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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Asylrecht einschränken? "Wie kommen die Menschen her, fliegen Sie die ein?"
CDU-Politiker Thorsten Frei polarisiert bei "Hart aber fair" mit seiner Idee eines verschärften Asylrechts. Eine Sozialarbeiterin hält dagegen.
"Hart aber fair" war noch keine halbe Stunde zurück aus der Sommerpause, da musste Louis Klamroth seine zankenden Gäste bereits mehrfach zur Ordnung rufen. Viel gebracht hat es nicht. Denn beim Thema "Asyl" gingen beide Seiten in der ARD-Talkshow aufeinander los. "Wir brauchen Ordnung und Steuerung und auch Begrenzung", rechtfertigte Thorsten Frei (CDU) seine Forderung, das individuelle Asylrecht aufzuheben.
"Er will das Asylrecht radikal umbauen", stellte Klamroth in der Nacht zu Dienstag den Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der Unions-Bundestagsfraktion vor. Der hat vorgeschlagen, dass die Europäische Union schutzbedürftige Menschen gezielt aussucht und aufnimmt, allerdings nur bis zu einer festgelegten Höchstgrenze pro Jahr. Das soll reine Wirtschaftsmigranten draußen halten. Denn für die sei der Weg nach Europa bislang einfach zu attraktiv.
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Die Grünen haben diesen Bruch mit dem in jedem Einzelfall geprüften Asylrecht bereits abgelehnt. Auch Lars Castellucci von der SPD kündigte bei "Hart aber fair" Widerstand an. "Von Humanität ist nicht mehr die Rede", kritisierte der Migrationsexperte der Bundestagsfraktion. Er attestierte der Union, das "ungeliebte Erbe" der Ära Merkel endgültig über Bord zu werfen. "Das ist eine Abrissbirne für die Menschenrechte", meinte er. Seine Partei werde das Recht eines jeden Einzelnen auf Asyl verteidigen.
"Wie kommen diese Menschen nach Deutschland – fliegen Sie die ein?", fragte Klamroth nach der praktischen Umsetzung von Freis Asylplan. Und was wolle der Christdemokrat mit Flüchtlingen machen, die künftig in Lesbos oder Lampedusa an Europas Strände gespült werden? "Ich glaube, dass diese Menschen nicht mehr kommen", erwiderte Frei unter Verweis auf dann angeblich fehlende Anreize.
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Hier hatte selbst sein Unterstützer in der Runde, Migrationsforscher Ruud Koopmans, so seine Zweifel. Aber auch er sprach von einem "darwinistischen Hindernislauf" nach Europa. Den würden aktuell nur die stärksten und zahlungskräftigen Migranten überleben. "Das System, das wir haben, hat bereits eine Obergrenze" – die aber werde aktuell eben nicht von de EU, sondern von Sahara, Mittelmeer und Menschenschmugglern gesetzt.
"Zum Sterben in die Wüste"
Für Koopmans, Professor von der Humboldt-Universität Berlin, können letztlich nur Abkommen mit vermeintlich sicheren Drittstaaten die Lösung bringen. Dort müssten Asylsuchende dann ihre Anträge stellen, sobald das Kontingent der EU erschöpft ist. "Tunesien schickt Menschen zum Sterben in die Wüste", sagte Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin der Organisation Pro Asyl.
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Sie warf der CDU bei "Hart aber fair" vor, die Debatte über Asyl und Migration angesichts der bevorstehenden Landtagswahlkämpfe nach rechts zu verschieben. "Kein Mensch riskiert sein Leben für die paar Hundert Euro", widersprach ebenfalls Cansin Köktürk.
Die Sozialarbeiterin Köktürk nannte die Vorschläge von Frei "absolut realitätsfremd". Außerdem seien nicht Asylsuchende Schuld an Wohnungsnot oder Bildungsmisere in Deutschland. "Einfach legale Fluchtwege schaffen. Empathie und Kontrolle schließen sich nicht aus", forderte sie.
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"Wir haben die Chance, mit klugen Regeln die Sache gut zu bewältigen", wollte der Sozialdemokrat Castellucci ebenfalls Zuversicht verbreiten. Dazu gehört für ihn offenbar auch der Vorstoß von Parteifreundin Nancy Faeser zu leichteren Abschiebungen von Clanmitgliedern – mit einer entscheidenden Auflage.
Angeblich Millionen potentieller Migranten aus Afrika
"Wenn jemand Mitglied in einer kriminellen Vereinigung ist, dann kann das keine Ausländerbehörde feststellen", bekräftigte der Sprecher der Arbeitsgruppe Migration und Integration der SPD-Bundestagsfraktion. Eine Abschiebung sei ohnehin nur bei Personen ohne Aufenthaltsrecht möglich. "Dann habe ich im Dienste aller Menschen, denen ich gerne helfen möchte, wirklich keine Schwierigkeiten damit, dass wir sagen, dass wir da strenger werden", sagte Castellucci.
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Der SPD-Politiker wandte sich aber strikt gegen Warnungen von Frei und Koopmanns vor angeblich Millionen potentieller Migranten aus Afrika oder Afghanistan, die Europa "drohen" könnten. "Es ist eben nicht so, dass wir vor einer neuen Völkerwanderung stehen", bekräftigte der Sozialdemokrat. Koopmans hatte unter anderem eine Gallup-Umfrage von 2021 angeführt, laut der 37 Prozent der Befragten in Subsahara gesagt hätten, sie würden bei sich bietender Gelegenheit gern auswandern.
"Das sagt man in Adlershof auch", meinte Castellucci trocken unter Verweis auf den Standort des TV-Studios. Dort war "Hart aber fair" am Montag ausnahmsweise aufgezeichnet worden. Wegen des DFB-Pokals konnte die Talkshow erst um Mitternacht auf Sendung gehen.
- ZDF: "Hart aber fair" vom 14. August 2023