Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Gewinner und Verlierer der Woche Im Ernst?
Der Wahlkampf nimmt Fahrt auf, dafür sorgt auf traurige Weise auch der Angriff von Aschaffenburg. Warum Alice Weidel damit politisch schlau umgeht und der Kanzler eine schwache Figur abgibt.
Dafür, dass der Wahlkampf so kurz ist, floss er lange ungewöhnlich zäh dahin. Bis jetzt. Denn der Messerangriff von Aschaffenburg, bei dem ein psychisch kranker Afghane eine Gruppe Kindergartenkinder angegriffen und zwei Menschen getötet hat, rückt die Themen Migration und Sicherheit ins Zentrum.
Die Wahlkampf-Gewinnerin der Woche sowie der Verlierer sind vor diesem Hintergrund schnell ausgemacht: Alice Weidel kann punkten. Ein schlechtes Bild gibt dagegen Olaf Scholz ab, der inzwischen vom Kanzler ganz zum SPD-Wahlkämpfer mutiert ist.
Weidel punktet im TV – und treibt die Union vor sich her
Zuletzt sah's nicht ganz so gut aus für Alice Weidel. Zwar steht die AfD in den Umfragen weiter stabil bei über 20 Prozent, die Frontfrau der Rechtsaußenpartei könnte im nächsten Bundestag Oppositionsführerin werden. Doch mit ihrem Auftritt beim Parteitag in Riesa vor zwei Wochen schien sie den Bogen überspannt zu haben:
Zu hart im Ton, zu rechtsradikal im Inhalt – nicht wenige moderate Wähler der Partei dürfte ihr Auftritt eher abgeschreckt und zurückgetrieben haben zur Union und deren Spitzenmann Friedrich Merz. Auch Zahlen zum sogenannten Wählerpotenzial legen das nahe.
Jetzt jedoch könnte sich der Wind wieder zu ihren Gunsten drehen. Das liegt zum einen am Messerangriff von Aschaffenburg. Zum anderen aber auch daran, dass Weidel diese Woche einiges richtig gemacht hat.
Mittwochabend, Maischberger in der ARD: Weidel sitzt neben Sahra Wagenknecht im Fernsehstudio. Turnschuhe, Jeans, Rollkragenpullover – sie sieht lässig aus neben der matronenhaften BSW-Namensgeberin im strengen Kostüm. Und sie macht auch mit dem, was sie sagt, eine gute Figur, vor allem: eine deutlich bessere als beim Duell der Populisten beim TV-Sender "Welt" Anfang Oktober. Wirkte sie damals noch fahrig, unvorbereitet, leicht auszutricksen, ist es nun Weidel, die Wagenknecht streckenweise vorführt. Ruhig im Ton, hart in der Sache, attackiert sie Wagenknecht. Wirft ihr vor, ihre alte Partei zu zerstören, stellt fest, dass das BSW nach den Regierungsbeteiligungen im Osten nur noch die Fünfprozenthürde kratze. Und wo Wagenknecht sich bei manchen Fragen windet, stammelt, laviert, ist Weidel bestimmt, prägnant, eindeutig. Erster Punkt für die AfD-Chefin.
Punkt zwei geht an sie, weil sie – so zynisch es klingt – den grausamen Angriff eines psychisch kranken Afghanen in Aschaffenburg politisch geschickt genutzt hat. Mit ihrem Angebot an Wohl-bald-Kanzler Friedrich Merz, gemeinsam einen harten Kurs in der Migrationspolitik durchzusetzen, treibt sie die Union vor sich her. Allen gegensätzlichen Beteuerungen von Merz zum Trotz: Die "Brandmauer" zur AfD lässt sich für die Union immer schwerer schützen.
Wird die AfD möglichen Migrationsanträgen der Union im Bundestag zustimmen? Machen gar die Liberalen und die fraktionslosen Ex-AfDler mit? Ein so geänderter Kurs wäre dann auch Weidels Erfolg.
Der Abschiebe-Kanzler, der keine Demut kennt
Erinnern Sie sich noch an das "Spiegel"-Cover, auf dem Olaf Scholz fordert: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben"? Vor bald anderthalb Jahren war das, im Oktober 2023. Wie schnell die Zeit vergeht. Und wie schlecht manche Zitate doch altern.
Das war ein Versprechen, obwohl es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Wer nicht in Deutschland bleiben darf, muss gehen. Und wer nicht freiwillig geht, den setzen wir in einen Flieger und schicken ihn fort.
Scholz' erstes Problem: Passiert ist seitdem zu wenig. Vereinzelte Abschiebeflüge gab es zwar, das schon. Weil aber ganz offensichtlich auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das in die Zuständigkeit der Scholz'schen Regierung fällt, den Ländern zu kurzfristig mitteilt, wer ausgewiesen werden soll, ist es zum Abschieben und Rückführen "im großen Stil" nie gekommen. Neue, frappierende Zahlen vom BAMF zeigen sogar: Von den sogenannten Dublin-Flüchtlingen wurde vergangenes Jahr nur jeder 13. in das entsprechende EU-Erstaufnahmeland zurückgeschickt.
Scholz' zweites und noch viel größeres Problem: Immer wieder sind seit seiner Ankündigung im Herbst 2023 genau jene Asylbewerber zu Mördern oder Terroristen geworden, die unter seiner Ägide nicht des Landes verwiesen wurden. Im Fall von Solingen war das so, aber auch jetzt beim Angreifer von Aschaffenburg.
Eigentlich würde man da vom Kanzler Worte der Demut erwarten, der Selbstkritik. Doch so tickt Scholz nicht, schon gar nicht Scholz im Wahlkampfmodus. Statt "Es tut mir leid" sagt er allen Ernstes: "Ich bin es leid."
Ja, was eigentlich? Dass sich "alle paar Wochen solche Gewalttaten bei uns zutragen", wie Scholz hinterherschob? Oder doch eher die ganz eigene gescheiterte Asyl- und Migrationspolitik? Letzterem würden viele würden wohl zustimmen.
- Eigene Beobachtungen