Koalitionsverhandlungen Fast 300 Teilnehmer knobeln die Ampel aus
Nach der Bundestagswahl beginnen die Verhandlungen über eine mögliche Koalition. In 22 Arbeitsgruppen sollen gemeinsame Nenner ausgemacht werden. Kevin Kühnert leitet etwa "Bauen und Wohnen".
Die Koalitionsverhandlungen über eine neue Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP starten am Donnerstag. Nach einer ersten Spitzenrunde sollen ab nächster Woche dann in 22 Arbeitsgruppen fast 300 Teilnehmer einbezogen werden, wie SPD-Chef Norbert Walter-Borjans am Dienstagabend ankündigte. Kurz vor Beginn der Verhandlungen betonten SPD und Grüne, dass Investitionen auch über Schulden finanziert werden sollen – allerdings im Rahmen der geltenden Schuldenbremse. Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock verwies im ZDF zudem darauf, dass man den Weg über Investitionen außerhalb des Haushalts gehen könne. "Das ist heute ja auch schon möglich, im Bereich der Bahn oder der KfW", sagte sie mit Hinweis auf die bundeseigene Förderbank KfW.
"Wir werden uns übermorgen zum ersten Mal in der großen Runde treffen", sagte Walter-Borjans in einer Videokonferenz mit Anhängern. Voraussichtlich ab Montag werde dann in 22 Arbeitsgruppen intensiv beraten. "Da sind von jeder Partei 96 Personen einbezogen", ergänzte der SPD-Chef. Seine Partei hat dafür bereits ihr Personal benannt.
Die Arbeitsgruppen werden bei der SPD nicht von Mitgliedern der Hauptverhandlungsgruppe geleitet, die wie in der Sondierung aus Scholz, Walter-Borjans, Co-Parteichefin Saskia Esken, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer besteht. An der Spitze der Gruppen stehen Fachpolitiker aus Bund und Ländern. SPD-Vizeparteichef Kevin Kühnert leitet die Gruppe für "Bauen und Wohnen", Vizefraktionschef Matthias Miersch das Klimakapitel – dieser Gruppe gehört auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze an. Die rheinland-pfälzische Finanzministerin Doris Ahnen ist als Leitung für "Finanzen und Haushalt" vorgesehen und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius für "Flucht, Migration, Integration". Bundesarbeitsminister Hubertus Heil leitet die Gruppe zu seinem Fachbereich.
Finanzierung vieler Projekte steht im Zentrum
Baerbock pochte darauf, dass zunächst die Inhalte einer möglichen Ampelkoalition festgezurrt werden müssten, bevor über die Verteilung der Ministerien gesprochen werde. Hintergrund sind öffentliche Forderungen von FDP-Politikern, dass FDP-Chef Christian Lindner Finanzminister werden soll. Danach hatten auch Grünen-Politiker das Ressort für ihre Partei beansprucht. Zu Plänen für ein Klimaministerium hielt sich Baerbock bedeckt: "Es kann nicht so sein, dass ein Ministerium sich bemüht, und zehn arbeiten dagegen. Es muss eine Klimaregierung sein."
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Vor allem die Finanzierung vieler Projekte, die die Parteien vereinbart haben, steht im Zentrum der Debatte. Im Sondierungspapier gibt es dazu eine Absage an eine Erhöhung der Einkommens- oder Mehrwertsteuer sowie die Zusage, dass die Schuldenbremse nicht aufgeweicht werden soll. Beides wäre ohne die Zustimmung von CDU/CSU wegen der nötigen Mehrheiten etwa im Bundesrat allerdings ohnehin kaum möglich.
Walter-Borjans räumte in einem Interview der Funke-Mediengruppe ein, dass Vorhaben und Pläne der möglichen Ampelkoalition noch nicht durchfinanziert seien. "Die Finanzen müssen hinterlegt werden, ganz klar." Bei Investitionen in die Zukunft sei seiner Auffassung nach eine teilweise Finanzierung mit Krediten gerechtfertigt, "die Schuldenbremse enthält dafür durchaus Spielräume". Dazu kämen die "Möglichkeiten staatlicher Institutionen wie der Förderbanken".
Baerbock widersprach dem Eindruck, dass sich vor allem die FDP in dem zwölfseitigen Sondierungspapier durchgesetzt habe, das die Basis für den Einstieg in die Koalitionsverhandlungen bildet. Es sei klar, dass die Grünen bei der Bundestagswahl deutlich vor der FDP gelandet seien. Ihre Partei habe den Pfad zur Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaschutzziels verankert. Das Kohleausstiegsgesetz werde wieder geöffnet und der Kohleausstieg vorgezogen. Zudem seien gesellschaftspolitische Reformen wie eine Überarbeitung des Staatsbürgerrechts vereinbart worden.
- Nachrichtenagentur Reuters