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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lindner bei "Miosga" "Lassen Sie die Regierung nun platzen?"
Bei "Caren Miosga" musste sich Christian Lindner massiver Kritik an seinem Sparkurs stellen. Einer klaren Antwort auf die Frage über ein mögliches Ampel-Aus wich er mehrfach aus.
Es sei schon bemerkenswert, dass Christian Lindner den ganzen Abend über nie dezidiert verneint habe, ob er die Koalition platzen lassen wolle, merkte die stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" (RND), Kristina Dunz, im letzten Drittel der Sonntagssendung von "Caren Miosga" an.
Dunz war nicht die einzige, die dem Bundesfinanzminister an diesem Abend etwas Derartiges attestierte; auch Moderatorin Caren Miosga stellte bereits zu Beginn der Sendung die Frage in den Raum, ob Lindner und die FDP Oppositionspolitik innerhalb der Ampelregierung betreiben würden.
Die Gäste:
- Christian Lindner, Bundesfinanzminister (FDP)
- Kristina Dunz, stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros des "Redaktionsnetzwerk Deutschland" (RND)
- Jens Südekum, Ökonom, Professor für Volkswirtschaftslehre und Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
Lindner, der zu Beginn der Sendung von seiner Leidenschaft zur Jagd berichtete, wollte diese Kritik nicht gelten lassen, lenkte dafür auf die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage Deutschlands um. Miosga legte nach, wollte wissen: Warum bohre die FDP Vereinbarungen auf, die innerhalb der Koalition eigentlich längst beschlossen waren? "Das tun wir nicht", antwortete Lindner. "Das tun Sie sehr wohl", konterte die Moderatorin und berief sich auf Streitigkeiten um die Streichung der Agrardiesel-Subvention, das Rentenpaket und das Bürgergeld.
Der politische Prozess entwickle sich eben weiter, argumentierte Lindner und konnte sich eine kleine Spitze gegen den Koalitionspartner SPD nicht verkneifen. Deren Bundestagsfraktionsvorsitzender habe schließlich in einer öffentlichen Rede CDU-Chef Friedrich Merz angeboten, gemeinsam über die Schuldenbremse zu sprechen, einer Bedingung für die Ampel-Koalition.
Die Agrardiesel-Lösung sei vor ihm außerdem bereits vom Landwirtschaftsminister kritisiert worden, so Lindner. "Meine Frage ist, was das für eine Kommunikation ist und was für ein Außenbild sie abgeben", merkte Miosga daraufhin kritisch an.
Lindner: "Politische Realitäten zwingen zu Kompromissen"
Das Thema Bürgergeld ist Lindner ein besonders großer Dorn im Auge – und laut ihm sogar einer der Hauptgründe für die mangelnde Zustimmung der Bevölkerung gegenüber der Ampelkoalition. Das Bürgergeld werde als bedingungsloses Grundeinkommen missverstanden, sei aber keine dauerhafte Einrichtung, argumentierte er.
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Woher seiner Meinung nach diese mangelnde Zustimmung der Wähler für seine eigene Partei herkomme, fragte Miosga – und zitierte eine aktuelle Umfrage, die die FDP bei vier Prozent sieht. Lindner mutmaßte, viele potenzielle und ehemalige Wähler hätten offensichtlich den Eindruck, dass die FDP manche ihrer Grundüberzeugungen (darunter Respekt vor Eigentum und Leistung) nicht ausreichend vertreten würde – was man aber tue.
"Die politischen Realitäten zwingen eben zu Kompromissen", so Lindner. Er wolle nicht dafür sorgen, dass es der FDP besser gehe, sondern den Menschen. "Wer interessiert sich für die FDP und die Karriere von Christian Lindner?", fragte er polemisch. "Sie", antwortete Miosga. Lindner: "Aber die Bürgerinnen und Bürger nicht". Diesen, so der Finanzminister, gehe es um die Frage, was aus unserem Land werde.
Eine Blockade der wichtigen Themen sieht Lindner eher bei den anderen – eine erneute Spitze gegen die anderen Koalitionsparteien. "Wer hat eigentlich letzte Woche blockiert, dass die Bezahlkarte für Asylbewerber kommt, die wir dringend brauchen, um den Magnetismus des deutschen Sozialstaats zu reduzieren? Wer blockiert eigentlich gegenwärtig die sogar verfassungsrechtlich notwendige rückwirkende Senkung bei der Steuer?", so der FDP-Mann. Auch das marktwirtschaftliche, weniger bürokratische Klimaschutzgesetz, das in der Schublade liegt und das der Bundestag beschließen könnte, werde blockiert.
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Als Opposition in der eigenen Regierung sieht er sich nicht: "Ich bin total offen und bekannt dafür, nicht alles durchzuwinken. Aber einseitig zu sagen, die FDP sei Opposition in der Regierung, trifft den Sachverhalt nicht."
Kristina Dunz: Lassen Sie die Regierung nun platzen, oder nicht?
Auf den Regierungswechsel der FDP im Jahre 1982 (die sogenannte "Bonner Wende") angesprochen, erklärte Lindner, die FDP habe damals ihre Existenz aufs Spiel gesetzt, habe dies jedoch für die eigenen Überzeugungen getan, was ihm durchaus Respekt abringe.
Zu den Streitigkeiten innerhalb der Koalition meinte er: "Ich spüre jeden Tag die Grenzen, an die wir stoßen, weil es sehr unterschiedliche Auffassungen davon gibt, wie die Menschen leben wollen, wie die Wirtschaft funktioniert, was die Gesellschaft braucht. Aber trotz dieser Grenzen, die ich spüre, haben wir es bis dato immer geschafft, auf einen Nenner zu kommen. Wenngleich es mitunter Arbeit und Anlauf benötigt hat."
"Lassen Sie die Koalition nun platzen, oder nicht?", bohrte Dunz am Ende nach. Erneut gab es seitens Lindner kein klares Nein. "Ich habe natürlich das Ziel, einen guten Haushalt vorzulegen und eine Wirtschaftswende zu erreichen. Ich bin mir sicher, dass sich die Frage so nicht stellt", wich er aus. Dunz ließ nicht locker: "Man könnte doch einfach sagen: ‘Wir regieren zu Ende’".
Dann deutete Lindner mit einer Aussage an, dass er sich durchaus Optionen offen lassen möchte. "Es gibt keinen Blanko-Scheck in der Politik. Dann wäre ich doch erpressbar." Eine Antwort, die Dunz als "interessant" quittierte.
Südekum: "Schuldenbremse braucht Update"
Ein Punkt, wegen dem sich Lindner an diesem Abend ebenfalls massiver Kritik stellen musste, war die Schuldenbremse. Geht es nach dem Ökonomen Jens Südekum, passt diese in ihrer jetzigen Form nicht mehr ins Hier und Jetzt und benötige dringend ein Update.
Es sei völlig normal, dass Staatsschulden für mehr Investitionen gemacht werden, so Südekum. "Alle machen das so, nur Deutschland zögert. Das ist auch der Grund, warum der Rest der Welt mit dem Kopf schüttelt: Dass wir bei all unseren aktuellen Problemen jetzt über einen Sparkurs diskutieren."
Lindner zeigte sich indes überzeugt von der Notwendigkeit eines Sparkurses: "Die Schulden von heute sind die Steuererhöhungen von morgen", meinte er – am Ende des Tages müssen dann die Bürger zahlen. Es gelte, noch drei Jahre diszipliniert zu sparen, um dann wieder auf dem Vor-Corona-Niveau zu sein.
Dazu gab es erneut Kritik von Dunz, die dies besonders in Anbetracht des Ukraine-Krieges und der wirtschaftlichen Entwicklungen als drei verlorene Jahre ansah und davon sprach, Deutschland zum "Schrotthaufen herunterzuregieren".
- ARD: Sendung "Caren Miosga" vom 7. April 2024