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NRW: Polizei muss Israel-Flaggen bei Palästinenser-Demos schützen


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Ministeriumserlass an Dienststellen
Polizei darf Israel-Unterstützer nicht von Demos wegschicken


09.11.2024Lesedauer: 5 Min.
Israel-Flagge am Rand einer Pro-Palästina-Demo: Die Polizei stellt das immer wieder vor Herausforderungen.Vergrößern des Bildes
Israelflagge am Rand einer Pro-Palästina-Demo: Die Polizei stellt das immer wieder vor Herausforderungen. (Quelle: IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Buriakov/imago-images-bilder)

Propalästinensische Demonstranten müssen mit dem Anblick einer Israel-Fahne leben – oder bekommen selbst Probleme. Ein Erlass in NRW stellt klar, dass Israel-Unterstützer mit Flagge keine Störer sind.

Bei Kundgebungen mit Palästina-Fahnen und Intifada-Rufen kommt es immer wieder vor: Wut und Antisemitismus kochen hoch, weil am Rande oder in der Nähe jemand eine Israelflagge hochhält. Demonstranten wollen dann häufig den Flaggenträger attackieren. Für die Polizei sind die Einsätze einfacher und ruhiger, wenn sie diese Personen wegschicken kann. Genau das ist im vergangenen Jahr seit dem Terrorangriff der Hamas immer wieder passiert.

Muss also der gehen, der nur friedlich seine Meinung kundtut und selbst keine Gefahr darstellt? Diese Frage ist inzwischen nach Informationen von t-online auch bei Verwaltungsgerichten angekommen. Das Innenministerium in Nordrhein-Westfalen hat die Frage für die Polizei schon geklärt.

Am 7. Oktober 2023 hatten palästinensische Terroristen Israel überfallen, etwa 1.200 Menschen ermordet und mehr als 250 Geiseln verschleppt. Die Attacke war Auslöser des Gaza-Kriegs mit mehreren Zehntausend Toten auf palästinensischer Seite. In Deutschland hat das zu einem Aufflammen von Israel- und Judenhass geführt, aber auch zu Solidaritätsbekundungen mit Israel und Juden. Und zum teilweise konfliktreichen Aufeinandertreffen der beiden Lager.

Bundesweit melden Behörden Straftaten, die bei vielen dieser Kundgebungen begangen werden. Häufig finden sich auch einige Gewaltbereite unter den propalästinensischen Demonstranten, von denen viele arabischstämmig sind, aber teils auch islamistisch, teils linksextrem. Auch Feministinnen und Queer-Aktivisten versammeln sich unter der schwarz-weiß-grün gestreiften Palästinaflagge mit rotem Dreieck. Oft fallen die immer gleichen Teilnehmer mit Straftaten auf.

Erlass macht NRW-Polizei Vorgabe zum einheitlichen Handeln

Schon am 9. August erging deshalb in Nordrhein-Westfalen ein Erlass an die Polizei, wie ein Ministeriumssprecher t-online bestätigte: Wenn blau-weiße Israelsymbolik ein rotes Tuch für die israelfeindlichen und teils antisemitischen Demonstranten ist, dann ist nicht die Fahne das Problem. Die Polizei muss stattdessen gegen diejenigen vorgehen, die aggressiv werden. Ein Ministeriumssprecher zu t-online: "Das Ministerium hat sämtlichen Kreispolizeibehörden ein einheitliches Handeln vorgegeben."

Auslöser war demnach ein Fall in Essen, in dem die dortige Polizei ganz anders gehandelt und einen Mann mit Israel-Fahne fest- und vorübergehend in Gewahrsam genommen hatte. Ein Video zeigt, wie ein Medienaktivist einer propalästinensischen Demonstration in seiner Live-Übertragung feiert, dass die Polizei den Israel-Unterstützer abführt. "Es gibt doch noch eine Gerechtigkeit in Deutschland", erklärt er darin.

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Polizei: Israel-Unterstützer schürte "massives Konfliktpotenzial"

Dem in Essen am 12. Juli festgenommenen Israel-Unterstützer Chris S. teilte die Polizei mit, er habe durch das Zeigen der Israel-Fahne "massives Konfliktpotenzial geschürt". Zur Gefahrenabwehr sei ein Platzverweis deshalb zu Recht ausgesprochen worden. Die kurzfristige Ingewahrsamnahme für eine Stunde bis kurz vor Ende der propalästinensischen Kundgebung sei "angesichts der drohenden Eskalation geboten und verhältnismäßig gewesen". Die Polizei Essen sieht auch nach dem Erlass des Innenministeriums kein eigenes Fehlverhalten bei dem Vorgehen. Die Beschwerde von Chris S. wurde zurückgewiesen, die Antwort liegt t-online vor.

Ganz anders der Tenor bei der Düsseldorfer Polizei: Sie hatte am 9. März einem Mann einen Platzverweis erteilt, als dieser laut Polizei mit den Farben Israels "stillen Protest" zeigen wollte und dann verbal lautstark von Teilnehmern einer Versammlung "Stoppt den Genozid" angegriffen wurde. Das Polizeipräsidium hat nun gegenüber dem Verwaltungsgericht eine Anerkenntniserklärung abgegeben, dass der Platzverweis rechtswidrig war und sie ihr Vorgehen bedauert.

Um Übergriffe auf den Mann mit der Pro-Israel-Botschaft zu verhindern, hatte die Polizei dort zunächst mehrfach eine Polizeikette gebildet. Sie schickte ihn dann jedoch mindestens 100 Meter weg. Der Mann kam dem zwar nach, ging aber danach dagegen vor. Und die Polizei erklärte anschließend detailliert entsprechend der Erlasslage des Ministeriums selbst, warum der Mann im Recht war. Das Schreiben liegt t-online vor.

Zeigen der Flagge kein Verstoß gegen Störungsverbot

Das Zeigen von Israelflaggen stelle offensichtlich keinen Verstoß gegen die Rechtsordnung dar. Sein Protest sei im Rahmen der von Grundgesetz und Versammlungsgesetz vorgesehenen Auseinandersetzung von Meinungen erfolgt. Sein Mittel, das Zeigen der Fahne, habe auch nicht auf die Behinderung der anderen Versammlung abgezielt. Damit habe er nicht gegen das Störungsverbot verstoßen.

Eine mögliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestand – nicht durch den einen Mann mit Fahne, sondern durch die aufgebrachten Teilnehmer der propalästinensischen Versammlung. Die Polizei könne Maßnahmen gegen Dritte aber nur verhängen, wenn von ihnen die Gefahr ausgehe. Da sich die Person mit Israel-Fahne rechtmäßig verhalten habe, habe er nicht als "Verhaltensstörer" in Haftung genommen werden dürfen.

Der Mann habe sich in der Situation in Gefahr befunden. Es wäre aber entsprechend dem Polizeigesetz möglich gewesen, Maßnahmen gegen die zu ergreifen, die dafür verantwortlich waren und die Gefahr abzuwehren: Polizeikette, Platzverweis und deren Durchsetzung gegen Störer aus den Reihen der Versammlung.

Das Problem ist nicht neu: 2009 hatte bundesweit Diskussionen ausgelöst, dass die Polizei in Duisburg in eine Wohnung eingedrungen war und zwei an der äußeren Hauswand angebrachte Israelflaggen entfernt hatte. Vor dem Haus hatten die Teilnehmer einer Demonstration der islamistischen Millî Görüş-Bewegung getobt und Gegenstände geworfen und dann das Entfernen der Flagge bejubelt. Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, nannte es danach "unerträglich, wenn in Deutschland Islamisten polizeiliches Handeln bestimmen". Ein vom NRW-Innenministerium beauftragter Gutachter kam jedoch später zu dem Schluss, dass das Eindringen und die Sicherstellung der Israelflaggen rechtmäßig waren, wie das Portal "Der Westen" berichtete.

In jedem Fall sind Maßnahmen zum Schutz der Gefahrenabwehr für Israelsympathisanten die Variante, die mit erheblich mehr Aufwand und Risiko für die Polizei verbunden ist.

Unter Polizeischutz bei mehr als 100 Palästina-Demos

Was das heißt, bekommt Karoline Preisler oft hautnah mit: "Die Beamten sind manchmal überhaupt nicht begeistert", sagt die ehemalige FDP-Politikerin. "Ich bedeute für sie zusätzlichen Aufwand." Preißler ist wahrscheinlich Deutschlands bekanntestes Gesicht auf Pro-Palästina-Kundgebungen, nachdem sie schon an mehr als 100 teilgenommen hat. Dabei wird sie angefeindet, beleidigt und angegriffen, fühlt sich aber gut beschützt von der Polizei. "Die weiß auch, wenn mir was passiert, stehen am nächsten Tag 20 Frauen da."

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Preisler ist nicht als Gegendemonstrantin unterwegs, sondern tritt versammlungsrechtlich als Teilnehmerin der eigentlichen Kundgebung mit differenzierter eigener Meinung auf. Sie hält dann Plakate hoch "Vergewaltigungen sind kein Widerstand" oder "Glaubt israelischen Frauen" – Aussagen, die sich auf die Angriffe der Hamas am 7. Oktober beziehen. So will sie mit Menschen ins Gespräch kommen. Es gehe ihr darum, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden: "Wir leben mit diesen Menschen ja auch weiterhin zusammen." Sie wolle nicht die Stimmung aufheizen, wie das durch das bloße demonstrative Zeigen einer Flagge der Fall sein könne.

Einen Israelschirm hat sie zwar dabei. Sie spanne ihn aber nur auf, wenn sie mit Palästinaschirmen attackiert werde. "Wenn die wollen, dass ich leiser bin, werde ich lauter. Und dann werden sie erfahrungsgemäß wieder ruhiger."

NRW-Innenministerium: Personalmangel keine Ausrede

Bei einer Kundgebung in Berlin hatten Polizisten sie mitten in einem vergleichsweise ruhigen Gespräch mit Palästina-Unterstützern aufgefordert, den Demonstrationsort zu verlassen und zur Gegendemonstration zu gehen. "Das ging gar nicht. Ich bin dem nachgekommen, aber ich habe mit der Polizei danach geklärt, dass ich beim nächsten Mal klage." Sie beachte Ratschläge und Hinweise der Polizei, die die Lage oft besser beurteilen könnten. "Aber Ansagen müssen Grenzen haben."

Könnte fehlendes Personal zum Schutz ein Grund sein, proisraelischen Demonstranten einen Platzverweis zu erteilen? Nein, heißt es in Nordrhein-Westfalen aus dem Innenministerium. Eine "Unmöglichkeit der Gefahrenabwehr" gegen die eigentlichen Störer komme in der Regel deshalb nicht in Betracht, weil die Kreispolizeibehörden zusätzlich zu eigenem Personal auf weitere Einsatzkräfte aus anderen Behörden zurückgreifen könnten: Bereitschaftspolizei, bei unerwarteten Lageentwicklungen auch kurzfristig auf Kräfte der Landeseinsatzbereitschaft sowie Sofortverstärkungskräfte.

Dies habe auch für den Fall in Essen gegolten, wo die Polizei die Beschwerde über Platzverweis und Festnahme zurückgewiesen hat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an Chris S., Innenministerium Nordrhein-Westfalen, Karoline Preißler
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