Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Neues Kabinett Dann macht mal. Und macht es gefälligst gut
Das Trio Scholz/Habeck/Lindner will manches anders machen, auch im Umgang miteinander. Glauben wir das? Na ja, gut wär's. Vor allem für unsere Demokratie.
Natürlich sind wir Journalisten so, dass wir uns gerne mokieren. Wir werden einfach misstrauisch, wenn Leute, die eine Regierung bilden wollen, nett zueinander sind, sich gegenseitig loben und überhaupt voller guter Vorsätze stecken. Wäre ja auch noch schöner, wenn wir Scholz/Habeck/Lindner auf den Leim gingen, oder?
Na ja, ist ja auch verständlich, wenn wir Journalist*innen den Politiker*innen (um es gendergerecht zu schreiben) nicht über den Weg trauen und aus der gebündelten Erfahrung heraus sagen: Wann macht ihr es genauso wie alle anderen vor euch und redet schlecht übereinander und arbeitet gegeneinander und lasst diese seltsame Diskretion, die uns im Nebel belässt, endlich hinter euch?
Vorschlag zur Güte: Wie wär's denn, wenn wir ihnen einräumen, dass sie es ernst meinen und möglicherweise eine Zeit lang durchhalten, was sie sich vorgenommen haben? Wäre ja in unser aller Interesse, wenn ein neuer Stil in die Regierung einzöge.
Özdemir ist nun einmal der Bessere
Die Demokratie ist seit Jahren ungemein strapaziert worden, von der AfD über Corona-Leugner bis hin zur Unzufriedenheit der Mittelschichten über das Durcheinander in der Pandemie bis heute. Wäre auch gut für uns Kritikaster, wenn wir eines Besseren belehrt würden und zur Abwechslung mal für denkbar halten müssten, dass es anders kommt, als wir in unserer gesammelten Weisheit denken.
Der Machtkampf unter den Grünen, wer Landwirtschaftsminister werden darf, beweist noch nicht das Gegenteil. Ist offen ausgetragen worden, also in Ordnung. Wenn kein Grüner laut sagt, dass Anton Hofreiter in den Koalitionsverhandlungen eine schwache Figur abgegeben hat, spricht das für menschliche Rücksichtnahme und Ressourcenschonung. Politik besteht ja bekanntermaßen zu einem nicht geringem Teil aus Kommunikation, und darin ist Cem Özdemir nun einmal der Bessere. Insofern ist die Abstimmung zu seinen Gunsten folgerichtig – geschmeidig schlägt sperrig.
Im Jahr 1969 fanden zwei Parteien zueinander, die in der Nachkriegsrepublik noch nicht miteinander regiert hatten. Dass es möglich wurde, beruhte auf dem Vertrauen zwischen Walter Scheel und Willy Brandt. Das Vertrauen hielt, auch wenn die Entspannungspolitik vor allem die FDP zerriss. Vertrauen ist nicht alles, aber ohne Vertrauen ist alles nichts.
Drei, die von weither kommen
Im Jahr 1989 wussten Gerhard Schröder und Joschka Fischer, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. Noch heute reden sie freundlich übereinander, was die Vergangenheit gemeinsamer Regierungsjahre anbelangt. Eine Leistung eigener Art, wenn man sich die beiden vor Augen hält.
Diesmal sind es im Kern drei Menschen, die von weither kommen, aufeinander zu liefen und jetzt gemeinsam regieren dürfen. Scholz/Habeck/Lindner haben sich einiges vorgenommen, inhaltlich sowieso, aber eben auch im Erscheinungsbild. Die Regierung ist auf acht Jahre angelegt. Es kann gut gehen, muss aber nicht. Umgekehrt muss es nicht schiefgehen, es kann auch gut gehen.
Jeder der Neuen, von Habeck bis Özdemir, der noch nicht Minister war, muss sich in seinem Ministerium beweisen. Wer Kanzler ist, hat einen Höllenjob, weil er für alles verantwortlich ist. Charakterlich kommt es auf Nervenstärke und stabile Konstitution an. In der Sache hängt viel vom guten Timing ab und von einem Gespür für das Heraufziehen neuer Probleme. Selbstvertrauen im richtigen Maße ist eine unbedingte Voraussetzung fürs Gelingen. Und Vertrauen untereinander bleibt ein rares Gut, das gepflegt und bestätigt sein will.
Dann macht mal und macht es gut.