Kanzlerkandidat Friedrich Merz Der späte Triumph
Auch kurz vor der Wahl bleiben die Umfragen eindeutig: Friedrich Merz ist der Sieg bei der Bundestagswahl eigentlich nicht mehr zu nehmen. Wofür steht er?
Noch vor zehn Jahren war Friedrich Merz von der politischen Bildfläche so gut wie verschwunden. Jetzt steht er kurz vor dem größten Erfolg seiner Laufbahn: In den aktuellen Umfragen kommt die Union auf etwa 30 Prozent und ist damit doppelt so stark wie die SPD mit Bundeskanzler Olaf Scholz. CDU und CSU werden die Bundestagswahl also aller Voraussicht nach gewinnen – und Merz wird nach vielen Jahren jenseits der Spitzenpolitik doch noch Bundeskanzler.
Ein später Triumph, auch gegenüber seiner alten Rivalin Angela Merkel – Anfang der 2000er-Jahre drängte die damalige CDU-Vorsitzende ihn ins Abseits und stärkte so ihre Macht in der Partei. Über viele Jahre war Merz gezwungen, der Kanzlerin vom Spielfeldrand zuzusehen. Als Merkel ankündigte, sich aus der Politik zu verabschieden, war das seine Chance. Merz versuchte gleich mehrfach, an die Spitze der CDU zurückzukehren. Dreimal kandidierte der Mann aus dem Sauerland für den Parteivorsitz, zweimal scheiterte er.
Erst nachdem die Union 2021 die Bundestagswahl mit Armin Laschet verloren hatte, ließ man die Mitglieder anstelle der Delegierten entscheiden. Und sie wählten: Merz. Unter ihm begann in der CDU, aber auch in der Union insgesamt eine neue Ära, die sich nun in vielerlei Hinsicht deutlich von Merkel unterscheidet und teilweise auch bewusst abgrenzt.
Steckbrief Friedrich Merz
Beruf: Vorsitzender der CDU Deutschlands, Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag
Geburtstag: 11. November 1955
Geburtsort: Brilon (Nordrhein-Westfalen)
Familienstand: Verheiratet, drei Kinder
Berufsausbildung: Jurastudium
Wofür steht Friedrich Merz politisch?
Merz steht für den konservativen Flügel der Union – also den Teil der CDU, der während der Kanzlerschaft von Angela Merkel schwächer und schließlich unzufriedener geworden ist. Unter dem neuen Vorsitzenden rückt die CDU nun wieder stärker nach rechts – etwa mit Blick auf die Migrationspolitik. Vom Kurs der Altkanzlerin grenzt Merz sich bewusst ab.
Auch gesellschaftspolitisch ist Merz klar konservativ und scheut sich nicht, das offen zu formulieren. So zeigte er etwa im ersten TV-Duell mit Olaf Scholz in der ARD Verständnis für Donald Trumps Festschreibung per Dekret, dass in den USA in Zukunft nur noch Politik für die zwei Geschlechter Mann und Frau gemacht wird. Gewinnt die Union die Wahl, will sie beispielsweise das Selbstbestimmungsgesetz der Ampel zurücknehmen.
In der Wirtschaftspolitik geht es Merz vor allem um Leistungsbereitschaft und Wettbewerbsfähigkeit. Der CDU-Chef will den Sozialstaat verkleinern und auf der anderen Seite Unternehmen und Arbeitnehmer entlasten.
Mit welchen konkreten Versprechen wirbt Friedrich Merz im Wahlkampf?
Für die ersten 100 Tage nach der Wahl hat Merz angekündigt, sich vor allem um drei Themen kümmern zu wollen: Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Migration.
So plant die CDU die Wirtschaft mithilfe einer "Agenda 2030" wieder anzukurbeln. Darin verspricht die Partei eine umfassende Steuerreform und Bürokratieabbau. Beispielsweise soll die Einkommensteuerbelastung sinken, der Spitzensteuersatz erst ab 80.000 Euro greifen und der Grundfreibetrag jährlich steigen. Die CDU will damit "wieder Wachstumsraten von mindestens zwei Prozent erreichen", so heißt es in dem Papier.
Gegenfinanzieren möchte die Partei das mithilfe zusätzlicher Einnahmen durch Wachstum und durch Kürzungen beim Sozialstaat. Allen voran beim Bürgergeld, das zu einer "Neuen Grundsicherung" werden soll. Hier will man künftig schneller und drastischer sanktionieren. An der Schuldenbremse soll erst einmal festgehalten werden.
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt sollen die Arbeitszeiten flexibilisiert werden. Anstelle einer täglichen plant die CDU künftig eine wöchentliche Höchstarbeitszeit. Zudem sollen Überstundenzuschläge für Vollzeitbeschäftigte steuerfrei gestellt werden. Für Rentnerinnen und Rentner will die Partei Zusatzverdienste bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei ermöglichen.
Bei der Migrationspolitik setzt Merz auf einen deutlich härteren Kurs als bisher. Etwa fordert er mit seinem 5-Punkte-Plan zur Begrenzung illegaler Migration dauerhafte Grenzkontrollen, Zurückweisungen an den deutschen Grenzen, mehr Abschiebungen und Abschiebehaft für ausreisepflichtige Personen.
Neben den drei Themen Wirtschaft, Arbeit und Migration will Merz sich mittelfristig als Bundeskanzler vor allem auf die Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik konzentrieren. Hier plant die Union, die Wehrpflicht wieder einzuführen und die Unterstützung für die Ukraine auszuweiten. Dabei wollen sie auch die von Scholz abgelehnten Taurus-Marschflugkörper liefern.
Welche Kontroversen hat Friedrich Merz ausgelöst?
Über die Jahrzehnte hat der CDU-Politiker immer wieder verschiedene Kontroversen ausgelöst. Merz' Widersacher und politische Gegner erinnern besonders im Wahlkampf gerne an Aussagen oder Entscheidungen aus seiner Vergangenheit. Etwa, dass Merz 1997 gegen einen Gesetzentwurf stimmte, der Vergewaltigung in der Ehe unter Strafe stellen sollte. Tatsächlich soll es dabei um rechtliche Bedenken mit Blick auf den konkreten Gesetzentwurf gegangen sein.
Vergewaltigung in der Ehe sei bereits zuvor strafbar gewesen als Nötigung und als schwere Körperverletzung. So erklärt Merz in einem Interview mit den "Stuttgarter Nachrichten" zu dem Thema: "Ich habe also nie gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt", sagte Merz. Es sei ihm um eine Widerspruchsklausel gegangen.
Trotzdem sagte Merz auch, er habe seine Meinung zu einer Reform beim Thema Vergewaltigung in der Ehe geändert. "Ich würde heute anders abstimmen", so der CDU-Chef.
Abgesehen davon ist Merz auch in jüngerer Vergangenheit immer wieder mit polarisierenden Aussagen aufgefallen: Nach den Silvesterkrawallen 2023 nannte er etwa Schüler mit arabischem Migrationshintergrund, die insbesondere Lehrerinnen nicht respektieren würden, "kleine Paschas" und erntete dafür hinreichend Kritik.
Im selben Jahr sprach Merz in einem anderen Interview von abgelehnten Asylbewerbern, "die volle Heilfürsorge bekommen", und fügte hinzu: "Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine." Eine Aussage, die faktisch nicht zu halten ist – denn in den ersten 18 Monaten werden Geflüchtete nur bei Notfällen behandelt.
Im vergangenen Jahr hatte Merz sich im Ton deutlich gemäßigt. Der CDU-Vorsitzende blieb inhaltlich zwar oft hart in der Sache, wurde jedoch sachlicher im Ton. In seinen Reden wurde Merz überlegter, ausgewogener und auch staatsmännischer. Fast dachte man in der Union, der Kanzlerkandidat könne ohne weitere Kontroversen, gewissermaßen im Schlafwagen ins Kanzleramt fahren. Bis kurz vor der Wahl.
Nach dem Messerangriff in Aschaffenburg, bei dem ein junger Afghane zwei Personen, eine davon ein Kleinkind, mit einem Messer getötet hatte, war der CDU-Chef überzeugt, dass in der Migrationspolitik etwas passieren muss – um jeden Preis. Gemeinsam mit seiner Fraktion bringt Merz in der letzten regulären Sitzungswoche zwei Anträge und einen Gesetzentwurf zur Begrenzung illegaler Migration in den Bundestag ein. Merz ist bereit, zur Not auch eine Mehrheit mithilfe von AfD-Stimmen in Kauf zu nehmen. Bei einem der Anträge kommt es dazu. Eigentlich hatte der CDU-Chef selbst noch im vergangenen November zugesagt, man wolle nach dem Bruch der Ampelkoalition keine Zufallsmehrheiten im Bundestag zulassen.
Was ist über Merz privat bekannt?
Friedrich Merz ist mit drei Geschwistern im Sauerland aufgewachsen. Bis heute genießt der CDU-Politiker dort die Natur, fährt gerne Fahrrad, geht Golfen oder Wandern. Seit 1981 ist Merz mit seiner Frau Charlotte verheiratet – die beiden lernten sich in ihrer Studienzeit kennen. Das Paar hat einen Sohn und zwei Töchter, sie sind siebenfache Großeltern. Gemeinsam wohnen sie nach wie vor im Hochsauerland.
Neben der Naturverbundenheit und seinen sportlichen Aktivitäten hat der CDU-Chef noch eine kostspielige Leidenschaft: Merz ist Hobbypilot. Und weil er für den entsprechenden Schein regelmäßig fliegen muss, kann es schon mal passieren, dass der CDU-Politiker in seinem Privatflugzeug zu einem seiner Termine an- oder abreist.
- dw.com: "Nur Mann und Frau? Warum das nicht so einfach ist"
- cdu.de: "Wahlprogramm von CDU und CSU"
- cdu.de: "Politikwechsel mit der Neuen Grundsicherung"
- correctiv.org: "Friedrich Merz war für Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe – wegen einer Klausel stimmte er jedoch 1997 gegen den Gesetzentwurf"
- spiegel.de: "Merz nennt Söhne von Migranten kleine 'Paschas' – und erntet Kritik"
- tagesschau.de: "Warum sich Merz' Aussage nicht halten lässt"