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EM 2024: Rechtsruck? Bundesbehörde löscht "irres" Video nach scharfer Kritik


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Rechtsruck durch Fußball-WM?
Behörde löscht "irres" Video und gibt Erklärung ab


Aktualisiert am 04.07.2024Lesedauer: 4 Min.
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Im Video wird diskutiert, ob die WM 2006 schuld am Rechtsruck in Deutschland sein könnte. (Quelle: t-online)
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Viele Menschen erinnern sich gern zurück an die Fußball-WM 2006 in Deutschland. Eine Bundesbehörde jedoch stellte einen Zusammenhang zwischen dem Turnier und dem Rechtsruck hierzulande her.

Anlässlich der diesjährigen Fußball-EM in Deutschland werfen viele Menschen einen Blick zurück auf das letzte große Fußball-Turnier, das hierzulande stattfand: die Weltmeisterschaft 2006. Deutschland schnitt überraschend stark auf dem dritten Platz ab, Millionen von Menschen fieberten in schwarz-rot-goldene Fan-Utensilien gehüllt mit dem DFB-Team mit. Vielen ist die damalige Fußball-WM daher als positives Ereignis in Erinnerung geblieben.

Nun hat jedoch ein Video der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), das auf dem sozialen Netzwerk Instagram geteilt wurde, die Gemüter vieler User über die Plattform hinaus erregt. Der Grund: Die Bundesbehörde, die dem Bundesinnenministerium untersteht, stellt die Fußball-WM 2006 und den damaligen schwarz-rot-goldenen "Party-Patriotismus" in einen Zusammenhang mit dem Rechtsruck in Deutschland in den darauffolgenden Jahren.

Das Video ist mittlerweile – wie auch alle anderen Videos der Reihe – gelöscht. In einer Erklärung auf Instagram schreibt die bpb, die Veröffentlichung des umstrittenen Reels sei "ein Fehler" gewesen. Die Umsetzung entspreche nicht den Qualitätsansprüchen der Behörde. Weiterhin heißt es dort, die bpb wolle alle weiteren Videos der Reihe "einer kritischen Qualitätsprüfung" unterziehen. Bis diese abgeschlossen ist, sind die Reels nicht mehr im Netz zu finden.

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bpb bezieht sich auf sieben Jahre alte These

Die bpb bezog sich in dem Video auf eine These des Politikwissenschaftlers Clemens Heni. Dieser hatte 2017 in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" erklärt, dass das "Sommermärchen von 2006" den Boden für die 2014 gegründete Bewegung "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) bereitet habe, die wiederum für das Erstarken der AfD verantwortlich sei. Heni forscht insbesondere zu Antisemitismus und der Neuen Rechten in Deutschland.

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Mit dem Instagram-Video richtete sich die bpb eher an eine jüngere Zielgruppe. Darin stellte die Moderatorin die "edgy" (zu Deutsch etwa "provokant" oder "eigen") Frage: "Sind Poldi, Klinsi und Co. schuld am Rechtsruck in Deutschland?" Daraufhin gab sie zwar zu, dass die These "steil" sei, erklärte dann aber, dass durchaus etwas dran sein könnte.

Die Moderatorin warf in dem Video einen kurzen Blick zurück auf das Jahr 2006. Deutschland sei damals vor allem für zwei angefangene Weltkriege "und vielleicht noch den Mauerfall" bekannt gewesen, behauptet die Moderatorin. Dann aber sei die Fußball-WM 2006 unter dem Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" nach Deutschland gekommen. "Und da durften die Deutschen wieder Flagge zeigen, ohne dass es nationalistisch wirkte, weil es halt nur Fußball war", hieß es weiter. Zudem sei das Phänomen des Public Viewings entstanden, also dass tausende Menschen gemeinsam Fußballspiele schauten – inklusive Fan-Utensilien in Deutschlandfarben. "Party-Patriotismus" nannte die Moderatorin das.

"Anstieg des Nationalstolzes" oder "Förderung von Toleranz"?

Im Anschluss an das Turnier sei es dann in Deutschland zu einer "Patriotismus-Afterhour" gekommen. Als "Afterhour" wird das Ausklingenlassen einer Party bezeichnet. Weniger als zehn Jahre nach der Fußball-WM 2006 seien dann nämlich Pegida-Anhänger in Dresden auf die Straße gegangen – mit Deutschlandfahnen. Daraufhin habe sich die Rechte hierzulande weiter radikalisiert.

In der Beschreibung des Instagram-Videos schwächte die bpb die provokante These etwas ab: Studien zufolge würden zwar besonders große Sportereignisse und Turniere "das Wir-Gefühl" stärken und "einen Anstieg des Nationalstolzes" auslösen. "Andere Untersuchungen kommen aber auch zu dem Schluss, dass diverse Mannschaften mehr Offenheit und Toleranz fördern", hieß es dort weiter.

Scharfe Kritik in sozialen Medien

In sozialen Netzwerken erntete das Video der Bundeszentrale für politische Bildung vor allem Widerspruch. Der sportpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Philipp Hartewig, nannte das Video auf X "irre". Der Abgeordnete führt aus: "Ohne Fakten über einen Zusammenhang zwischen dem Sommermärchen 2006 und Pegida sowie rechten Entwicklungen zu fabulieren, entspricht nicht dem Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung."

Der Journalist Julius Betschka fragte ebenfalls auf X: "Wie geht sowas in der bpb durch? Was sitzen dort für Leute?" Das Video sei weder "politisch" noch "Bildung", sondern lediglich "ziemlich billiger Boulevard".

Ein Nutzer auf Instagram schrieb: "Durch solche dämlichen Beiträge verliert ein super Bildungsinstrument an Glaubwürdigkeit." Der Zusammenhang zwischen Fußball-WM 2006 und Rechtsruck in Deutschland sei "mit Abstand das dümmste, was ich seit Monaten gehört habe". Die bpb antwortete darauf, dass man keine abschließende Antwort geben, sondern lediglich eine Frage aufwerfen wolle, "die in Wissenschaft und Medien diskutiert wird".

Bundesinnenministerium war nicht informiert

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärt auf Anfrage von t-online, dass es Aufgabe der bpb sei, "Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das politische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu fördern". Dazu greife sie zeitgeschichtliche und aktuelle Themen auf, um Hintergrundinformationen zu vermitteln und "die unterschiedlichen politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Positionen zur Diskussion" zu stellen.

Die Beiträge würden dazu von der bpb eigenhändig konzipiert oder beauftragt und durchgeführt, heißt es weiter. "Das BMI war insofern nicht vorab über Einzelheiten des Formats, wie beispielsweise die inhaltliche Ausgestaltung des Kurzvideos informiert."

t-online hat zudem die Bundeszentrale für politische Bildung um eine Stellungnahme angefragt.

Verwendete Quellen
  • instagram.com: Video von @bpb_de
  • Anfragen an Bundeszentrale für politische Bildung und Bundesinnenministerium
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