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Gewinner und Verlierer der Woche: Die Linke lebt –Lindner muss beten


Gewinner und Verlierer der Woche
Totgeglaubte leben länger

  • Florian Schmidt
MeinungVon Florian Schmidt

07.02.2025 - 12:57 UhrLesedauer: 1 Min.
Noch 15 Tage bis zur Bundestagswahl: FDP-Chef Lindner (l.) und Linken-Frontfrau Reichinneck kämpfen um den Wiedereinzug ins Parlament.Vergrößern des Bildes
Noch 15 Tage bis zur Bundestagswahl: FDP-Chef Lindner (l.) und Linken-Frontfrau Reichinneck kämpfen um den Wiedereinzug ins Parlament. (Quelle: Imago/imago-images-bilder)
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Die Migrationsdebatte beschäftigt die Wahlkämpfer weiter. Was die eine, Heidi Reichinneck, freut, wird für den anderen, Christian Lindner, zur Belastung. Die Gewinnerin und der Verlierer der Woche.

Im Fußball würde man sagen, die Meisterschaft ist schon entschieden, der Wahlsieg ist der Union kaum mehr zu nehmen. Spannender aber bleibt's ab Platz zwei abwärts und dabei vor allem am unteren Ende der Tabelle. Dort nämlich ist längst nicht klar, wer die Spielklasse halten kann und wer absteigt in die politische Bedeutungslosigkeit.

Zwei dieser Parteien, die derzeit noch bangen, ob es mit dem Einzug ins Parlament klappt, sind die Linke und die FDP. Während Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinneck diese Woche mit einem Social-Media-Hit ein starkes Comeback hingelegt hat, muss FDP-Chef Christian Lindner weiter zittern.

Gewinnerin der Woche

Die Linke ist zurück – dank Reichinneck

Erinnern Sie sich noch an die Linkspartei? Richtig: Der Nachnachfolger der SED, entstanden als Fusion aus PDS und WASG, war lange das Wahl-Ventil für alle Agenda-enttäuschten SPD-Anhänger, für sozialistische Altgenossen aus Berlin-Marzahn und später auch für Hipster-Studenten, die – "no border, no nation!" – die Welt retten wollten.

Doch dann, nach mehreren erfolgreichen Regierungsbeteiligungen in den Ländern, setzte die Zersetzung ein. Die Partei stritt und fetzte sich, eine gewisse Frau Wagenknecht trat aus, baute ihr eigenes Bündnis auf. Die Linke verlor ihren Fraktionsstatus im Bundestag – und wurde von Beobachtern des Berliner Politbetriebs längst abgeschrieben. "Die lassen wir", Achtung, "links liegen", raunten Journalisten einander zu. "Die sind ja eh bald Geschichte."

Und jetzt? Ist die Linke auf einmal wieder da. Nach der hitzigen Migrationsdebatte im Bundestag legte die Partei in Umfragen zuletzt um zwei Prozentpunkte zu. Das ist nicht nur bemerkenswert, weil die Zustimmung zu den Parteien sonst nur selten um mehr als einen Punkt steigt oder fällt – sondern auch, weil ein solcher Sprung die Partei entgegen aller Vermutungen über die Fünfprozenthürde hievt. Plötzlich wären die Sozialisten doch wieder im nächsten Bundestag vertreten. Von wegen "bald Geschichte".

Dass die Leiche Linke lebt, verdankt sie einerseits einer großen Portion Glück im Unglück. Das grausame Attentat von Aschaffenburg, das CDU-Chef Friedrich Merz dazu verleitete, für einen Parlamentsantrag Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen, hat letztlich dazu geführt, dass die Linke überhaupt wieder ein Thema hat, mit dem sie mobilisieren kann: Der Kampf "gegen rechts" ist, die Großdemos zeigen es, mit einem Mal wieder so präsent wie zuletzt nach dem Skandal um die rechtsextremen Remigrationspläne Anfang 2024.

Andererseits war und ist es vor allem die Co-Spitzenkandidatin der Linken, Heidi Reichinneck, die diese Welle kommunikativ gekonnt und rhetorisch brillant reitet. Im Bundestag hielt sie in nur wenigen Minuten die emotionalste und zugleich knackigste Rede zur gemeinsamen Abstimmung von CDU/CSU und AfD. Und landete damit einen Social-Media-Hit: 29 Millionen Aufrufe bekamen Videoausschnitte von ihrem Auftritt bis Mitte dieser Woche auf Instagram, Facebook und vor allem TikTok. Das ist in so kurzer Zeit noch keinem gelungen.

Politik, das zeigt dieses Beispiel, muss nicht langweilig sein. Politik ist emotional, sie elektrisiert. Und ausgezählt wird am 23. Februar.

Verlierer der Woche

Lindner muss jetzt beten

Das Mitleid der meisten dürfte begrenzt sein, trotzdem muss man es festhalten: Leicht hat er's nicht, der Christian Lindner.

Seit mehr als elf Jahren führt er die FDP als Parteichef an, ein ums andere Mal zieht er für die Liberalen als Spitzenmann in den Wahlkampf. So schwer wie jetzt war es jedoch nie, seit die Partei von Baum, Genscher und Westerwelle 2013 aus dem Bundestag geflogen ist.

Die Liberalen kommen einfach nicht in den Tritt, die Wahlkampagne zündet nicht. Und die abgelaufene Woche bildete keine Ausnahme: Noch immer liegt die FDP in den Umfragen unterhalb der magischen Grenze von fünf Prozent, würde damit den Wiedereinzug ins Parlament knapp verfehlen.

Augenscheinlich gibt es dafür gleich mehrere Gründe. Erstens lastet die Ampel weiterhin wie Blei auf den Freidemokraten und damit auch auf Lindner, der Befreiungsschlag ist ausgeblieben. Zweitens überlagert die Migrations- und Sicherheitsdebatte nach Aschaffenburg das Center-Court-Thema der Liberalen: Über eine bessere Wirtschaftspolitik, bei der die Liberalen ohne Übertreibung das beste Angebot machen, spricht gerade einfach niemand. Umgekehrt dürfte für die honorigen Kompromissvorschläge in der Migrationspolitik von Fraktionschef Christian Dürr am Ende niemand sein Kreuz bei der FDP machen. Und schließlich ist da, drittens, auch noch Lindner selbst: Hardcore-Fans mag er noch ansprechen. Das Gros der Menschen jedoch scheint durch zu sein mit dem Mann, dessen Gesicht fast jedes Wahlplakat der FDP ziert. Daran ändert auch das jüngste Plus im Zufriedenheitsranking der ARD kaum etwas.

Vor diesem Hintergrund wenig hilfreich ist es da, wenn sich wie zu Beginn dieser Woche auch noch ein innerparteilicher Konflikt abzeichnet. Die Progressiven nämlich, böse FDP-Zungen sagen: "die Linken" in der Partei, scheinen sich schon jetzt für einen möglichen Machtkampf nach dem 23. Februar zu rüsten.

So jedenfalls lassen sich die kolportierten Aussagen mancher in der gemeinsamen Sitzung von Fraktion und Bundesvorstand vergangene Woche Freitag deuten. Mehrere Parteipromis sprachen sich offen gegen eine Zustimmung zum Unionsgesetzentwurf Seit' an Seit' mit der AfD aus. Damit rebellierten sie nicht nur gegen die Linie, die zuvor auch Lindner vorgegeben hatte, sondern sie förderten auch einen lange befriedeten Flügelstreit wieder zutage.

Am Wochenende treffen sich die Liberalen zu Lindners Krönungsmesse als Spitzenkandidat. Vom Parteitag in Potsdam soll ein Aufbruchsignal für die letzten Wahlkampfmeter ausgehen. Bleibt das aus, bleibt nur noch eins: Beten.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
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