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Angela Merkel wird entlassen: Einmal kurz die Welt anhalten, bitte!


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Was nicht warten kann
Merkel ist bald weg, diese drei Probleme bleiben


Aktualisiert am 26.10.2021Lesedauer: 5 Min.
Angela Merkel: Auch nach ihrer Entlassung muss noch Politik gemacht werden.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel: Auch nach ihrer Entlassung muss noch Politik gemacht werden. (Quelle: Alexey Vitvitsky/imago-images-bilder)
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Der neue Bundestag konstituiert sich, der deutsche Politik-Betrieb geht wieder los. Olaf Scholz soll zwar erst Anfang Dezember zum Kanzler gewählt werden. Aber nicht alles kann bis dahin warten.

Am späten Nachmittag wird Angela Merkel mit ihren Ministerinnen und Ministern einen letzten Ausflug unternehmen. In die große weite Welt geht es zwar nicht mehr hinaus, ihr Ziel liegt nur etwa fünf Minuten vom Kanzleramt entfernt; aber recht schmuck ist es dort schon, am Spreeweg 1 in Berlin: im Schloss Bellevue.

Merkel wird dort mal wieder einen dieser Abschiede erleben, die sie in letzter Zeit öfter hatte: einen, nach dem sie doch noch nicht so richtig weg ist. Sie wird ihre Entlassungsurkunde bekommen und danach dem Bundespräsidenten nicht die Hand geben, sondern nur die Faust (wegen Corona). Und so wird die Ära Merkel dann Geschichte sein. Zumindest offiziell.

Die große Koalition ist anschließend geschäftsführend im Amt und soll nur noch das Nötigste tun. Deutschland tritt in eine merkwürdige Zwischenzeit ein, die so lange dauert, bis der Bundestag einen neuen Kanzler wählt. Olaf Scholz und seine Ampelkoalitionäre haben sich vorgenommen, dass das schnell geht, schon in der Woche ab dem 6. Dezember soll es so weit sein.

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Und das wird auch höchste Zeit. Denn die merkwürdige Zwischenzeit der deutschen Politik dauert eigentlich schon viel länger. Im Grunde passiert seit Ende Juni, der letzten kompletten Sitzungswoche des Bundestags, nur noch das Nötigste in Berlin.

Das ist durchaus heikel, denn Probleme orientieren sich erfahrungsgemäß nicht an Übergangsfristen einer Regierungsbildung. Die Welt lässt sich nicht einfach anhalten. Deshalb wird sich die Politik in den nächsten Wochen mindestens zu drei Problemen irgendwie verhalten müssen:

1. Wie viel Corona-Notlage darf's noch sein?

Die Corona-Zahlen steigen wieder, auch deshalb spitzt sich die Debatte um den richtigen Umgang mit dem Virus zu. Ende November läuft die "epidemische Lage" aus, gewissermaßen der Corona-Ausnahmezustand. Er erlaubt es Bund und Ländern, Schutzmaßnahmen zu beschließen, ohne dass der Bundestag und die Länderparlamente jedes Mal zustimmen müssen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) findet, die epidemische Lage könne beendet werden, weil "vier von fünf Erwachsenen geimpft sind", wie er am Sonntag im ZDF sagte. Kritiker warnen vor einem fatalen Signal, einer Art "Freedom Day", der die Menschen zu unvorsichtigem Verhalten verleiten könne.

Auch die Bundesländer wollen die epidemische Lage verlängern oder zumindest eine bundesweite Übergangsregelung schaffen, die Grundlage für möglichst einheitliche Regeln sein soll. Wohl auch, um nicht für jede Maßnahme in ihren Länderparlamenten Mehrheiten organisieren zu müssen.

Eine Übergangsregelung scheinen nun auch die Ampelpartner in den Blick zu nehmen. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte am Montag, man sei mit Grünen und FDP im Gespräch über neue Regelungen für das Infektionsschutzgesetz. Mit ihnen sollten die Länder in die Lage versetzt werden, weiter auf die Herausforderungen reagieren zu können. Eine Verlängerung der epidemischen Lage werde nicht angepeilt.

"Wir brauchen weiterhin einen belastbaren und deutschlandweiten Regelungsrahmen, der sicherstellt, dass auch 2G, 3G, Abstands- und Maskengebot durchgesetzt werden können", sagt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) t-online. Auch die wirtschaftlichen und sozialen Folgen müssten weiterhin abgemildert werden, etwa durch Verlängerung der Kinderkrankentagegeld-Regelung oder dem vereinfachten Zugang zu Grundsicherung und Künstlersozialversicherung. "Das Auslaufen der epidemischen Notlage nationaler Tragweite heißt nicht, dass die Pandemie vorbei ist."

2. Wer zahlt für die steigenden Energiepreise?

Benzin, Strom, Gas: Alles wird irgendwie teurer oder es droht zumindest, teurer zu werden. Frankreich jedenfalls reagiert schon jetzt und überweist Menschen mit geringem Einkommen 100 Euro, als "Inflationsentschädigung".

Und Deutschland? Da verweist der Regierungssprecher erst einmal auf Maßnahmen, die schon längst beschlossen sind, weil er nichts mehr sagen könne für die Politik der kommenden Regierung. Die EEG-Umlage beim Strom etwa sinke zum neuen Jahr, dafür steige die Pendlerpauschale und auch beim Wohngeld habe es Anfang des Jahres Verbesserungen gegeben.

Aber reicht das? Da sind sich die Ampelkoalitionäre in spe nicht mehr so sicher. Viel hängt davon ab, ob die Preise weiter steigen und die Preissteigerungen bei den Verbrauchern ankommen. Bei Strom und Gas haben Haushalte in der Regel langfristige Verträge.

"Jetzt muss es darum gehen, wie Menschen mit geringem Einkommen unterstützt werden können", sagt Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer t-online. "Dazu wird es ab dieser Woche intensive Gespräche im Rahmen der Koalitionsverhandlungen geben. Das Energiegeld ist dabei ein wichtiges Thema, aber auch in den Bereichen Mindestlohn und Wohngeld erwarten die Menschen zeitnahe Weichenstellungen."

Die Energiepreisdebatte dürfte die Koalitionsverhandlungen also verändern. Doch Krischer fordert auch eine Analyse, warum die Preise steigen. "Das hat eindeutig etwas mit den deutlich geringeren Gaslieferungen aus Russland zu tun", sagt der Grünen-Politiker und schließt eine Forderung an die geschäftsführende Kanzlerin an. "Von Angela Merkel hören wir ja immer, dass Russland ein verlässlicher Lieferpartner ist und alle Verträge einhält. Jetzt wäre es an der Zeit, dass die Bundesregierung das auch in Moskau einfordert."

Die Opposition geht noch viel weiter und scheint entschlossen, die Ampelpartner vor sich hertreiben zu wollen. "Angesichts der galoppierenden Energiepreise muss der neue Bundestag unverzüglich drei Sofortmaßnahmen auf den Weg bringen", sagt Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow t-online. "Erstens: kostenlose Grundkontingente für Strom und Gas für jeden Haushalt. Zweitens: Umwandlung der Pendlerpauschale in ein Mobilitätsgeld, von dem auch Geringverdienende profitieren. Drittens: die Übernahme sämtlicher Kosten für Strom und Heizen für Menschen, die Hartz IV beziehen."

3. Polen und die Grundwerte Europas

Polen schleift seine Justiz, zum großen Missfallen der meisten anderen EU-Staaten, denn immerhin geht es um die Grundwerte Europas. Das ist eigentlich nichts Neues. Doch mit einem aktuellen Urteil des polnischen Verfassungsgerichts ist der Streit um die Rechtsstaatlichkeit neu entbrannt. Das Gericht erklärte kürzlich wesentliche Teile des EU-Rechts für nicht vereinbar mit der polnischen Verfassung.

Eine geschlossene Antwort fanden die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem jüngsten Gipfel nicht wirklich. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán, der selbst dauernd Probleme mit der EU hat, sprang Polen bei und sprach von einer "Hetzjagd".

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Kanzlerin Merkel betonte, den Konflikt im Dialog lösen zu wollen. Bisher war der aber offensichtlich wenig erfolgreich. "Angela Merkel setzt seit Jahren auf Appeasement-Politik gegenüber Polen und Ungarn und will auch jetzt wieder nur abwarten", sagt Grünen-Europapolitiker Daniel Freund t-online. "Polen und Ungarn beeindruckt das überhaupt nicht, sie schaffen weiter Fakten und schleifen den Rechtsstaat."

Freund fordert: "Die Ampelkoalitionäre müssen sich dringend für eine harte Linie einsetzen und sollten auch im neuen Bundestag zügig entsprechende Signale setzen. Es braucht für Polen klare rote Linien." Der Rechtsstaatsmechanismus müsse ausgelöst werden, es brauche ein Vertragsverletzungsverfahren und das Geld aus dem Corona-Wiederaufbaufonds müsse weiter einbehalten werden.

Polen setzt derweil auf martialische Worte. Regierungschef Mateusz Morawiecki warnte die EU davor, das Geld aus dem Wiederaufbaufonds weiter zurückzuhalten. Der "Financial Times" sagte er: "Wenn sie den Dritten Weltkrieg beginnen, werden wir unsere Rechte mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Mit Infos der Nachrichtenagentur dpa
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