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Annalena Baerbocks: Heikler Fehler bei Sonderzahlungen mit großem Risiko


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Grünen-Kanzlerkandidatin
Annalena Baerbocks Geldproblem


Aktualisiert am 21.05.2021Lesedauer: 6 Min.
Annalena Baerbock im Bundestag: Die Grünen-Chefin und Kanzlerkandidaten hat etwas nicht Unwichtiges vergessen. Das fällt ihr jetzt auf die Füße.Vergrößern des Bildes
Annalena Baerbock im Bundestag: Die Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin hat etwas nicht Unwichtiges vergessen. Das fällt ihr jetzt auf die Füße. (Quelle: Christian Spicker/imago-images-bilder)

Annalena Baerbock hat vergessen, dem Bundestag Sonderzahlungen zu melden. Das wird für die Grünen zum Problem – nicht nur, weil andere Parteien keine derartigen Zahlungen kennen.

Mit Angriffen hat Annalena Baerbock in den vergangenen Wochen so ihre Erfahrungen gemacht. Haustiere wolle sie angeblich verbieten, stand im Internet. Die Witwenrente abschaffen, das stand da ebenso. Und mit ihrem Hochschulabschluss könne doch auch irgendetwas nicht stimmen ...

Es waren alles: klassische Falschnachrichten, Fake News.

Doch jetzt hat Annalena Baerbock Schlagzeilen produziert, die für sie und die Grünen deutlich gefährlicher sind als dieser recht leicht zu enttarnende Unsinn. Weil Baerbock einen eindeutigen Fehler begangen hat. Weil dieser Fehler mit Bonuszahlungen zu tun hat, die andere Parteien so nicht kennen. Und weil die Grünen dafür nun sogar von ihrer politischen Überzeugung abweichen.

Mehr als 25.000 Euro

Es war einfach ein Versehen, heißt es aus der Partei: Die Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat mehr als 25.000 Euro Nebeneinkünfte nicht bei der Bundestagsverwaltung angegeben, obwohl das für Bundestagsabgeordnete wie sie vorgeschrieben ist.

Konkret geht es um 25.220,28 Euro aus den Jahren 2018 bis 2020, die sie aus der Kasse ihrer Partei erhalten hat, wie die Grünen erklären. Und die kamen so zustande:

  • 2018: 6.788,60 Euro Sonderzahlung zu Weihnachten
  • 2019: 9.295,97 Euro Sonderzahlung zu Weihnachten, die wegen des Erfolges bei der Europawahl noch deutlich aufgestockt wurde
  • 2020: 7.635,71 Euro Sonderzahlung zu Weihnachten und 1.500 Euro steuerfreie Sonderzahlung wegen Corona

Nicht nur die Chefs, sondern alle Mitarbeiter der Grünen-Geschäftsstelle bekamen diese Zahlungen. Als Bundestagsabgeordnete hat Baerbock in den drei Jahren rund 360.000 Euro verdient. Da erscheinen die gut 25.000 Euro eher wie eine überschaubare Summe. Aber sie entsprechen eben auch dem Einkommen, das ein durchschnittlicher Arbeitnehmer in einem halben Jahr verdient.

Und das ist noch das geringste Problem: Denn die ordentliche Summe blieb eben bislang unerwähnt. Und dieser Fauxpas passierte ausgerechnet den Grünen. Auf der Seite der Bundestagsfraktion findet sich unter der Kategorie "Transparenz" der Satz: "Für uns ist die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte ab dem ersten Cent ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz. Dies fordern wir schon seit Jahren."

Ein sehr hoher und sehr absoluter Anspruch. Und dann hält sich die eigene Kanzlerkandidatin nicht daran.

Dazu ist wichtig zu wissen, dass Annalena Baerbock als Parteichefin ansonsten kein Gehalt von ihrer Partei erhält, weil sie als Bundestagsabgeordnete eine Abgeordnetendiät vom Staat bezieht. Robert Habeck, der keine Abgeordnetendiät bekommt, erhält hingegen ein Gehalt, das laut Grünen derzeit etwas unter einer Abgeordnetendiät liegt.

Bei der Linken ist das genauso geregelt. CDU, FDP und AfD geben auf Nachfrage ebenfalls an, ihren Chefs kein Gehalt zu zahlen. Dort gilt der Posten als Ehrenamt. Bei der SPD gibt es 9.000 Euro Aufwandsentschädigung pro Monat für die Chefs, auch wenn diese – wie die Co-Vorsitzende Saskia Esken – eine Abgeordnetendiät erhalten.

Ende März nun hat Baerbock die Sonderzahlungen beim Bundestag nachgemeldet, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, wie die Grünen betonen. Eigentlich haben Bundestagsabgeordnete nur drei Monate Zeit für diese Meldung. Bekannt wurde der Fehler erst jetzt, weil die "Bild"-Zeitung darüber berichtete und eine Parteisprecherin den Vorgang bestätigte.

Gutes Geld für gute Arbeit – anders als bei den anderen

Es ist ein klarer Fehler der Kanzlerkandidatin und ihres Teams, wenn man ihnen keine böse Absicht unterstellen will, für die es keinerlei Hinweise gibt. Es zeigt sich, dass auch die Grünen, die ihre Kampagne und ihre Kommunikation minutiös planen, Fehler machen.

Aber es zeigt eben noch mehr.

Zum Beispiel, dass sich die Grünen an einigen Stellen durchaus mehr gönnen als andere Parteien. Eine Art Bonus für einen erfolgreichen Wahlkampf gebe es für die Parteispitze schlicht nicht, heißt es auf Nachfrage aus CDU, SPD, FDP, AfD und Linken. Gerade im konservativen Lager des Bundestags staunt man deshalb über die Regelung bei den Grünen. Aus ranghohen FDP-Kreisen hieß es, dass man sich "sehr wundert" über die Beträge, die dort ausgezahlt werden.

Und kurios ist es ja auch: Bei den Grünen lohnt sich Leistung mehr als bei der FDP.

Einen Corona-Bonus, also eine Entschädigung für die komplizierteren Arbeitsbedingungen, gibt es ebenfalls nur bei den Grünen. Haben wir unseren Vorsitzenden nicht gezahlt, heißt es unisono von den anderen Parteien. Bei der Linken haben zumindest die Mitarbeiter der Bundesgeschäftsstelle vergangenes Jahr Corona-Unterstützung bekommen – wenn auch eher symbolisch in Höhe von 60 Euro.

Weihnachtsgeld erhalten die Chefs von CDU, SPD, FDP und AfD von ihren Parteien auch nicht, heißt es auf Nachfrage. Bei der Linken gäbe es theoretisch eine solche Zahlung, wenn die Parteichefinnen keine Abgeordnetendiäten bekämen, sondern ein normales Tarifgehalt. Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow sind aber Landtagsabgeordnete, also entfällt für sie das Weihnachtsgeld von der Partei – anders eben als bei Annalena Baerbock.

Als die Kassen bei den inzwischen kräftig gewachsenen Grünen noch knapper waren, so ist in Berlin zu hören, gab es solche Zahlungen dort auch nicht immer. In den vergangenen Jahren gönnte man sich aber offensichtlich gutes Geld für (selbst attestierte) gute Arbeit.

Was selbstverständlich eine Steilvorlage für die politische Konkurrenz ist. Der rauflustige CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte der "Bild": "Dass ausgerechnet die grünen Kapitalismuskritiker ihren Vorsitzenden Erfolgsprovisionen zahlen, ist grotesk."

Die Misstöne nehmen zu

Kritik von der Konkurrenz gehört zum normalen Geschäft. Baerbocks Fehler ist aber aus anderen Gründen politisch ziemlich heikel. Zum einen fällt er in eine Phase des Wahlkampfs, in der die anfängliche Grünen-Euphorie langsam abflaut.

Hinzu kommen selbst gemachte Probleme: Das Ausschlussverfahren von Boris Palmer, dem rassistische Äußerungen vorgeworfen werden, wird im Wahlkampf immer wieder unschöne Schlagzeilen produzieren. Mitte Juni steht ein Parteitag an, auf dem Teile der Basis das Grünen-Programm massiv verschärfen wollen. Und in Hessen haben die dort regierenden Grünen gerade mit der CDU eine Petition zur Freigabe der NSU-Akten abgelehnt, obwohl sich die Partei gerne als entschiedene Kraft gegen Nazis geriert.

All das kann die Parteispitze gerade gar nicht gebrauchen. Besonders weil es Kernthemen der Grünen betrifft.

Das ist bei Baerbocks Fehler nun genauso. Die Grünen setzen sich politisch seit Langem dafür ein, dass Nebeneinkünfte von Abgeordneten detailliert veröffentlicht werden müssen. Bislang sind Politiker nur verpflichtet, ihre Einkünfte aus einer Nebentätigkeit in einem Zehn-Stufen-System anzugeben. Die erste Stufe reicht von 1.000 bis 3.500 Euro, die zehnte Stufe erfasst alles über 250.000 Euro.

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Da kommt es natürlich erst einmal überhaupt nicht gut, wenn die grüne Kanzlerkandidatin selbst das vergisst und beim Bundestag nachmelden muss.

Schadensbegrenzung schlägt politisches Prinzip

Weil den Grünen das Risiko offenbar bewusst ist, haben sie sich bei der Schadensbegrenzung in diesem Fall nun auch noch von einer politischen Überzeugung verabschiedet. Wenn auch nach anfänglichem Zögern.

Zunächst nämlich hatten die Grünen nicht die konkreten Summen der jetzt nachgemeldeten Zahlungen veröffentlicht, sondern nur jeweils die offiziellen Stufen des Bundestags angegeben, in denen die Einkünfte sich bewegen.

Sie argumentierten, wie sie es in vergleichbaren Fällen schon häufiger getan haben: Wir wollen zwar Nebeneinkünfte detaillierter veröffentlicht wissen, allerdings müssen dieselben Regeln für alle gelten. Und nicht nur für uns.

Was damit aber eben immer auch hieß: Wir gehen selbst nicht über das hinaus, wozu wir verpflichtet sind, obwohl wir es theoretisch gut fänden. Weil es eben das strukturelle Problem nicht lösen würde – so zumindest die Argumentation der Grünen.

Auch mit dieser Begründung wurde bei den Grünen zuletzt etwa erklärt, warum sie eine Spende in Höhe von einer Million aus Bitcoin-Gewinnen eines Parteimitglieds angenommen haben, obwohl sie sich politisch eigentlich dafür einsetzen, Spenden an Parteien auf 100.000 Euro pro Jahr und Person zu begrenzen.

Bei Baerbocks Sonderzahlungen aber haben die Grünen diesmal dann eben doch die konkreten Summen veröffentlicht, als sich die Nachfragen der Journalisten häuften.

Der Wunsch nach Schadensbegrenzung hat damit das politische Prinzip geschlagen. Das könnte es für die Partei künftig schwieriger machen, bei ähnlichen Fragen ihre bevorzugte Argumentationslinie durchzuhalten und dabei glaubwürdig zu bleiben.

Vor allem aber dürfte selbst die jetzige Offenheit die Angriffe der politischen Gegner erst einmal nicht verstummen lassen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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