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Bundestag: Friedrich Merz rechnet mit SPD, Grüne und FDP ab – zurecht?


Knapp drei Jahre Ampel
Sie hat die Probleme einiger Bürger ernst genommen

  • Jakob Hartung: Redakteur für Politik und Wirtschaft
MeinungVon Jakob Hartung

Aktualisiert am 18.02.2025 - 17:38 UhrLesedauer: 3 Min.
Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) im Jahr 2021: Das Bündnis ist 2024 krachend gescheitert.Vergrößern des Bildes
Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) im Jahr 2021: Das Bündnis ist 2024 krachend gescheitert. (Quelle: imago-images-bilder)
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Die Ampelkoalition stritt endlos, wurde viel kritisiert und scheiterte schließlich krachend. Doch trotzdem war das Bündnis in manchen Bereichen besser als sein Ruf.

In der letzten Bundestagsdebatte vor den Neuwahlen rechnete Friedrich Merz mit der Ampelkoalition ab. Sein Urteil: Es war "ein schieres Desaster". Bundeskanzler Scholz und Vizekanzler Habeck kämen ihm vor wie "zwei angestellte Geschäftsführer", die ein Unternehmen vor die Wand gefahren haben und nun die Frechheit besäßen, auch noch weitermachen zu wollen. Den ehemaligen Finanzminister Christian Lindner und die FDP verschonte er dabei.

Die Fundamentalkritik an dem ersten Dreiparteienbündnis an der Spitze der Bundesrepublik scheint naheliegend zu sein: Früh schon stritten die Koalitionäre öffentlich, am Ende dominierte der Dauerstreit die Wahrnehmung. Dabei hatte die Ampel sehr vielversprechend begonnen: Als Fortschrittskoalition war sie angetreten, das Land zu reformieren. Einiges – das wird gern vergessen – hat sie dabei auch erreicht, besonders in der Gesellschaftspolitik.

Reformstau im Land

Angela Merkel hatte es in ihren 16 Jahren als Kanzlerin perfektioniert, jede Entscheidung so lange hinauszuzögern, bis sie endlich opportun oder zumindest als alternativlos erschien. Das jahrelange Ringen um die Ehe für alle ist dafür ein anschauliches Beispiel. Ab 2002 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass diese geboten sei. Umgesetzt wurde sie erst 2017 – auf Initiative von SPD, Linken und Grünen. Vieles andere blieb jedoch in den Merkel-Jahren einfach liegen. So verbot der Staat Ärztinnen und Ärzten, über Schwangerschaftsbrüche zu informieren. Dabei war schon lange klar, welche Probleme dieses Verbot mit sich brachte: Es schützte nicht ungeborenes Leben, sondern schüchterte Frauen und Mediziner ein. Mit der überfälligen Abschaffung des Paragrafen 219a ermöglichte die Ampel betroffenen Frauen eine echte Entscheidungsfreiheit.

Die Ampel schaffte auch ein weiteres Relikt der Vergangenheit ab: das Transsexuellengesetz. Das neue Selbstbestimmungsgesetz markiert ein Ende der Bevormundung von Menschen, die sich außerhalb der biologischen zwei Geschlechter bewegen. Mussten sie sich zuvor einer Reihe von zum Teil erniedrigenden Maßnahmen unterziehen, können Betroffene nun ganz unbürokratisch ihren Geschlechtseintrag ändern. Das betrifft zwar nur eine kleine Gruppe von Menschen: Seit der Einführung im November haben mehrere Tausend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht. Aber für diese Menschen macht es einen eklatanten Unterschied.

Auch in einem anderen Feld, das deutlich mehr Menschen betrifft, hatte der Staat jahrelang Realitätsverweigerung betrieben: Millionen Deutsche rauchen gerne Cannabis. Zwar war der Konsum in Deutschland nie verboten, der Besitz hingegen schon, sodass sich Konsumenten in einer kriminellen Halbwelt bewegen mussten, um an ihr bevorzugtes Genussmittel zu kommen. Das neue Cannabisgesetz der Ampelkoalition ist freilich nicht fehlerlos, doch im Großen und Ganzen ein Schritt nach vorn – weg von der gescheiterten Verbotspolitik.

Klientelpolitik oder Minderheitenschutz

Der Ampelkoalition wurde oft vorgeworfen, sich mit Klientelpolitik zu verzetteln, anstatt die wichtigen Themen anzugehen. Tatsächlich fehlte dem Bündnis eine klare Strategie, um die Wirtschaftsflaute zu beenden oder ausreisepflichtige Migranten abzuschieben. Stattdessen versuchten sie, sich gegenseitig mit nie erfüllbaren Forderungen zu übertönen. Im Grunde stimmten die Koalitionäre lediglich in gesellschaftspolitischen Fragen wirklich überein, in fast allen anderen Bereichen waren die Unterschiede groß und teilweise unüberbrückbar.

Dennoch gilt es, die Leistungen der Ampelkoalition anzuerkennen. Denn sie hat die Probleme einiger Bürger ernst genommen und konkrete Lösungen dafür geschaffen. Schließlich ist für eine Demokratie nicht nur das Mehrheitsprinzip wesentlich, sondern auch der Schutz von Minderheiten.

Umso tragischer ist es, dass der wahrscheinliche Wahlsieger den gesellschaftspolitischen Fortschritt der Ampelkoalition wieder abschaffen möchte. Das zumindest hat Friedrich Merz im Wahlkampf angekündigt. Allerdings: Das dürfte nicht ganz so einfach werden. Denn zum Regieren braucht er wohl mindestens einen der beiden "Geschäftsführer", die seiner Meinung nach das Land vor die Wand gefahren haben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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