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Politologin zur Debatte Söder vs Habeck: "Name Baerbock fiel kein einziges Mal"


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Politologin analysiert Debatte
"Der Name Baerbock fiel kein einziges Mal"

InterviewVon Lisa Becke

Aktualisiert am 29.08.2021Lesedauer: 6 Min.
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"Das Rechnen verlernt": Robert Habeck und Markus Söder lieferten sich eine hitzige Debatte zum Thema Steuersenkung. (Quelle: t-online)
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Robert Habeck und Markus Söder wären gerne Kanzlerkandidaten geworden. Im Streitgespräch konnten sie sich jetzt beweisen. Doch wie haben sie sich geschlagen? Eine Expertin ordnet ein.

"Die einzig wahre Wahlkampfdebatte" von t-online, "Spiegel" und Vice sollte Inhalte in den Vordergrund rücken. Hier können Sie die gesamte Debatte sehen.

Dabei haben CSU-Chef Markus Söder und Grünen-Chef Robert Habeck nicht nur Detailwissen bewiesen. Ihre Aussagen zeigen auch, warum eine mögliche Zusammenarbeit nach der Bundestagswahl schwierig werden könnte. Und sie verraten etwas über das Standing der Spitzenkandidaten Laschet und Baerbock, analysiert die Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der Universität Bonn im Interview.

t-online: Frau Reuschenbach, haben Sie als Politikwissenschaftlerin etwas Neues gelernt aus dieser Debatte zwischen Markus Söder und Robert Habeck?

Julia Reuschenbach: In den letzten Wochen hat die Interpretation dominiert, der Wahlkampf sei inhaltsleer. Hier haben wir gesehen, dass Politiker durchaus detailversessen miteinander diskutieren können. Das hat mich positiv überrascht: Dass es doch deutlich weniger um Personen, um irgendwelche Scharmützel ging.

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Bei zwei Themen – der Corona-Pandemie und dem desaströsen Ende des Afghanistan-Einsatzes – haben beide ähnliche Positionen vertreten. Hat Habeck hier die Chance verspielt, die Unionsparteien deutlicher für mögliches Versagen zu kritisieren?

Nicht unbedingt, das ist konsequent. In der Corona-Politik erleben wir die Grünen über weite Strecken fast als eine Art "Anhängsel" der Regierung – die Grünen konnten sich mit der Regierungspolitik zu Corona vielfach identifizieren. Sie haben daher eine konstruktive und keineswegs fundamentalkritische Oppositionsarbeit geleistet. Das liegt daran, dass die Partei zum einen nicht mehr die Dagegen-Partei aus den 1980ern und frühen 1990ern ist, sondern sich ein staatstragendes Image gibt – und auch daran, dass die Partei ja auch in zahlreichen Landesregierungen politische Verantwortung trägt. Robert Habeck hat aber durchaus versucht, kleine Akzente zu setzen: Zum Beispiel hat er das Versagen der Corona-Politik in den Schulen kritisiert, was zuvor von Markus Söder nicht erwähnt wurde.

Und in Bezug auf den Afghanistan-Einsatz? Für die Grünen ist das Aushandeln verteidigungs- und sicherheitspolitischer Fragen nicht ohne – das hat Habeck auch zuletzt gespürt, als er sich für Waffenunterstützung für die Ukraine aussprach.

Genau, bei Fragen nach der Zukunft von militärischen Einsätzen im Ausland, bewaffneten Drohnen usw. sind die Positionen bei den Grünen keineswegs gefestigt. Robert Habeck weiß, dass seiner Partei im Falle einer Regierungsbeteiligung ab September in diesem Feld emotionale Debatten bevorstehen.

Gleichzeitig hat er sich mit starker Kritik am Afghanistan-Einsatz zurückgehalten, da der Einsatz ursprünglich auch von den Grünen mitgetragen wurde – wenngleich begleitet von schweren innerparteilichen Debatten. Und das Afghanistan-Versagen wird von der künftigen Regierung aufgearbeitet werden. Sofern die Grünen stärkste Kraft würden, werden sie die Regierung nicht alleine führen – eine Fundamentalkritik auf dem Rücken der Union und der SPD zum jetzigen Zeitpunkt ist deshalb heikel. Man wird sich dem Thema in einer möglichen gemeinsamen Regierung mit anderen auch gemeinsam stellen müssen.

Überschneidungen wurden in der Debatte klar: Könnten CDU/CSU und Grüne also in einer Koalition zusammenkommen?

In der Debatte wurden einige Einigungspotentiale deutlich, aber auch sehr klare Unterschiede: beim Thema Klimaschutz, Steuern, bei der Frage danach, wie wir den Staat krisen- und zukunftsfest machen.

Die Steuern sind womöglich die Gretchenfrage einer potentiellen Zusammenarbeit. Die Grünen wollen weite Teile ihres Konzepts – ihre Vorstellungen für ein Deutschland in der Zukunft – maßgeblich mit steuerpolitischen Instrumenten bedienen. Deshalb geht es hier nicht einfach um steuerliche Fragen: Wenn im Rahmen möglicher Koalitionsverhandlungen eigene Ideen wie Vermögenssteuer und Erbschaftssteuern zur Disposition stünden, dann laufen die Grünen Gefahr, dass auch andere weitreichende Ziele, die eigentlich durch solche Steuern finanziert werden sollten, nicht erreicht werden können und eigene Wählerinnen und Wähler frustriert werden. Insofern ist der Preis für eine mögliche Zusammenarbeit da durchaus hoch.

Gleichzeitig gab es aber auch oft Zustimmungen zu den jeweiligen Aussagen des anderen…

Ja, das heißt: Es gibt zwar gravierende Unterschiede in einigen Politikfeldern, aber beide wollen sich dem anderen gegenüber kompromiss- oder zumindest gesprächsbereit zeigen.

Markus Söder ist bayerischer Ministerpräsident, Robert Habeck beruft sich gern auf seine Regierungserfahrung in Schleswig-Holstein. Das zeigte sich in der Debatte deutlich: Es ging viel um beide Bundesländer.

Ich war auch ein wenig überrascht, dass die beiden sich teils in föderalen Scharmützeln verloren haben. Das zeigt zum einen durchaus die Detailkenntnis, die beide mitbringen. Es offenbarte aber auch, wie komplex die föderalen Fallstricke bei so gewichtigen gesellschaftlichen Themen wie dem Klimawandel sind, etwa beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Damit ist auch deutlich geworden, wo in diesem Bereich die Herausforderungen einer neuen Bundesregierung liegen und auch in der künftigen Zusammenarbeit von Bund und Ländern und den Ländern untereinander in diesem Bereich.

Welche Strategien sind die beiden Politiker gefahren?

Markus Söder versuchte deutlich zu machen, was alles gut gelaufen ist in der langjährigen Kanzlerschaft Angela Merkels. Er hat häufig mit Eigenlob gearbeitet für die Arbeit der CDU und CSU in der Regierung. Robert Habeck hat eher das klassische Herausforderer-Image gezeigt: Er hat versucht, die Schwachstellen der letzten Jahre offenzulegen. Und er stellte die Frage: Wie kann es sein und wie glaubwürdig ist es, dass Armin Laschet jetzt ein Modernisierungsjahrzehnt ausruft, wenn aber gleichzeitig seine Partei in den letzten 16 Jahren Regierung die Gelegenheit hatte, viele Dinge umzusetzen?

Welche Wähler wollten die beiden Politiker ansprechen?

Die Äußerungen stehen natürlich im Kontext der Wahlprogramme, die beide Parteien vorgelegt haben. Bei den Grünen kann man sehen, dass sie versuchen möglichst breit zu mobilisieren, über die eigenen Stammwähler hinaus. So ist etwa die Zustimmung Habecks zur weltpolitischen Konfliktfähigkeit der EU, auch mit militärischen Einsätzen, eine Position, die neben den grünen Stammwählern auch eher bürgerliche Wählerinnen und Wähler adressiert.

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Und der CSU-Chef?

Markus Söder versuchte all jene, die mit der Kanzlerschaft Angela Merkels über große Teile hinweg zufrieden waren, anzusprechen: mit Beständigkeit und keiner Radikalität in den Forderungen. Er hat viel von Sicherheiten für Handwerk, Mittelstand, für kleine Betriebe, etwa Friseuren gesprochen, da versucht er natürlich all jene, die Sorge haben, die Vorstellungen der Grünen eines klimaneutralen Deutschlands seien zu radikal oder zeitlich zu ehrgeizig, zu adressieren und für die Union zu gewinnen. Zugleich hat er sich selbst als ehrgeiziger in klimapolitischen Themen dargestellt, als einige in der Union es bislang seien.

In der Vergangenheit wurde oft die Themenleere der Union kritisiert. Auch das Wahlprogramm ist an vielen Stellen wenig konkret. Ändert Söder das in der Debatte?

Nein, der Eindruck aus dem Wahlprogramm hat sich auch in der Debatte bestätigt: Die Unionsparteien bringen viele Forderungen vor, erläutern aber nicht sonderlich konkret, wie sie die Ziele erreichen wollen. Am offenkundigsten wurde das bei der Frage nach den Steuern: Wie soll gleichzeitig die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenbremse mit mehr Investitionen und Steuerentlastungen vereinbart werden? Diese Frage wurde auch vielfach an den Kanzlerkandidaten Armin Laschet gerichtet. Da entzieht sich die Union einer konkreten Antwort – außer der, dass die Konjunktur dann diese Frage lösen soll. Konkret war Markus Söder vor allem wenn es um Bayern ging, um politisches Handeln in seinem Bundesland, bis hin zur Zahl der Corona-Tests in Schulen. Bei den gemeinschaftlichen Zielen von CDU und CSU konnte man ihn deutlich weniger konkret erleben.

Und dabei handelt es sich ja um den Markus Söder, der selbst Kanzlerkandidat der Unionsparteien werden wollte. Auch Habeck hätte gern das Zepter in der Hand gehabt. Haben Sie ihnen das angemerkt?

Beide haben versucht sich selbst, als Politiker, als Person zu profilieren. Einen kleinen Seitenhieb von Markus Söder auf Armin Laschet konnte er sich offenbar nicht verkneifen. Der Name der Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, fiel tatsächlich kein einziges Mal. Beide haben also nicht Partei für ihren jeweiligen Kanzlerkandidaten oder ihre jeweilige Kanzlerkandidatin ergriffen.

Robert Habeck hätte beispielsweise auch sagen können: 'Mit einer Bundeskanzlerin Annalena Baerbock wird das und das auf jeden Fall umgesetzt werden.' Er hat Dinge jedoch genannt, ohne sie mit der Person seiner Kanzlerkandidatin zu verknüpfen. Das hat man auch bei Markus Söder erlebt. Das ist zugleich auch wenig überraschend: In den letzten Wochen konnten wir erleben, dass beide angesichts von Fehlern in den Kampagnen und schwächelnder Umfragewerte auch innerparteiliche Debatten erlebt haben, sodass eine solche 1:1-Situation Gelegenheit bietet, sich vornehmlich auch ein wenig selbst in den Vordergrund zu rücken.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Julia Reuschenbach am 28.08.2021
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