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Bodo Schiffmann: Finanzaufsicht soll über "Querdenker"-Spenden entscheiden


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Schiffmanns Schwindel
Behörde soll über "Querdenker"-Spenden entscheiden


Aktualisiert am 08.03.2023Lesedauer: 6 Min.
Bodo Schiffmann: Weil Paypal und er sich nicht über 700.000 Euro einigen können, liegt das Geld fürs Ahrtal seit anderthalb Jahren brach.Vergrößern des Bildes
Bodo Schiffmann: Weil Paypal und er sich nicht über 700.000 Euro einigen können, liegt das Geld fürs Ahrtal seit anderthalb Jahren brach. (Quelle: Arnulf Hettrich, Gualtiero Boffi, Montage: t-online/imago-images-bilder)

"Querdenker"-Arzt Bodo Schiffmann hat 700.000 Euro Spenden für die Flutopfer an der Ahr gesammelt. Damit das Geld endlich ankommt, soll die Luxemburger Finanzaufsicht helfen.

Hilfe sollte schnell kommen. Und das Geld kam schnell. Am ersten Tag nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 rief Bodo Schiffmann die "Querdenker"-Szene per Telegram zum Spenden auf. Innerhalb von 17 Tagen kamen 700.000 Euro zusammen. Schiffmann sammelte privat über einen sogenannten Moneypool des Zahlungsdienstleisters Paypal, "weil es immer sehr lange dauert, bis staatliche Hilfen ankommen".

So weit, so gut. Oder schlecht. Denn bis heute ist unklar, ob die Spenden je bei den Betroffenen ankommen. Das Problem: Das Land Rheinland-Pfalz sollte die Spenden bekommen und würde sie gern annehmen, Paypal hat das Geld, möchte es aber ausschließlich an Schiffmann persönlich auszahlen. Der wiederum möchte es keinesfalls auf sein Konto bekommen.

Dass das Geld bis heute nicht zur Verfügung steht, hat seinen Ursprung im Juli 2021. Am 15. Juli hatte Schiffmann seinen Spendenaufruf gestartet. "100 Prozent für die Flutopfer!" Der Arzt, einer der provokantesten und radikalsten Köpfe der "Querdenker"-Szene, wollte mit den eingehenden Spenden zunächst ein Bauunternehmen bezahlen, wenn es bei Straßenbauarbeiten im Ahrtal für eine "Querdenken"-Demo wirbt. Die Firma sprang ab.

Account wegen Beschwerden gesperrt

Schiffmann hatte auch "zwei, drei besonders betroffene Familien" an der Ahr im Sinn, die das Geld bekommen sollten. Letztlich bot er sein Spendengeld Gemeinden unter Auflagen an, zettelte sogar Shitstorms gegen ehrenamtliche Bürgermeister an, das Geld anzunehmen. Bei Paypal häuften sich daraufhin die kritischen Anfragen.

Nach 17 Tagen wurde der Paypal-Zugang für Schiffmann gesperrt. Diesen Schritt behält sich Paypal in seinen – durchaus fragwürdigen – Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, wenn ein Kunde, "Geschäfte in einer Weise führt, die zu Beschwerden führt". Für 180 Tage sollte das Spendengeld nun von Paypal eingefroren sein.

Das bot Zeit, in Schiffmanns Umfeld einen Verein zu gründen, der das gesammelte Geld übernehmen sollte. Eine Abtretungserklärung für das Geld war aufgesetzt – doch im letzten Moment trat der Verein davon zurück.

Schiffmann setzte auf einen letzten Ausweg – der Staat sollte die Spenden nun zum Verteilen bekommen. Kurz vor dem ersten Jahrestag der Flut ließ Schiffmann seinen Anwalt Ivan Künnemann an Paypal schreiben: 697.659,63 Euro sollte Paypal auf das Spendenkonto des Landes Rheinland-Pfalz mit dem Verwendungszweck "Katastrophenhilfe Hochwasser" übertragen.

Dies war mit dem Land abgesprochen, die zuständige Spendenaufsichtsbehörde stellte sogar eine Bescheinigung aus: Der Vorgang sei sammlungsrechtlich eine einwandfreie und zweckentsprechende Verwendung der gesammelten Spenden gewesen. Schiffmann forderte: Bis zum 12. Juli 2022 müsse Paypal überweisen, sonst drohten rechtliche Schritte.

Seitdem hat sich jedoch nichts getan. Es wurden keine rechtlichen Schritte eingeleitet, obwohl Paypal das Geld nicht überwiesen hat. Schiffmann soll es sich holen. Es gibt nur einen Weg, die Spenden aus dem Moneypool zu übertragen. Und der ist die Überweisung auf das von Schiffmann hinterlegte Referenzkonto: "Die Maske auf der Seite bietet technisch keine andere Möglichkeit", erläutert sein Anwalt Künnemann. Er selbst sagte in einem Video: "Ich bräuchte nur einen Knopf drücken und könnte es auf dieses Konto überweisen."

Aber dort will Schiffmann das Geld auf keinen Fall liegen haben. Warum ist ihm das zu heiß? Künnemann sprach bereits im Sommer 2022 von rechtlichen Problemen, die sich daraus ergeben könnten. Denn wäre das Spendengeld erst einmal auf Schiffmanns privatem Referenzkonto angekommen, könnte die Justiz eine Straftat wittern. Als Warnung sieht Künnemann den Fall des "Querdenken"-Gründers Michael Ballweg: Der sitzt seit über einem halben Jahr wegen seines Umgangs mit Spenden in Untersuchungshaft. Nur: Warum sollte eine Staatsanwaltschaft mit möglichen Ermittlungen verhindern, dass die Flutopfer an der Ahr Spenden erhalten?

Es gibt andere Erklärungen. Eine lautet: Viele der Protagonisten der "Querdenker"-Szene hatten während der Corona-Krise Probleme mit ihren Konten, Banken beendeten Geschäftsbeziehungen. Aber wenn es das Referenz-Konto gar nicht mehr geben würde, müsste Paypal eine Lösung finden. Deshalb ist auch das unwahrscheinlich.

Konto offenbar mit Pfändung belastet

Mit dem Konto kann es allerdings noch andere Probleme geben, und das ist die plausibelste Variante: mögliche Pfändung. Schiffmann könnte dann nicht mehr frei verfügen und ein Gläubiger würde eingehende Gelder pfänden, um offene Forderungen einzutreiben. Wenn nun Paypal die Spenden auf dieses Konto überweist, würde ein Teil davon direkt gepfändet werden. Das würde bedeuten, Schiffmann müsste aus eigener Tasche ausgleichen. Ansonsten könnte er sein Versprechen nicht einhalten, alle Spenden zu 100 Prozent an die Flutopfer weiterzuleiten, und dann könnte auch die Justiz ins Spiel kommen.

Hinweise in diese Richtung gab der Mediziner selbst, als er sein altes Leben auflöste und sich in Tansania eine neue Existenz aufbaute: Schiffmann stöhnte über das Finanzamt, das Geld wollte. Das hatte etwas mit den Einkünften zu tun, mit denen er damals seinen Lebensunterhalt bestritt: mit Schenkungen.

Der Vollzeit-Aktivist Schiffmann behauptet, dass er seit November 2020 trotz laufender Kosten keine Einnahmen aus seiner Schwindelambulanz in Sinsheim erzielt habe. Dennoch forderte das Finanzamt offenbar von ihm Steuervorauszahlungen. Jeder konnte in seinem Telegram-Kanal mitlesen, wie er um Schenkungen warb ("bis 19.999 Euro steuerfrei!").

Das Finanzamt argumentiert offenbar, dass Schiffmann nun den Beruf des Influencers gewählt habe und interessiert sich auch nicht dafür, ob Schiffmann und Unterstützer von "Schenkungen" sprechen. Auf Nachfrage erklärt das Stuttgarter Finanzministerium allgemein: "Es kommt nicht darauf an, wie man die Unterstützungsleistung betitelt oder welchen Verwendungszweck man angibt." Sich Geld "schenken" zu lassen, schließt nicht den Zusammenhang mit einer gewerblichen Tätigkeit aus.

Schiffmann behauptete jedoch im Juni 2021, dass die Schenkungen nicht mit einer Gegenleistung verbunden gewesen seien. Wenn man viele Freunde habe, bekomme man viel Geld geschenkt.

100.000 Euro Schenkungen an einem Tag

Die eindrucksvollen Ausmaße dieser Unterstützungsbereitschaft zeigten sich, als im Juni 2022 eine Bank Schiffmann sein Geschäftskonto kündigte. Kurzfristig sollte er ein Minus von 103.000 Euro ausgleichen. Nach seiner Darstellung wurde ihm nach seinem Hilferuf binnen 24 Stunden Geld in dieser Höhe geschenkt. Das sei auch mehr als legitim, argumentiert Schiffmann: Der Verkauf seiner Praxis an einen Nachfolger sei schließlich daran gescheitert, dass er für seinen Einsatz von den Medien diffamiert worden sei.

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Zu den Schenkungen und der Steuerfrage gibt es aber offenbar unterschiedliche Auffassungen. Sollen die Spenden für die Flutopfer also deshalb nicht von Paypal auf sein Konto, weil das Finanzamt sofort die Finger danach ausstreckt? Wegen des Steuergeheimnisses äußern sich Finanzbehörden dazu nicht, Schiffmanns Anwalt Künnemann sagt: "Kein Kommentar." Schiffmann selbst stellte es einmal so dar. Klar ist nur: Solange das Geld bei PayPal liegt, geht Schiffmann kein Risiko ein. Es hilft aber auch den Menschen nicht.

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Paypal könnte das Problem lösen und das Geld direkt auf das Konto des Landes transferieren. Einen Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen würde das wohl nicht bedeuten: Das Modell Moneypool zum Spendensammeln hat Paypal Ende 2021 abgeschafft. Paypal verweist aber nur grundsätzlich auf seine Geschäftsbeziehung mit einem Grundprinzip: keine Überweisungen von Paypal-Guthaben auf fremde Bankkonten.

Bei Klage drohen hohe Kosten

Der Zahlungsdienstleister konnte spekulieren, dass Schiffmann angesichts möglicher Kosten nicht klagen wird: Beim Streitwert von 700.000 Euro sind rechnerisch rund 40.000 Euro im Falle einer Niederlage zu erwarten. Und das dürfte Schiffmann dann nicht von den Spenden abziehen.

Nach vielfachen Nachfragen von t-online, wie es weitergeht, meldet Rechtsanwalt Künnemann einen weiteren Versuch: ein Schiedsverfahren bei der für Paypal zuständigen Aufsichtsbehörde "Commission de Surveillance du Secteur Financier" (CSSF). Dieses kann eingeleitet werden, wenn auf eine förmliche Beschwerde an die Geschäftsführung von Paypal innerhalb eines Monats keine Antwort oder Abhilfe erfolgt. Eine den Anforderungen entsprechende Beschwerde hat Schiffmann bisher offenbar nicht eingereicht.

Wenn die Unterlagen beider Parteien bei der CSSF vorliegen, wird dort innerhalb von spätestens 90 Tagen eine schriftliche Entscheidung getroffen und beiden Parteien mitgeteilt, sagt eine Sprecherin t-online. Allerdings wird ihnen auch mitgeteilt: "Entscheidungen der CSSF sind für die Parteien rechtlich nicht bindend", es liege dann an ihnen, ob sie sich daran halten wollen oder nicht. Wenn nicht, könne man Klage einreichen.

So schnell die Hochwasserspenden im Sommer 2021 zusammenkamen, so lange kann es dauern, bis sie ankommen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Telegram-Kanal Bodo Schiffmann
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