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Grüne und FDP als Regierungsmacher: "Bei Jamaika würden die Grünen untergehen"


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Parteibasis über Koalitionsoptionen
"Bei Jamaika würden die Grünen untergehen"


29.09.2021Lesedauer: 5 Min.
Wen bringen Grüne und FDP ins Kanzleramt? (Symbolbild, Fotomontage): Unmut an der Parteibasis scheint vorprogrammiert.Vergrößern des Bildes
Wen bringen Grüne und FDP ins Kanzleramt? (Symbolbild, Fotomontage): Unmut an der Parteibasis scheint vorprogrammiert. (Quelle: imago-images-bilder)
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Jamaika oder Ampel – darum geht es jetzt. Je nach Koalition werden sich entweder Grüne oder FDP weiter von ihren Inhalten entfernen müssen. Droht Ärger an der Basis?

Grüne und FDP haben Sondierungen begonnen und loten gemeinsame Positionen einer möglichen Regierung aus. Einigen sie sich, können sie entweder der SPD oder der Union ins Kanzleramt verhelfen. Dabei ergibt sich eine vertrackte Situation. Denn schon vor der Bundestagswahl stand fest: Die Grünen würden lieber mit der SPD regieren, die FDP sieht dagegen größere Schnittmengen mit der Union.

Nun aber müssen sich die beiden gegensätzlichen politischen Lager erstmal zusammenraufen. Unmut an der Parteibasis scheint vorprogrammiert. t-online hat mit Mitgliedern von beiden Parteien gesprochen:

"CDU und CSU haben ein desaströses Bild in diesem Wahlkampf abgegeben, die gesamte Union hat sich damit eigentlich disqualifiziert", sagt Lennard Gottmann, der sich bei den Grünen in Berlin-Mitte und der Grünen Jugend engagiert. Eine Koalition mit der "größten Verlierer-Partei der Wahl" sei deshalb schlicht nicht zu vermitteln – Jamaika ausgeschlossen. "Das muss ohne die Union sein, das muss ohne die Union funktionieren."

"Mit Schwarz geht gar nicht"

Auch Klaus Spieler aus dem hessischen Ober-Mörlen sieht das so: "Die FDP ist schon der saure Apfel, mit Schwarz geht gar nicht", findet der 60-Jährige. Der Klimaschutz gehe nicht voran, in der CDU gebe es "zu viele Skandale und Affären". Schlicht: "Tausende Gründe" gegen die Union.

Die Inhalte sind wohl das größte Problem für die Grünen-Anhänger: Die CDU habe in den letzten Jahren gezeigt, dass es mit ihr im Klimaschutz nicht vorangehe, so der Berliner Grüne Gottmann. Regelrecht ausgebremst habe die Partei das Land: "Da muss man einfach sagen: Stopp, das reicht jetzt. Es ist genug. Ihr habt genug Schaden angerichtet."

"Bei Jamaika würden die Grünen untergehen"

Käme es doch zu Jamaika, sieht er die große Gefahr, dass seine Partei damit Wähler verprellen würde. "Die, die stärkeren Klimaschutz einfordern, wären enttäuscht", glaubt Gottmann. Die Menschen hätten durch ihren Protest deutlich gemacht, "dass effektiver Klimaschutz mit der Union nicht funktionieren kann", sagt der 27-Jährige, der auch selbst mit Fridays for Future auf der Straße war.

"Bei Jamaika würden die Grünen untergehen", vermutet auch Spieler aus dem Ortsbeirat Ober-Mörlen. Max Reschke, ein Parteikollege aus dem thüringischen Apolda, pflichtet ihm bei: "Mit der CDU müssten wir uns selbst so sehr abschleifen, da bliebe nichts übrig."

Er macht allerdings noch einen anderen Punkt gegen die CDU: In Thüringen gebe es starke rechte Strukturen, dagegen brauche es klare Aussagen – die aber von der CDU nicht kämen. "Wir können nicht mit einer Partei koalieren, die weiter am rechten Rand fischt", sagt der 26-Jährige. Käme es doch dazu, würde er es "ziemlich schlimm finden". Einen Tag nach der Wahl habe er eine SMS von einer Neuwählerin der Grünen erhalten. Darin habe sinngemäß gestanden: "Ich habe euch gewählt, aber bitte macht nichts mit der Union", so Reschke.

Wie sieht es die FDP?

Auch die FDP-Basis hat inhaltlich eine klare Präferenz, nämlich die entgegengesetzte. Besser Jamaika als Ampel. Dabei möchte Ingrid Häußler, FDP-Fraktionsvorsitzende im Ortsbeirat 9 der Stadt Frankfurt am Main, auch die schwache Position der Union nutzen. "Ich glaube, dass die CDU/CSU momentan in einer Situation ist, wo wir Liberale mehr durchsetzen können als bei einem SPD-Kanzler", sagt sie. Zudem sei die SPD unzuverlässig. Sie sieht die Gefahr, dass die Partei während der Legislaturperiode plötzlich Forderungen stellen könnte, die dem Koalitionsvertrag widersprechen.

Allerdings sehen FDP-Anhänger auch Probleme bei einer Regierung mit der Union: "Die Bevölkerung steht einer Jamaika-Koalition kritisch gegenüber", gibt Viola Noack, Kreisverbandsvorsitzende der FDP-Ludwigsburg, zu bedenken. Auch in der Kanzlerfrage vertritt sie eine überraschende Position. Ihr wäre Olaf Scholz lieber als Armin Laschet. Seine Art gefalle ihr besser, begründet sie das.

Kanzler Scholz vorstellbar

Ganz so weit geht ihre Frankfurter Parteifreundin Häußler nicht, aber auf einen Kanzler Scholz angesprochen gibt auch sie sich nicht gänzlich abgeneigt: "Das hängt von den inhaltlichen Zugeständnissen ab", sagt sie.

Ist die Tür für einen Kanzler Olaf Scholz in einer Ampelkoalition also offen? Großer Widerstand scheint sich unter den Liberalen zumindest nicht zu regen. "Erst mal geht es jetzt darum, dass sich unsere Parteispitze mit den Grünen zusammensetzt und schaut, wo Gemeinsamkeiten sind und wie wir dieses Land voranbringen, denn darum geht es", so Daniela Kluckert, die Vorsitzende des FDP-Bezirksverbands Berlin-Pankow. Danach könne sowohl mit der CDU als auch mit der SPD gesprochen werden. Denn letztlich hätten alle Parteien eine gemeinsame Verantwortung, das Land angesichts riesiger Herausforderungen bestmöglich aufzustellen. Das sieht auch Häußler so: "Wahrscheinlich zunächst mit der SPD, weil es von der Reihenfolge angemessen ist."

"Für mich wäre bei Steuererhöhungen Schluss"

Doch wo sieht die Partei in den Verhandlungen inhaltlich rote Linien, die nicht überschritten werden sollten? Hier stellen alle drei Gesprächspartnerinnen vor allem ein Thema heraus: Steuerpolitik. "Für mich wäre bei Steuererhöhungen Schluss", sagt Noack aus Ludwigsburg.

Kluckert schlägt in eine ähnliche Kerbe. Die Partei habe in den letzten Jahren gezeigt, dass das, was sie vor der Wahl sage, auch danach noch gelte. Und "wir haben klar gesagt, dass es mit uns keine Steuererhöhungen geben wird", so Kluckert. Häußler sieht am Beispiel der gescheiterten Verhandlungen von 2017 ebenfalls belegt, dass die Partei von bestimmten Positionen nicht abrücke. Es liege deshalb an den anderen Parteien, zu entscheiden, ob sie das auf die Probe stellen wollten.

Letztendlich gehe es jedoch nicht um Zugeständnisse oder keine Zugeständnisse, meint Kluckert. Am Ende müsse sich jede Partei in einer Koalition wiederfinden. Dabei sei ein Koalitionsvertrag auch von Kompromissen geprägt. Die Verhandlungen abermals scheitern zu lassen, scheint an der Basis eher unbeliebt. "Ich glaube, es ist gut für unser Land, wenn die Regierung eine starke liberale Handschrift trägt – eine starke Stimme der Freiheit, der wirtschaftlichen Vernunft und der Bürgerrechte", so Kluckert. Noch deutlicher wird dabei Noack. "Ich finde es wichtig, dass wir mitregieren können. Es darf auf keinen Fall wieder eine Große Koalition geben", sagt sie.

Es wird also ersichtlich: Die größte Schwierigkeit sieht die FDP-Parteibasis darin, sich mit den Grünen zu einigen. Ist diese Hürde erst einmal genommen, scheint auch die Tür für eine Einigung mit den Sozialdemokraten offen.

Sollte die nächste Neujahrsansprache also tatsächlich von einem Bundeskanzler Olaf Scholz kommen, haben FDP-Parteivorsitzender Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing wohl keinen Aufstand der Basis zu befürchten.

Anders sieht die Situation bei den Grünen aus. Sollte am Ende doch Armin Laschet aus dem Kanzleramt grüßen, dürften den beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck einige unangenehme Gespräche mit den Mitgliedern bevorstehen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Gespräche mit Lennard Gottmann, Max Reschke und Klaus Spieler
  • Gespräche mit Viola Noack, Daniela Kluckert und Ingrid Häußler
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