Aussage von Merz "Tägliche Gruppenvergewaltigungen" – stimmt das?
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CDU-Chef Merz hat den umstrittenen Entwurf zum Zustrombegrenzungsgesetz verteidigt – und verweist auf "tägliche Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylmilieu". Ist das tatsächlich so?
Das Zustrombegrenzungsgesetz ist im Bundestag gescheitert. Der Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hatte es in der Debatte verteidigt und dabei eine Behauptung aufgestellt. Es gebe aus Sicht vieler Menschen Handlungsnotwendigkeit nach den Anschlägen in Magdeburg und Aschaffenburg – auch wegen "täglich stattfindender Gruppenvergewaltigungen aus dem Asylmilieu", so Merz.
Besonders in den sozialen Medien wird nun heftig über diese Aussage diskutiert. Stimmt sie wirklich?
Polizeiliche Kriminalstatistik gibt Aufschluss
Tatsächlich kam es im Jahr 2023 zu 761 Gruppenvergewaltigungen in Deutschland, im Jahr 2022 gar zu 789, wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion aus dem Juni 2024 hervorgeht. 2016 war die Fallzahl mit 739 ähnlich hoch, 2017 hatte es dagegen mit 380 Fällen die wenigsten Fälle im Auswertezeitraum seit 2010 gegeben. Zugleich hat sich die Definition, was darunter erfasst wird, mehrfach geändert, was die Vergleichbarkeit einschränkt.
Rechnerisch gab es also bei 761 Fällen zwei Gruppenvergewaltigungen am Tag. Das bezieht sich auf Fälle bei Abschluss der Ermittlungen durch die Polizei. Ob sich die Vorwürfe in einem Prozess jeweils bestätigen, ist damit noch unklar. Umgekehrt gibt es auch eine Dunkelziffer, die Experten aber bei schwerer Kriminalität für gering halten.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort auch darauf, dass der Begriff "Gruppenvergewaltigung" weder juristisch feststehend noch einer bestimmten Strafvorschrift zuzuordnen sei. Um die Kleine Anfrage zu beantworten, sind daher Sonderauswertungen der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) erstellt worden, heißt es in der Antwort weiter.
Bei den 761 Gruppenvergewaltigungen hatten 520 mutmaßliche Täter im Jahr 2023 die deutsche Staatsangehörigkeit. 47 dieser Verdächtigen waren im Übrigen weiblich. 470 der Tatverdächtigen, das macht 47,5 Prozent, waren "nichtdeutsch", heißt es in der Antwort. Die vier am häufigsten vertretenen Staatsangehörigkeiten nach der deutschen waren dabei syrisch (71), afghanisch (49), irakisch (43) und türkisch (33).
Merz' Aussage hat keine statistische Grundlage
Insgesamt wurden 145 Verdächtige der Kategorie Zuwanderer zugerechnet. Das ist der Personenkreis von Menschen, die sich nach einem Asylantrag in Deutschland aufhalten, unabhängig davon, ob berechtigt und mit Schutzstatus oder nicht. Die Gruppe wird für die Statistik seit 2018 gesondert erfasst und ihr Anteil an Tatverdächtigen ist seither kontinuierlich gesunken: von 21,8 Prozent auf inzwischen 14,1.
Statistisch sind die Nichtdeutschen und die Zuwanderer damit aber immer noch deutlich überrepräsentiert und das lässt sich auch nur zum Teil mit der unterschiedlichen demografischen Struktur erklären: In einer Gruppe mit hohem Anteil junger Männer ist die Kriminalität immer höher als in einer Gesamtbevölkerung mit vielen alten Menschen.
Klar ist: Gruppenvergewaltigungen sind ein real bestehendes Problem. Etwa jeder zweite Tatverdächtige ist kein Deutscher und etwa jeder siebte Tatverdächtige ist Zuwanderer. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, wie viele Fälle genau Zuwanderern zugerechnet werden können. Wenn Merz von einer Gruppenvergewaltigung "aus dem Asylmillieu" täglich spricht, dann gibt es dafür keine statistische Grundlage.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieses Artikels gab es eine Verwechslung zwischen der Zahl der Fälle und den Tatverdächtigen. Der Text wurde korrigiert und mit Informationen zur Kategorie Zuwanderer ergänzt.
- Kleine Anfrage: "Entwicklung von Gruppenvergewaltigungen bis zum 31. Dezember 2023 (Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 20/10719)"
- Mit Material der Nachrichtenagentur Reuters