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Robert Habeck und die Sozialabgaben: Er muss jetzt wirklich aufpassen


Robert Habeck
Er muss jetzt wirklich aufpassen


Aktualisiert am 16.01.2025 - 14:06 UhrLesedauer: 6 Min.
Jahresauftaktsitzung Grünen-FraktionsvorstandVergrößern des Bildes
Robert Habeck: Die Grünen granteln sich in einen Bockigkeitsmodus hinein. (Quelle: Bernd von Jutrczenka/dpa/dpa-bilder)
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Sozialbeiträge auch auf Kapitaleinkünfte? Robert Habeck hat mit einer unausgereiften Idee den ersten Fehler im Wahlkampf gemacht. Doch statt das einzugestehen, klagen die Grünen lieber über ihr schweres Schicksal.

Wahlkampf ist die Zeit der dicken Backen. Parteien versprechen den Leuten mehr, als sie halten können. Nicht jede dicke Backe ist ein Skandal. Manchmal sagen Parteien nur, was sie gerne tun würden, wenn sie könnten. Können dann aber nicht, weil sie keine Mehrheit dafür bekommen. Manchmal aber tun Parteien nur so, als hätten sie einen guten Plan, obwohl sie keinen haben. Und hoffen darauf, dass niemand so genau hinschaut. Dann wird's wirklich problematisch.

Die Union musste das erfahren, als sie in ihr Wahlprogramm Steuersenkungen schrieb, die Ökonomen zufolge 90 bis 100 Milliarden Euro kosten würden. Ohne realistischen Plan, woher das Geld kommen soll. Alle seriösen Medien haben das deutlich kritisiert, die politische Konkurrenz auch, die Grünen vorneweg. Kanzlerkandidat Robert Habeck hat es als "Wolkenkuckucksheim" bezeichnet, als "Flunkerkanone". Die Union wolle die Leute "vergackeiern".

Das sind harte Worte, aber man kann das so machen. Die Union hat ihre Pläne danach konkretisiert. Die Kritik hat zu mehr Wahrhaftigkeit geführt. Schwierig wird es nur, wenn die Grünen dann selbst unausgereifte Ideen in den Wahlkampf werfen und so tun, als sei jede Kritik, sogar jede Nachfrage eine Zumutung.

Womit wir bei Robert Habecks Problem mit den Sozialabgaben wären. Es ist im Kern ein anderes Problem, als jetzt oft behauptet wird. Aber es ist für die Grünen mindestens genauso gefährlich. Sie schaden damit selbst der Debattenkultur im Wahlkampf. Und verfallen gerade wieder in eine Bockigkeit, die schon 2021 wesentlich zur Wahlniederlage beigetragen hat. Sie müssen jetzt wirklich aufpassen.

Eine halbe Idee

"So will Habeck Ihr Erspartes schrumpfen", titelte die "Bild"-Zeitung. Der frühere Justizminister Marco Buschmann von der FDP schimpfte über den "großen Habeck-Klau". Das ist offenkundiger Unsinn, ein mutwilliges Missverstehen. Doch das macht Habecks Idee noch nicht gut. Was daran liegt, dass man sie sehr gut missverstehen kann. Denn die Grünen geben seit Tagen keine Antworten auf entscheidende Fragen.

Die unheilvolle Geschichte beginnt am Sonntag um 18 Uhr in der ARD. Robert Habeck wird im "Bericht aus Berlin" interviewt, es geht um das Gesundheitssystem. Habeck wird gefragt, ob er die private Krankenversicherung abschaffen wolle, immerhin setzten sich die Grünen in ihrem Programm für eine Bürgerversicherung ein.

Es lohnt sich, die Frage und auch Habecks Antwort möglichst vollständig wiederzugeben. Denn inzwischen versuchen die Grünen, so zu tun, als sei das alles anders gemeint gewesen. Denn Habeck sagt nicht, was er ohne Probleme hätte sagen können, nämlich zum Beispiel: Ja, ja, ganz genau, wir wollen uns auf den Weg machen zu einer Bürgerversicherung, in die dann alle einzahlen, wodurch mehr Geld in die Kassen kommt und was so den Anstieg der Beiträge stoppen soll. Aber das ist eine große, komplizierte Reform, bei der man so oder so beginnen kann.

Alles das sagt Habeck nicht, obwohl er explizit auf die Bürgerversicherung angesprochen wird. Habeck sagt stattdessen: "Wir würden gerne die Beitragsgrundlage erhöhen." Alle gesetzlich Versicherten zahlten Abgaben auf die Arbeitslöhne. "Aber zum Beispiel Kapitalerträge sind davon freigestellt. Warum soll eigentlich Arbeit höher belastet sein als Einkommen durch Kapitalerträge? Das leuchtet mir nicht ein und deswegen schlagen wir vor, dass wir auch diese Einkommensquellen, die Menschen ja haben, sozialversicherungspflichtig machen. Sodass wir dann den Druck auf die Arbeitslöhne deutlich reduzieren. Arbeiten günstiger machen und die Kapitaleinkünfte werden dann etwas höher mit Abgaben belegt: Das wäre sozusagen ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit innerhalb des Systems."

Ein Schritt. Innerhalb des Systems. So sagt er es.

Ein großes Problem, das eine große Antwort braucht

Robert Habeck und die Grünen haben recht, die Zukunft der Krankenversicherung ist ein Problem, das dringend eine Antwort braucht. Und es ist gut, dass sie es (auf Nachfrage) zum Thema machen. Nur muss ihre Antwort, um mal wie Habeck zu sprechen, dann auch der Größe des Problems gerecht werden. Und idealerweise ansatzweise realistisch sein.

Das war schon bei der globalen Milliardärssteuer schwierig, mit der die Grünen zu Beginn des Wahlkampfs hausieren gingen. Sie verschwiegen anfangs das "global" und taten dann fast so, als sei es kein großes Problem, das auf der ganzen Welt durchzusetzen. Bei den Sozialausgaben ist es nun noch schlimmer. Denn da ist so vieles nicht klar, dass es fast unmöglich ist, die Idee überhaupt zu bewerten.

Soll das Ganze ein erster Schritt sein, der auch ohne komplette Bürgerversicherung für sich stehen kann? Dafür sprechen Habecks Worte von dem "Schritt zu mehr Gerechtigkeit innerhalb des Systems". Oder funktioniert das alles nur im Gesamtkonzept Bürgerversicherung? Irgendwas dazwischen?

Und die Fragen hören da noch nicht auf: Um beurteilen zu können, wer von den neuen Abgaben betroffen wäre, sind die Freibeträge entscheidend. Also die Grenze, bis zu der die Leute keine Abgabe auf die Einnahmen aus ihrem Kapital zahlen müssen. Es gehe nicht um die "Kleinsparer", versichern die Grünen, sondern um "Menschen, die etwa eine Million auf dem Konto haben". Aber welche Freibeträge sie sich vorstellen, sagen sie nicht.

Sie sagen auch nicht, wie sie überhaupt an das Geld der "Millionäre" herankommen wollen, die sie meinen. Das ist noch entscheidender. Denn bislang gibt es eine Beitragsbemessungsgrenze. Von dieser Grenze an müssen keine Beiträge mehr auf Einkünfte gezahlt werden. Sie liegt bei einem Gehalt von etwas mehr als 5.500 Euro Brutto im Monat. Das ist nicht wenig, aber der handelsübliche Millionär hat das in der Regel locker – und kann sich im Zweifel auch noch aussuchen, ob er nicht lieber in die private Krankenversicherung wechselt.

Nicht nur "Details" sind offen

All diese Fragen sind keine "Details", über die man später mal nachdenken kann, wie die Grünen jetzt behaupten. Es sind grundsätzliche Fragen, auf die es eine Antwort braucht, damit die Menschen beurteilen können, ob das eine gute, funktionierende Sache ist oder nicht. Und wer es in einem Wahlkampf tagelang nicht schafft, eine selbst eingebrachte Idee so darzustellen, dass solche Fragen geklärt werden, der macht etwas falsch.

Die simple, bittere Wahrheit ist offenbar: So genau wissen sie es selbst nicht. Den Eindruck gewinnt, wer gerade im Vertrauen mit klugen Grünen spricht, und zwar beider Parteiflügel: Wichtiges Thema, aber kommunikativ doof gelaufen, vor allem weil: kein ausgearbeitetes Konzept. So ungefähr laufen diese Gespräche gerade.

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Statt das einzugestehen, poltern die Grünen öffentlich darüber, dass niemand Habecks "Botschaft zur Entlastung von sehr vielen Menschen“ ausreichend würdige und der "Fokus fälschlicherweise auf diejenigen gerichtet" werde, "die nicht gemeint sind, weil Robert Habeck einen Vorschlag gemacht hat, der die Millionäre belasten würde". So schimpfte sich Fraktionschefin Katharina Dröge am Dienstag in Rage.

Tragikomisch wird das Ganze, wenn Dröge am Mittwoch im Deutschlandfunk bedauert, dass die Debatte "jetzt so in einer Wahlkampfspirale zugespitzt wurde, dass man gar nicht mehr die Möglichkeit hat, über die Details zu sprechen". Wohlgemerkt: Während sie im selben Interview nicht über die Details sprechen will.

Sie granteln sich in eine Bockigkeit hinein

Es ist der erste große Fehler der Grünen in diesem Wahlkampf. Und sie müssen aufpassen, sich nicht wieder in eine Bockigkeit hineinzugranteln, in der sie legitime Kritik als "Rufmord" niederzubrüllen versuchen. So wie sie das irgendwann im Wahlkampf 2021 getan haben. Damals hatte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ein Buch veröffentlicht, in dem eindeutige Plagiate gefunden wurden. Die Grünen aber verloren sich in ihren Klagen über eine angebliche Kampagne und "Rufmord".

Sollte das nun wieder passieren, dann paart sich wie damals weiterhin die übertriebene, mutwillig missverstehende Kritik mit der völlig berechtigten. Dann geht es bergab. Aber so muss es nicht kommen. Die Grünen könnten sagen, okay, das war unüberlegt und nicht ausgereift, sorry, wir wollen die große Bürgerversicherung, aber das dauert realistischerweise etwas. Oder sie sagen, Mist, funktioniert so einfach doch nicht, lassen wir also lieber bleiben.

Im Moment aber ist da eine halbe Idee, die sie nicht erklären können, weil sie so nicht funktionieren kann. Und das ist dann eben: Große-Backen-Politik, mit der auch sie tun, was Robert Habeck der Union vorwirft: die Leute "vergackeiern".

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