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Anne Will | Journalistin belehrt Spahn: "Das ist keine emotionalisierte Debatte"


Sticheleien bei Anne Will
Journalistin belehrt Spahn – "keine emotionalisierte Debatte"

Von t-online, czi, aj

Aktualisiert am 12.06.2023Lesedauer: 4 Min.
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Franziska Grillmeier bei Anne Will: "Da kann man wirklich schon von haftähnlichen Bedingungen sprechen". (Quelle: IMAGO/Jürgen Heinrich)
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Die EU will das Asylrecht verschärfen und spaltet bei den Grünen die Gemüter. CDU-Politiker Jens Spahn sorgt mit einer These für Widerspruch.

Bei den Grünen hat der von den EU-Innenministern vereinbarte Kompromiss zur Asylreform für lautstarke Kritik gesorgt. Während Grünen-Chefin Ricarda Lang die geplante Verschärfung des Asylrechts nicht unterstützt, gehört ihr Amtskollege Omid Nouripour zu den Grünen, die dafür gestimmt haben. "Warum?", wollte Anne Will am Sonntagabend von ihm wissen.

Die Gäste

  • Saskia Esken, SPD-Parteivorsitzende
  • Omid Nouripour, Parteivorsitzender Bündnis 90/Die Grünen
  • Jens Spahn, stellv. CDU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag
  • Ruud Koopmans, Professor für Soziologie und Migrationsforschung an der Humboldt-Universität zu Berlin
  • Franziska Grillmeier, Journalistin

"Ich verstehe meine Leute, die erschüttert sind", stellte Nouripour klar. Er sei jedoch der Auffassung, dass jedes noch so kleine Vorankommen besser sei als gar keine Veränderung. Auch kleine Schritte könnten in die richtige Richtung gehen, so der Grünen-Chef.

Der Reformvorschlag habe eine Mehrheit gebraucht, damit der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament überhaupt erst in Verhandlungen treten könnten, so Nouripour.

Seiner Meinung nach gehe es beim Thema Asylrecht nicht darum, das eigene Parteiprogramm erfolgreich durchzusetzen, sondern Fortschritte zu ermöglichen.

Nouripour widerspricht Faeser

Der Grünen-Chef stellte jedoch auch klar, dass es sich nicht um einen "historischen Erfolg" handele. "Das ist kein Grund zu jubeln, aber wir sind das erste Mal einen Schritt vorangekommen", so der Grüne. "Weitere Schritte werden folgen müssen."

Damit widersprach er in Teilen Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Die hatte nach der Einigung der EU-Staaten auf einen härteren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive getwittert: "Das ist ein historischer Erfolg – für die Europäische Union, für eine neue, solidarische Migrationspolitik und für den Schutz von Menschenrechten."

Anne Will hakt nach

Mit Blick auf diesen Jubel-Tweet wollte Moderatorin Will von SPD-Chefin Saskia Esken wissen: Feiert sich Ministerin Faeser für eine Einigung, die nichts mit Solidarität zu tun hat?

"Frau Faeser feiert sich nicht", stellte Esken daraufhin klar. Die Innenministerin sei viel eher erleichtert, dass eine Einigung gelungen sei. Schließlich handele es sich um einen "großen Schritt", wie er ihren Amtsvorgängern Thomas de Maiziere und Horst Seehofer nicht gelungen sei.

Esken stellte auch klar: Mit dem Reformvorschlag stehen bisher nur Eckpunkte fest. Nun gelte es an einer Ausdifferenzierung zu arbeiten.

Jens Spahn äußert Zweifel

Zweifel daran, ob das verschärfte Asylrecht für eine verbesserte Verteilung und Organisation von Geflüchteten in Europa sorgen wird, kamen am Sonntagabend von CDU-Politiker Jens Spahn.

Von der Neuerung sei tatsächlich nur ein Viertel der "irregulären Migration" betroffen – nämlich diejenigen ohne Bleibeperspektive – erklärte Spahn. Für drei Viertel derjenigen, die unkontrolliert nach Europa flüchteten, gebe es keine Lösung, bemängelte er.

Faeser habe sich bei der Kompromissfindung am Ende lediglich "gefügt", so Spahn. Positiv sei aus seiner Sicht jedoch die Anerkennung der Tatsache, dass es mit Blick auf die Flüchtlingsaufnahme eine Grenze des Machbaren gebe und die Verteilung Geflüchteter deswegen besser geregelt werden müsse.

Journalistin weist Spahn zurecht

Zwischen der Journalistin Franziska Grillmeier und Spahn entbrannte ein Schlagabtausch über das Wort "Haft", wenn in den Medien über die Bedingungen in den Aufnahmelagern an den EU-Außengrenzen gesprochen wird. "Ich empfinde den Begriff der Haft echt schwierig", so Spahn. "Und den sollten wir hier so auch nicht verwenden". Es handele sich um eine "Reiseeinschränkung". Man könne zwar nicht weiter in die EU einreisen, aber jederzeit aus der EU ausreisen. Die "Nicht-Möglichkeit" weiter in die EU einzureisen sei ein "ziemlich großer Unterschied" zu einer Haft, so Spahn. In diesen polarisierenden und emotionalisierenden Debatten müsse man bei den Begriffen vorsichtig sein.

Grillmeier, die selbst aus Aufnahmelagern unter anderem in Griechenland berichtet hatte, wollte das nicht so stehen lassen. "Wir haben eine Situation, in der Menschen feststecken", so Grillmeier. Das führe zu mehr Leid und Chaos.

"Wenn man sich wirklich mal die Realität ansieht, mit welchen Rechtsbrüchen die Leute vor Ort konfrontiert sind, dann kann man wirklich auch von haftähnlichen Bedingungen sprechen". Das, was Menschen in solchen Situation erlitten – wie etwa der fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung – stelle keine emotionalisierte Debatte dar, sondern beruhe auf Fakten.

Auch Nouripour stichelt gegen Spahn

Kritik äußerte Spahn auch daran, dass keine Begrenzung der Flüchtlingszahlen in Aussicht gestellt wurde. Darüber hinaus halte er es für unfair, dass es derzeit ein "Recht des Stärkeren gebe" und es somit hauptsächlich junge Männer nach Europa schafften. Das sei auch nicht im Sinne einer "feministischen Migrationspolitik", so Spahn.

Bei Nouripour führte das zu Belustigung: "Ich weiß nicht, ob ich weinen oder lachen soll, wenn Jens Spahn zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit öffentlich das Wort Feminismus benutzt", so der Grünen-Chef. Auf Spahns Forderung nach einer Begrenzung antwortete er mit einem Zitat von Ex-Kanzlerin Angela Merkel: "Das Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenze."

Experte drängt auf Abkommen mit Drittstaaten

Zustimmung bekam Spahn von dem Professor für Soziologie und Migrationsforschung, Ruud Koopmans. Um helfen zu können, müsse man bereit sein, "irreguläre Zuwanderung zu begrenzen", erklärte der.

Der Gedanke dahinter: Derzeit verwende Deutschland fast die Hälfte der Ressourcen auf die Behandlung von Asylanträgen, die zu Ablehnungen führten, so Koopmans. Würden diese Ressourcen frei, könnte mehr von den Menschen geholfen werden, die Asyl am dringendsten brauchen.

"Wir brauchen dringend Abkommen mit Drittstaaten", sagte Koopmans außerdem. Nur so könnten Menschen davon abgehalten werden, tödliche Fluchtrouten nach Europa zu nehmen. "Kein Migrationspakt ist das Wort wert, wenn es nicht gelingt, dieses Sterben zu beenden", so der Experte.

Es darf nicht nur um Geld gehen

Angesichts der jüngsten Verhandlungen zwischen EU und Tunesien, sagte Koopmans, dass Drittstaaten nicht nur Geld geboten werden solle, um dabei zu helfen, illegale Migration einzudämmen. Auch Perspektiven in der EU für Arbeitskräfte und Studenten aus Tunesien sollten eine Rolle spielen.

Wegen der steigenden Zahlen von Mittelmeermigranten will die EU-Kommission gemeinsam mit Tunesien härter gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen.

Brüssel wolle dem nordafrikanischen Land in diesem Jahr gut 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen für Grenzmanagement, Such- und Rettungsaktionen, Maßnahmen gegen Schleuser und Rückführungen von Migranten, kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Sonntag in Tunis nach einem Gespräch mit Präsident Kais Saied an.

53.000 Bootsmigranten kamen allein dieses Jahr an Italiens Küsten an, größtenteils aus Tunesien.

Verwendete Quellen
  • Anne Will vom 11 Juni 2023
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