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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Firmenchefin klagt an "Macht Habeck so weiter, gibt es nur noch Industrie-Brötchen"
Die FDP erteilt Habecks Industriestrompreis eine Absage. Bei "Hart aber fair" wird um das grüne Projekt heftig gestritten. Eine Bäckerin sieht dabei schwarz.
Ein Wort brachte bei "Hart aber fair" am Montagabend die Lage in der Bundesregierung auf den Punkt. "Kommen Sie noch auf den Pfad der Grünen?", fragte Moderator Louis Klamroth Johannes Vogel, den stellvertretenden FDP-Parteichef. "Nein", antwortete der ohne zu zögern. Die beiden Unternehmer in der Talk-Runde fürchteten angesichts des Koalitionsstreits um ihre Profite, wenn nicht gar ihre Existenz. "Wenn er so weitermacht, gibt es halt irgendwann nur noch industrielle Brötchen", ließ Mittelständlerin Caterina Künne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) ausrichten.
Die Gäste
- Katharina Dröge (B‘90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende
- Johannes Vogel (FDP), stellvertretender Bundesvorsitzender
- Jens Spahn (CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender
- Christian Kullmann, Evonik Industries AG
- Jens Südekum, Ökonom, berät das Wirtschaftsministerium
- Caterina Künne, Inhaberin einer Bäckerei
Vogels "Nein" bezog sich auf den von Habeck geforderten Industriestrompreis. Mangelnde Investitionen und fehlende Innovationen ließen sich nicht durch weitere Subventionen lösen, bekräftigte Christian Lindners Stellvertreter die Position des Bundesfinanzministers. Wenn die Bundesregierung an die Energiepreise ran wolle, "dann bitte für alle: Unternehmen und alle Bürgerinnen und Bürger, durch die Senkung der Stromsteuer zum Beispiel. Da könnten wir was machen. Das hielte ich für richtig", sagte Vogel in der Sendung von Moderator Louis Klamroth.
Ein großes "Aber" hatte der Liberale hier allerdings eingebaut. Denn die Schuldenbremse will er wie Lindner nicht antasten. Aber vielleicht lasse sich ja im nicht durch Schulden finanzierten Klimafonds "Geld finden, um an die Energiepreise ranzugehen", meinte Vogel. Ungewohnt still wurde er auch, als Klamroth wissen wollte, ob der taiwanesische Chip-Riese TSMC wirklich mit Milliarden-Subventionen nach Deutschland gelockt werden muss. "Ich frage mich, ob das die richtige Schwerpunktsetzung ist", kommentierte der Liberale Habecks Kurs.
"Wasserpistole gegen Godzilla"
"Ich brauche keine Subventionen", meinte Christian Kullmann, Vorstandsvorsitzender der Evonik Industries AG. Aber das Geld für die heute doppelt so hohen Energiekosten seines Chemiekonzerns müsse irgendwo herkommen. Die von Lindner geplanten Steuersenkungen für Unternehmen in Höhe von sechs Milliarden Euro seien ein guter Schritt, um die Wirtschaft anzukurbeln. Verglichen mit den 400 Milliarden Dollar an Subventionen in den USA sei das, "als würden wir mit einer Wasserpistole gegen Godzilla anlaufen. Das reicht nicht".
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Laut dem Ökonomen Jens Südekum von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sind schon eher 100 Milliarden Euro nötig, um die deutsche Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen – und zwar jedes Jahr bis mindestens 2030. "Sonst schaffen wir die Transformation der Wirtschaft nicht", mahnte der Wissenschaftler, der seit 2020 im Wissenschaftlichen Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums sitzt. Zur Wahrheit gehöre aber auch: Dauerhafte Subventionen könne sich Deutschland nicht leisten.
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Nun ist Lindners Wachstums-Chancen-Gesetz bekanntermaßen kürzlich im Kabinett von der Grünen-Familienministerin Lisa Paus gestoppt worden. "Niemand investiert, weil keiner weiß, was gilt", monierte CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn die offenen Konflikte in der Ampel.
An anderer Stelle attestierte der Ex-Gesundheitsminister Rot-Grün-Gelb dann aber plötzlich eine erstaunliche Geschlossenheit – zumindest, wenn es um angeblich nicht mehr zeitgemäße Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag geht. "Jedes Projekt wird umgesetzt, koste es, was es wolle", behauptete Spahn.
Viel zu teuer ist für immer mehr Bürger dagegen das Brötchen vom echten Bäcker an der Ecke geworden. "Warum werden wir nicht entlastet?", klagte Caterina Künne, die in Hannover mit ihrem Mann sieben Bäckereien betreibt. Die Unternehmerin war im September 2022 schon mal bei "Hart aber fair" zu Gast. Besser geworden sei es seitdem nicht, erklärte sie.
Anklage bei "Hart aber fair"
Auch bei der Herzensbäcker Künne GmbH hätten sich die Energiepreise laut der Firmenchefin verdoppelt. Im Gegensatz zur Industrie hätten Betriebe wie ihrer die stark gestiegenen Kosten aber nicht einfach an die Verbraucher abwälzen können – in Verbindung mit nicht so stark gestiegenen Lohnkosten, laut dem Ökonomen Südekum, ein Grund, warum Dax-Konzerne trotz Krise satte Gewinne einfahren.
Künne warf Habeck vor, mit seinem Industriestrompreis ihre großen Konkurrenten zu stärken und damit den Untergang eines ganzen Handwerks zu besiegeln. "Dann ist Ihre Regierung dafür, dass es nur noch große Bäckereien gibt?", fragte sie die Grünen-Vertreterin Dröge. Die verwies auf Entlastungen des Mittelstands an anderer Stelle, etwa durch den Wegfall der EEG-Umlage. Das hilft kleinen bis mittelgroßen Bäckern laut Künne aber wenig, wenn Branchenriesen durch einen Industriestrompreis gezielt subventioniert würden.
Sollte das so kommen, würden halt nur fünf Großbäckereien übrigbleiben, warnte Künne. Schon jetzt könnten sich immer mehr Kunden nur noch Aufbackware vom Discounter leisten. Das treibe noch mehr Handwerksbetriebe in die Pleite. "Wir wollen Grundversorger bleiben und kein Luxus", unterstrich die Mittelständlerin das Existenzrecht ihres Berufsstands.
- ARD: "Hart aber fair" vom 21. August 2023