlich hat Fragen aufgeworfen, die längst nicht beantwortet sind. War der heute 54-jährige Opfer einer Medienkampagne oder doch eher Täter, weil er viele Fehler gemacht und deren Tragweite massiv unterschätzt hat?
"Der Rücktritt" versucht in einer Mischung aus Realität und Fiktion die 68 Tage vom "Bild"-Bericht über Wulffs Hauskredit bei der Unternehmergattin Edith Geerkens bis zu Wulffs Rücktritt nachzuzeichnen. Kai Wiesinger und Anja Kling stellen Christian und Bettina Wulff dar. Holger Kunkel spielt Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker. Auf Informationen des Ex-Präsidenten und seiner Gattin Bettina mussten die Macher des Films verzichten. Die beiden lehnten eine Mitarbeit ab.
Produziert wurde der Streifen von Nico Hofmann ("Unsere Mütter, unsere Väter"), der auch schon den Film zum Fall Guttenberg ("Der Minister") verantwortete. Regie führte Thomas Schadt nach dem Motto "nicht zu viel Gefühle, sondern kritische Distanz", wie er anlässlich der Premiere von "Der Rücktritt" am 17. Februar sagte. Inhaltlich folgt der Film weitgehend dem Buch der "Bild"-Journalisten Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch, die im Streifen von Thorsten Merten und Christian Ahlers gespielt werden.
"Großes Fernsehen"
Von der Kritik wurde "Der Rücktritt" durchweg positiv aufgenommen. So schreibt die FAZ: "Aus all diesen Filmen (von Regisseur Schadt, Anm. d. Red.) kann man über Politik mehr lernen, als wenn man sich dreißig Jahre lang Fernsehnachrichten anschaut. Sie zeigen, wie Menschen Politik machen und was die Politik aus Menschen macht - nicht nur aus dem ehemaligen Bundespräsidenten."
"Der Fall Wulff konnte nur nüchtern-dokumentarisch umgesetzt werden", schreibt der Tagesspiegel. "Das ist Thomas Schadt beeindruckend gelungen. "Der Rücktritt“ vermittele zwar keine neuen Fakten, aber einen weiteren Blick auf die Geschehnisse vor nunmehr zwei Jahren.
Die "Berliner Morgenpost" bezeichnet den Film gar als "großes Fernsehen". Obwohl man dachte, bereits alles über den Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff zu wissen, gelesen und gehört zu haben, tauchte hier eine neue, bislang unbekannte Seite der Geschichte auf.
"Passiert da noch was?"
Doch Fernsehfilme sind nicht für die Kritiker, sondern für das Publikum gemacht. Und das ist da ganz anderer Ansicht. Auf Twitter und Facebook machten sich die Zuschauer Luft über den Streifen und hatten dabei fast alle Bereiche des Films im Visier: Drehbuch, Schauspieler, Regisseur.
Schon nach den ersten Minuten ist für viele Zuschauer die Luft raus: "Der Rücktritt ist jetzt nicht so gut, wie erhofft. Ein Wort schließt gleich aufs andere. Hoffen wir mal, dass das noch besser wird", meint etwa Stubentigga. Und Harrybossos schreibt: "Passiert da noch was? Ich bin jetzt schon gelangweilt."
Als nächstes geraten die Schauspieler in die Kritik, allen voran Kai Wiesinger, der Christian Wulff spielt: "Kai Wiesinger wirkt gar nicht wie Wulff. Das hätte Kermit ja noch besser hinbekommen", schreibt ein Zuschauer auf Twitter. Und behro4 hält Wiesinger nicht für die Idealbesetzung: "Ich weiß nicht. Kai Wiesinger ist als Christian Wulff wohl eine Fehlbesetzung."
"Absolut unnötig"
Auch an der Machart des Films stören sich viele Zischauer. So etwa an der Kameraführung: "Übrigens ist das Kameragewackel (Gott sei dank) inzwischen wieder out, lieber Regisseur". Oder auch an der Inszenierung: "Mutiges Thema, aber altbackene Umsetzung", schreibt beispielsweise TomasHerzberger. Und für JoanBleicher ist die Grundidee des Films, "die Korrumpierung der Persönlichkeit durch die Macht ein sehr konventionelles filmisches Erklärungsmuster." peer_wellendorf rügt eine "Schablonenhafte Darstellungen mit haarsträubenden Dialogen".
Je länger der Film läuft, desto grundsätzlicher wird dann die Kritik : So schreibt Gitta Herrmann auf Facebook: "Ich finde es unmöglich über diese Geschichte einen Film zu drehen. Ich finde es einfach geschmacklos." Stubentigga vermutet sogar "Propaganda": "Man will uns erzählen, wie es gewesen sein soll und empathisch die Fakten verdrehen." Pengel10 hält den Film für "absolut unnötig", für eine "chronologische Dauerwerbesendung für die Bild" und fragt: "Was soll das Nachtreten?"
Das Fazit der Zuschauer nach Ende des Films fällt denn auch demenentsprechend aus: Harrybossos schreibt: "War das ein langweiliger Film. rallekiel fordert gar: "Die Produzenten des Fernsehfilms 'Der Rücktritt' sollten zurücktreten." Ein versöhnlicheres Fazit zieht JeffryUGP: Naja, die letzten 15 Minuten waren gut. Von dem Rest hätte ich mir doch mehr erwünscht."