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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Wow, ich staune" Anne Will weist CDU-Politiker Amthor zurecht
Stärkt der Heizungsstreit der Ampel den rechten Rand? Darüber diskutierte Anne Will mit ihren Gästen. Die Antworten der Gäste fielen unterschiedlich aus.
Nur noch 20 Prozent der Befragten sind laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend mit der Arbeit der Ampelregierung zufrieden. Ein Rekordtief. Gleichzeitig kommt die AfD bei der Sonntagsfrage auf 18 Prozent und liegt damit auf demselben Niveau wie die Kanzlerpartei SPD.
Diese beiden Zahlen warf Anne Will zu Beginn in die Runde, um die Leitfrage der Sendung zu untermauern: "Verliert die Ampel beim Klimaschutz den Rückhalt in der Bevölkerung?"
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Die Gäste
- Katharina Dröge, Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag
- Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der FDP im Bundestag
- Philipp Amthor, Bundestagsabgeordneter (CDU)
- Steffen Mau, Soziologe an der Humboldt-Universität zu Berlin
- Jana Hensel, Autorin und Journalistin ("Zeit Online")
Soziologe vermisst die soziale Gerechtigkeit
Aus seiner Sicht sei im umstrittenen Heizungsgesetz "die Frage der Gerechtigkeit nicht hinreichend adressiert", versuchte sich der Soziologe Steffen Mau an einer Erklärung. Das Gesetz sei zwar ein zentrales Element des Klimaschutzes, aber "sehr technisch gemacht" und hole die Menschen nicht ab – zumal diese nach den diversen Krisen der vergangenen Jahre ohnehin "veränderungserschöpft" seien.
Anne Will weist Philipp Amthor zurecht
Dem widersprach der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der für sich in Anspruch nahm, "am Melkstand in der Milchviehanlage im ländlichen Raum" die Meinung "ganz normaler Leute" in Erfahrung gebracht zu haben: "Diese Leute sind nicht zuallererst veränderungsmüde, die sind von dieser schlechten Regierungspolitik müde." Das Heizungsgesetz sorge für "riesige Verunsicherung", es werde "Führungslosigkeit erlebt", zudem sei die "Migrationskrise nicht im Griff".
Nachdem Amthor auch noch die Schlagworte "grünes Gängelband", "Verbotspolitik" und "Heizungshammer" platziert hatte, präsentierte er seine Schlussfolgerung: "Verantwortlich für diesen Aufstieg der AfD ist allein die schlechte Performance dieser Ampelregierung."
Anne Will konnte sich nach Amthors scharfen Worte kaum zurückhalten: "Wow, ich staune", wies sie ihn zurecht. "Weil alle Extremismusforscher sagen jeweils, es ist natürlich maximal zu kurz gesprungen, wenn man monokausale Erklärungsmuster für den Erfolg der AfD in den Umfragen" verantwortlich mache.
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Dann war es an der Journalistin Jana Hensel darauf hinzuweisen, dass nicht die rechte Partei, sondern die CDU "als Erste eine Kampagne gegen dieses Heizungsgesetz gestartet" habe. Deren Vorsitzender Friedrich Merz – soeben mit neuen Thesen zur Gendersprache hervorgetreten – arbeite permanent mit "rhetorischer Eskalation" und spalte die Gesellschaft. So habe die AfD für ihr Umfragehoch im Prinzip gar nichts tun müssen.
Anne Wills Verdacht: Will die FDP gar keine Wärmewende?
Und die koalitionsinternen Konfliktparteien Grüne und FDP? Spielten auch bei Anne Will ihre Rollen weiter. FDP-Fraktionschef Christian Dürr verteidigte die Bedenken der Liberalen ("wollen ein technologieoffenes Gesetz"), verwahrte sich aber gegen den von der Moderatorin formulierten Verdacht, einige seiner Parteifreunde wie etwa der Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki oder der Abgeordnete Frank Schäffler wollten womöglich gar keine Wärmewende, sondern ließen sich vor den Karren fossiler Lobbyisten spannen: "Das ist Quatsch." Das bestehende Gebäudeenergiegesetz sei schlecht und funktioniere nicht mehr, so Dürr. Insofern sei eine Einigung das Ziel.
Diesen Ball nahm Katharina Dröge gerne auf. Die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen räumte zwar Fehler ein: "Wir haben zu viel gestritten." Und: "Wir haben alle zur Verunsicherung beigetragen."
Sie betonte aber auch die Dringlichkeit des Projekts und verteidigte den Entwurf von Robert Habeck als "sehr pragmatischen und sehr sozial ausgestalteten Weg". Schließlich wäre die Alternative eine Regelung über den CO2-Preis gewesen, was innerhalb sehr kurzer Zeit sehr hohe Preise bedeutet hätte – egal für wen. Habecks Gesetz sehe hingegen großzügige Übergangsfristen und Förderungen vor.
Zu guter Letzt sah sich FDP-Politiker Dürr noch gezwungen, Philipp Amthor auf die CDU-Politik auf europäischer Ebene hinzuweisen: In Brüssel nämlich plane Ursula von der Leyen ein derart rigides europäisches Gebäudeenergiegesetz, dass der Habeck'sche Gesetzentwurf dagegen fast wie eine "Waisenknabenveranstaltung" wirke.