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Gegen Fakes im Netz: Wie die Bertelsmann-Stiftung Desinformation bekämpft


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Bekämpfung von Fakes
"Das verunsichert viele"


Aktualisiert am 25.01.2024Lesedauer: 5 Min.
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Polizisten bewachen eine Anti-AfD-Demo: Die liberale Demokratie steht auf gegen ihre Gegner. (Quelle: Andreas Arnold/dpa)

In Deutschland gehen Hunderttausende Menschen gegen Hetze und für die liberale Demokratie auf die Straße. Eine Initiative der Bertelsmann-Stiftung unterstützt die kritische Bürgergesellschaft. Projektchef Dominik Hierlemann erklärt, worum es konkret geht.

Werderscher Markt, gegenüber dem Auswärtigen Amt. Der Berliner Sitz der Bertelsmann-Stiftung. Es herrscht Ruhe in den Räumen, aber die täuscht. Seit Wochen und Monaten wird hier ein Projekt gegen Desinformation und für eine stabile Demokratie vorbereitet. t-online, das das Projekt medial unterstützt, hat den Projektleiter Dominik Hierlemann zum Gespräch getroffen.

t-online: Wieso hängen eine stabile Demokratie und die Bekämpfung von Desinformation zusammen? Man könnte ja auch sagen: Jeder mündige Bürger, jede mündige Bürgerin sollte so viel Erfahrung mit Mediennutzung haben, dass alle wissen, was verlässliche und was trübe Quellen sind?

Dominik Hierlemann: Unsere Demokratie braucht engagierte und informierte Bürgerinnen und Bürger. Heute mehr noch als in vergangenen Jahrzehnten. Aber die Unsicherheit im Umgang mit Desinformation bei vielen Menschen ist groß. Wenn Desinformation allgegenwärtig ist, dann ist der Schritt nicht weit, plötzlich allen und allem zu misstrauen – auch unseren demokratischen Institutionen. Deswegen braucht es mehr Medienkompetenz. Desinformation ist das langsam wirkende Gift der Feinde unserer Demokratie.

Ich lese gerade mit großem Interesse und Gewinn das Buch "Schloss der Schriftsteller", das von den illustren Korrespondenten der Nürnberger Prozesse handelt. Der Autor weist präzise nach, dass auch diese unverantwortlich viel Propaganda, Vorurteile, schlechte Recherche und literarisch angehauchte Klitterungen verbreitet haben, und zwar in hochseriösen Magazinen und Zeitungen. Gab es Fake News also einfach schon immer? Und was unterscheidet die von heute von denen damals?

Dominik Hierlemann
(Quelle: Britta Schröder)

Zur Person

Dr. Dominik Hierlemann ist Senior Advisor bei der Bertelsmann Stiftung. Er beschäftigt sich mit deutscher und europäischer Demokratie und hat zahlreiche innovative Beteiligungsprojekte initiiert und moderiert.

Fake News ist ein politischer Kampfbegriff von Donald Trump. Aber ja, gezielte Falschinformationen sind so alt wie die Geschichte der Menschheit. Doch die Bedeutung hat sich markant verändert. Die Schnelligkeit und die technischen Möglichkeiten zur Verbreitung von manipulierten Informationen haben enorm zugenommen. Früher hatte nur ein kleiner Teil der Bevölkerung die Hoheit darüber, welche Informationen verbreitet werden. Heute kann das im Grunde jede und jeder per Knopfdruck. Mit Künstlicher Intelligenz kann man ganz leicht Fotos und Videos fälschen. Das verunsichert viele. Aber klar ist auch: Die Demokratie kann und darf Lügen nicht einfach verbieten. Die Meinungsfreiheit müssen wir schützen. Wir brauchen aber als Gesellschaft eine Debatte darüber, wie wir mit der Herausforderung von Desinformation umgehen. Auch deswegen haben wir das "Forum gegen Fakes" initiiert.

(Quelle: Forum gegen Fakes)

Kämpfen Sie da nicht gegen eine Hydra? Schlägt man einen Kopf ab, wachsen zwei nach?

Es stimmt, Desinformation schaffen wir nicht so schnell aus der Welt. Was wir jedoch erreichen können, ist eine Sensibilisierung für das Thema und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Gefahren. Wenn wir als Bürgerinnen und Bürger besser Bescheid wissen, dann gehen wir auch selbstbewusster damit um. Wenn es wahr ist, dass sich die Demokratie wandelt und weiterentwickelt – und davon bin ich überzeugt –, dann müssen wir auch lernen, einen Umgang mit ihren neuen Herausforderungen zu finden. Wurde die Wasserschlange Hydra in der griechischen Mythologie am Ende nicht von Herakles besiegt? Nicht allein mit dem Schwert, sondern auch mit Feuer. Demokratie schützen heißt immer wieder nach den geeigneten Methoden und Verfahren zu schauen und miteinander im Dialog zu bleiben.


Quotation Mark

"Wir brauchen zu wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen eine breite Bürgerbeteiligung."


dominik hierlemann


Einerseits soll das groß angelegte Projekt eine digitale Debatte anstoßen, die auch über das Nachrichtenportal t-online geführt wird. Andererseits soll zudem ein Bürgerrat aus 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gebildet werden, der sich auch Gedanken machen soll, wie die Demokratie gestärkt werden kann. Wie setzt sich dieser Rat zusammen, und wie werden die 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer rekrutiert?

Der Bürgerrat ist ein noch recht junges Gewächs der Demokratie, das sich aber rasch in Europa verbreitet. Wir wollen nun das Prinzip des Bürgerrats erweitern mit einer Online-Beteiligung von interessierten Bürgerinnen und Bürgern. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Bürgerrats werden nach einem mehrstufigen Verfahren zufällig ausgewählt. Wir nutzen quasi einen Zufallsgenerator für Telefonnummern, rufen die Leute an und fragen, ob sie Interesse haben. Dann schauen wir, dass eine vielfältige Gruppe zusammenkommt. Dafür gibt es klare Kriterien, wie Alter, Geschlecht, regionale Herkunft, Bildungsgrad und Migrationshintergrund. Wer den Raum eines Bürgerrats betritt, soll das Gefühl haben: Ja, so schaut die Bevölkerung in Deutschland aus. So spiegeln sich dann in ihm unterschiedliche Erfahrungen, Meinungen und Perspektiven unserer Gesellschaft zum Thema Desinformation.

Was ist das Besondere, das Spannende an Ihrem Projekt? Warum lohnt es sich mitzumachen?

Wenn die Politik neue Strategien für gesellschaftliche Herausforderungen entwickelt, dann ist es unserer Ansicht nach wichtig, die Bürgerinnen und Bürger daran zu beteiligen. Wir brauchen zu wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen eine breite Bürgerbeteiligung. Deshalb haben wir dieses Projekt initiiert. Partizipationsprozesse, an denen sich möglichst viele beteiligen können – mit konkreten Ideen und Vorschlägen. Wo sehen die Bürger die größte Herausforderung? Was ist ihnen am wichtigsten? Welche Vorschläge erhalten die meiste Zustimmung? Mitzumachen lohnt sich, weil wir selbst als Menschen dazulernen, weil wir uns mit anderen auseinandersetzen, weil wir mehr über ein Thema erfahren. Diesen Aspekt der Demokratie vergessen wir allzu oft. In unserem Fall lohnt sich Mitmachen besonders, weil es großes politisches Interesse an den Ergebnissen dieses Forums gibt.

Seit dem Wochenende sehen wir in Deutschland Hunderttausende gegen Rechtsextremismus und für die freiheitlich-demokratische Grundordnung auf die Straße gehen. Gibt Ihnen das Wind in die Segel, oder nimmt Ihnen das den Wind aus den Segeln, weil die Sache auch ohne Ihr Projekt Fahrt aufnimmt und die Demokraten aller Parteien und jedweder Herkunft aufstehen?

Wir brauchen Wind in den Segeln der Demokratie. Bei vielen ist nun angekommen, dass die Demokratie geschützt werden muss und den Einsatz aller braucht. Das Auf- und Einstehen für sie ist immens wichtig. Das zeigt, wo die Mehrheit steht. Wir brauchen das auch als gemeinsamen Mutmacher. Zugleich gilt: Was machen wir, wenn Menschen das Vertrauen in Medien und seriöse Nachrichten verlieren? Wie kommen wir als Gesellschaft zusammen, wo sind unsere gemeinsamen Orte der Diskussion? Wie schaffen wir es, dass Politikmachen eine demokratische Freude für uns alle ist? Ich bin davon überzeugt: Wir benötigen neue Formen der Beteiligung. Digitale Angebote sind wichtig. Aber je mehr wir uns im Digitalen bewegen, desto mehr wächst auch der Bedarf, wieder als Menschen physisch zusammenzukommen.

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Aber untergraben solche Beteiligungsprojekte nicht das Vertrauen in unsere traditionellen Instanzen wie Parlamente oder gar das Vertrauen in die Demokratie?

Ganz im Gegenteil. Neue Beteiligungsverfahren wie Bürgerräte und gut gemachte Online- Konsultationen steigern das Vertrauen in die Demokratie. Natürlich ist es gut, wenn sich die Menschen in demokratischen Parteien engagieren. Aber Fakt ist eben auch, dass dieses Engagement zurückgegangen ist. Wir müssen also neue Beteiligungsangebote schaffen, mutiger sein und auch mehr ausprobieren. Klar ist aber: Am Ende entscheidet das Parlament. Aber wir brauchen mehr Räume der Demokratie, mehr Offenheit für Austausch und Akzeptanz der Meinung anderer. Wenn wir das nicht schaffen, dann löst sich der demokratische Kitt auf.

Verwendete Quellen
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