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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Orden aus Moskau Russlands ausgezeichnete Stasi-Männer
Der Deutschlandchef eines Vereins russischer Sicherheitskräfte hält engen Kontakt zu früheren Stasi-Mitarbeitern. Es werden sogar gegenseitig Medaillen verliehen. Ist das mehr als obskure Traditionspflege?
Das sichtbarste Mitbringsel aus Deutschland war leuchtend blau und aus Stoff: Oleg Eremenko brachte im November 2022 eine Fahne nach Moskau mit. Sie zeigt das Emblem der sogenannten "Offiziere Russlands", einer 300.000 Mitglieder zählenden russischen Organisation von Mitarbeitern des Militärs und der Sicherheitskräfte. Er leite deren deutschen Zweig, und frühere Angehörige der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Staatssicherheit (Stasi) der DDR hatten auf der Fahne gute Wünsche für die russischen Truppen in der Ostukraine hinterlassen. Andere Geschenke an die "Offiziere Russlands" waren kleiner, aber noch seltsamer: Medaillen von DDR-Verbänden.
Beiträge in sozialen Medien zeigen: Die "Offiziere Russlands" und Vereine ehemaliger Stasi-Funktionäre zeichnen gegenseitig Mitglieder aus. Die "Offiziere Russlands" haben unter anderem frühere DDR-Top-Spione geehrt. Umgekehrt hat Eremenko im vergangenen Jahr Medaillen von unbeirrbaren DDR-Anhängern an die Spitze der Offiziersvereinigung in Moskau überreicht.
In Zeiten des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und eines Großmachtanspruchs Russlands, das sich vom Westen herausgefordert sieht, wirft das Fragen auf. Etwa: Wozu dient die Verbindung zwischen den deutschen Ewiggestrigen und den russischen Imperialisten? Nur zur Traditionspflege oder geht sie darüber hinaus?
Der Historiker Hubertus Knabe, früherer Direktor der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, sieht in den Kooperationen mit den "Offizieren Russlands" ein neues Phänomen, wie er t-online sagte: "Das Ministerium für Staatssicherheit quasi als Kampfreserve Putins in Deutschland."
Tatsächlich gibt es Hinweise darauf. Die Verbindungen zwischen DDR-Anhängern und den "Offizieren Russlands" scheinen eng zu sein. Nicht zuletzt Aussagen von Oleg Eremenko und Postings in sozialen Netzwerken legen das nahe.
In Moskau Lob für deutsche Verbündete
Wie t-online berichtete, hat der Russe Eremenko, der einst Offizier des russischen Militärnachrichtendienstes GRU war, etliche Funktionen in russischen Organisationen in der EU inne, nicht nur bei den "Offizieren". An seiner Adresse residiert ein Verein früherer Fallschirmjäger und Elitesoldaten der DDR, der Sowjetunion und Russlands. Außerdem pflegt er Verbindungen zum früheren Donbass-Milizenführer Igor Girkin, dessen Chefrekrutierer, und zur berüchtigten Söldner-Gruppe Wagner.
In Russland berichtet Eremenko immer wieder von seinen Verbindungen zu früheren DDR-Strukturen: "Wir versuchen, gemeinsam mit ehemaligen Vertretern der DDR-Armee Veranstaltungen durchzuführen", erzählte er bei einem "Antifaschistischen Forum" in Moskau 2022. "Trotz ihres fortgeschrittenen Alters sind diese Deutschen bereit, sich den Reihen anzuschließen und die Russen zu unterstützen." Im März dieses Jahres bekräftigte er das: "Es gibt sehr viele Deutsche, die uns unterstützen, Offiziere der ehemaligen nationalen Armee der DDR, viele aus staatlichen Strukturen, aus der Stasi", sagte er im März. Die seien angeblich quasi bereit, alles zu tun, was der Oberbefehlshaber sagt.
Für diese Loyalität zeigen sich Eremenkos "Offiziere" erkenntlich.
"Offizier"-Orden für Rainer Rupp
Anhand von inzwischen gelöschten Social-Media-Beiträgen lässt sich nachvollziehen, dass sie unter anderem den früheren DDR-Top-Spion Rainer Rupp mit ihrem Orden "Für die Offiziersehre" auszeichneten. Rupp spionierte einst für die DDR im Nato-Hauptquartier, schaffte geheime Dokumente nach Ostberlin und wurde dafür wegen Landesverrats verurteilt. In manchen Kreisen wird er noch heute in höchsten Tönen gelobt, weil er mit seinen Informationen angeblich einen Atom-Krieg verhindert habe.
Rupp ist nicht der einzige prominente Träger der russischen Orden.
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Auch Werner Großmann wurde noch von der russischen Offiziersvereinigung geehrt, kurz bevor er im Januar 2022 starb. Großmann war in der DDR einst stellvertretender Minister für Staatssicherheit und schließlich der letzte Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung, also des Auslandsgeheimdienstes der DDR. Er trägt Mitverantwortung für die Vernichtung der Akten in der Wendezeit.
Ehrung bei Gedenken an Spion
Großmanns Ehrung aus Russland erfolgte im Rahmen eines Stelldicheins früherer Stasi-Leute und Kommunisten: Jährlich am 7. November treffen sich Mitglieder der "Gesellschaft zur Rechtlichen und Humanitären Unterstützung" (GRH), der "Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR" (ISOR), des "Verbands zur Pflege der Traditionen der NVA und der Grenztruppen der DDR" (VTNVAGT) sowie der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). An dem Tag erinnern sie an den Kommunisten Richard Sorge, einen sowjetischen Spion, der die Sowjetunion vor dem Angriff Nazi-Deutschlands warnte. Nach Sorge war die höchste Auszeichnung der Staatssicherheit benannt.
Vor der Gedenktafel für den Spion erhielten Werner Großmann und Rupps Führungsoffizier Karl Rehbaum bei diesem Anlass im Jahr 2020 Ehrung und Urkunde. Rupp war schon früher geehrt worden.
Doch neben prominenten Köpfen der früheren Staatssicherheit zeichneten die "Offiziere Russlands" auch Mitstreiter aus, die offenbar für jüngere Aktivitäten geehrt wurden: Alle sind noch in Vereinen früherer NVA- und Stasi-Akteure tätig. Mindestens drei frühere Angehörige des Wachregiments "Feliks E. Dzierzynski", dem militärischen Arm des MfS, bekamen das Metall.
Dzierzynski war Gründer und Leiter der bolschewistischen Geheimpolizei Tscheka, dem von ihm organisierten "roten Terror" in der frühen Sowjetunion fielen Zehntausende zum Opfer. Seine Büste steht nach russischen Berichten auf dem Schreibtisch des Gründers der "Offiziere Russlands", Anton Tswetkow. Seine Organisation will auch, dass eine 1991 vor dem Sitz des Geheimdienstes KGB in Moskau entfernte Dzierzynski-Statue wieder aufgestellt wird.
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Geehrt wurde zum einen Thomas Schmidt, der als Oberst bei dem Wachregiment präsentiert wurde, nach anderen Quellen Oberstleutnant war. Er ist heute zweiter Vorsitzender des Fallschirmjäger-Traditionsverbands Ost (FTJO). Die "Offiziere Russlands" lobten ihn für seinen "enormen Beitrag zur Kampfbruderschaft und Freundschaft zwischen unseren Völkern". Im Januar plädierte er in einer Runde der "Offiziere" für die Umbenennung Wolgograds in Stalingrad. Dort sagte er, Deutschland sei für ihn besetztes und versklavtes Land und müsse mit Amerika brechen, um in Frieden leben zu können.
In Schmidts Verein FTJO ist für die Region Berlin Wolfgang Schröder Kameradschaftsleiter, der sich als früherer Offizier des MfS-Regiments präsentiert. Schröder ist zugleich zweiter Vorsitzender bei "Desant", einem Verein ehemaliger sowjetischer und russischer Spezialkräfte unter Eremenkos Adresse. Der wiederum nennt Schröder einen Freund, bei Wettschießen ehemaliger Spezialkräfte bildeten sie ein Team. Schmidt, Schröder, Schröders Frau und ein weiteres Mitglied des Traditionsverbands Ost erhielten die Auszeichnung "Für die Offiziersehre".
Verbände und Beteiligte schweigen
Keiner der Beteiligten wollte sagen, wofür die Ehrungen erfolgt sind. Die Verbände reagierten nicht, Eremenko und Schmidt lehnten eine Stellungnahme ab. Keiner der Verbände macht Angaben dazu, wer über die Vergabe von Medaillen an die "Offiziere Russlands" entschieden hat.
Aus Sicht des langjährigen Kommandeurs der NVA-Fallschirmjäger, Oberstleutnant a.D. Klaus-Dieter Krug, sind diese Ehrungen eine "lächerliche Spinnerei". Er sagte t-online: "Das hat klar einen politischen Hintergrund." Die "ahistorischen" Ehrungen der "Offiziere Russlands" und der Stasi-Ehemaligen-Vereine erfolgten nach dem "sowjetischen Vorbild, für jeden Anlass einen Orden zu verleihen. Russen lieben das besonders, und wir hatten in der NVA mitgemacht."
Krug gehört heute, als früherer Chef des Fallschirmjägerbataillons 40 und des daraus hervorgegangenen Luftsturmregiments 40, dem "Kameradenkreis 'Carl von Clausewitz'" an, der Mitglied im einstmals westdeutschen Bund Deutscher Fallschirmjäger ist. Krug ist im geeinten Deutschland angekommen. Er verantwortet die Internetseite nva-fallschirmjaeger.de, gehörte dem ominösen Fallschirmjägertraditionsverband Ost nur wenige Tage an und verließ ihn, nachdem er dort als "Verräter" beleidigt wurde.
Experte: Traditionsverband von Stasi-Kadern übernommen
Der Verein sei im Laufe der Zeit zu einem Sammelbecken "aller möglichen Spezialisten" geworden, sagt Krug. 1990 hätten ihn traditionsbewusste ehemalige Fallschirmjäger der NVA in Mannschaftsdienstgraden gegründet, doch immer mehr ehemalige Leute des früheren Ministeriums für Staatssicherheit hätten sich angeschlossen. "Das war, nachdem sie erkannt hatten, dass der Verein politisch relevant sein könnte." Nun seien dort Leute organisiert, "die in einer Traumwelt des vorigen Jahrhunderts leben".
Stalin-Orden für deutsche Vereinsvorsitzende
In den alten Stasi-Strukturen engagieren sich nicht nur Männer im Renten- und Greisenalter: Im Präsidium des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden agiert Liane Kilinc, die 1972 geboren wurde und zum Mauerfall noch minderjährig war. Die frühere DDR-Jugendmeisterin im Bahnradfahren wuchs in einem Stasi-Haushalt auf. Einen Verein "Friedensbrücke-Kriegsopferhilfe e.V.", der von stasi-nahen Vereinen unterstützt wird, leitet sie heute von Moskau aus, weil sie sich in Deutschland bedroht fühle. Der "Offizier Russlands" Eremenko würdigte den Verein explizit beim "Antifaschistischen Forum". Vordergründig geht es um humanitäre Hilfe vor allem für Kinder im Donbass. Sie finanziert aber nach Recherchen der linken Zeitung "Jungle World" auch Transporte von Kriegsgütern in den Donbass mit. Kilinc steht in Verbindung mit den nationalistischen "Nachtwölfen" und postet Beiträge zur Unterstützung der Söldnergruppe Wagner. Die Kommunistische Partei Russlands ehrte sie mit dem "Stalin-Orden".
Der Militärhistoriker Sönke Neitzel findet es "nachvollziehbar, dass diese Leute die DDR und die Sowjetunion verklären". Der NZZ sagte er, die Bundesrepublik habe diesen Leuten "kein Angebot gemacht, um sie an den neuen Staat zu binden". Nun "geistern sie als freie Radikale herum". Historiker Hubertus Knabe sieht darin eine "toxische Mischung", wenn ehemalige Stasi-Mitarbeiter und SED-Funktionäre gemeinsame Sache mit russischen Offizieren machen. "Hier verbindet sich die Verklärung der sowjetischen Diktatur mit aktuellen politischen Bezügen", sagte Knabe. Diese Kreise seien besonders anschlussfähig für Putins Propaganda – auch wenn dessen Russland mit Sozialismus nichts mehr zu tun hat.
120.000 Euro aus Deutschland für Veteranen
Bei der Suche nach möglichen Erklärungen für die Ehrungen aus Russland landet man im Falle der Traditions-Fallschirmjäger mit Schröder und Schmidt bei einer Spendenaktion: Ende 2020 haben sie einen von den "Offizieren Russlands" angestoßenen Aufruf zu Spenden für russische Veteranen und überlebende KZ-Insassen unterstützt und vorangetrieben. Rainer Rupp verschaffte der Aktion mit einem Beitrag auf der Plattform des Verschwörungsideologen Ken Jebsen noch mehr Aufmerksamkeit nach außen. Schließlich flossen rund 120.000 Euro Richtung Russland "für diejenigen, die gegen den Faschismus gekämpft und darunter gelitten haben", wie es hieß. Auch für Veteranen "in faschistischer Ukraine und Baltikum", wie Eremenko erklärte, denn sie würden da "nicht als Helden, sondern als Verräter behandelt".
In Russland gab es für die Aktion viel Aufmerksamkeit, von der Bundesrepublik Deutschland angeblich eine Steuerersparnis: "Wir stellen auch eine Quittung für die Spende zum Nachweis beim Finanzamt aus", schrieb Eremenko in einem Aufruf der "Offiziere Russlands", den auch der "Verband zur Pflege der Traditionen der NVA und der Grenztruppen der DDR" veröffentlichte. Eremenko sei "Freund und Partner". Das Geld floss über ein Konto der "Glinka-Gesellschaft" im Russischen Haus in Berlin, die sich als Kulturverein darstellt.
"Jeder Cent gegen die finstere Politik gegenüber Russland"
Bei einer Pressekonferenz zur Übergabe der Spenden mit der Spitze der "Offiziere Russlands" in Moskau im April 2021 wurden Rupp und Schröder zugeschaltet. Dort kam auch Joachim Bonatz zu Wort, Vizepräsident des Ostdeutschen Kuratoriums von Verbänden (OKV) und Vize-Vorsitzender von ISOR. Der OKV ist ein Dachverband verschiedener Organisationen im Osten Deutschlands, die Historiker Hubertus Knabe als "Volksfront gegen die deutsche Einheit" bezeichnet. Bonatz beklagte laut "Offiziere"-Seite, leider werde "das gesamte Geld deutscher Steuerzahler in die Ukraine überwiesen, wo ganz andere Opfer und Helden verehrt werden".
Die Wortbeiträge aus Deutschland galten aber weniger den Veteranen und KZ-Opfern von vor 80 Jahren. Rupp sprach von einer "politischen Aktion vor dem Hintergrund wachsender Lügen, Desinformationen und Hetze: Wir haben deutlich gemacht, dass jeder Cent (...) ein Votum gegen die finstere, provokative Politik gegenüber Russland und seinem Präsidenten Wladimir Putin ist." Rupp hatte damit einen Eindruck vermeiden wollen, der auch entstehen könnte: Dass Russland sich zu wenig um seine Helden kümmert und deshalb frühere Stasi-Kader braucht.
- Eigene Recherchen
- nzz.de: Wie ehemalige DDR-Offiziere für Putins Krieg in der Ukraine werben
- oficery.ru: Pressekonferenz zu Unterstützung für Opfer des Faschismus (russisch, archiviert)
- Youtube.com: Berliner Blick: Rainer Rupp. "TOPAS" und "TÜRKIS", die beiden Edelsteine des Geheimdienstes (archiviert)
- Youtube.com: antikriegTV: NATO-Krieg gegen Russland - UZ Pressefest (archiviert)
- vtnvagt.de: Aufruf Hilfe für Veteranen (archiviert)
- jungle.world: Mit Nazis in Russland