t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomePolitikBundestagswahl 2025

Robert Habeck will Sozialabgaben auf Kapitalerträge – scharfe Kritik


Habeck-Vorstoß stößt auf Widerstand
"Anschlag auf alle Sparer" oder mehr Gerechtigkeit?

Von dpa, sic

Aktualisiert am 14.01.2025 - 13:42 UhrLesedauer: 4 Min.
urn:newsml:dpa.com:20090101:250113-911-011688Vergrößern des Bildes
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, Archivbild): Er will Kapitalerträge zur Finanzierung der Krankenkassen nutzen. (Quelle: Philipp von Ditfurth/dpa)
News folgen

Anleger sollen Sozialabgaben auf Kapitaleinkünfte zahlen – das fordert Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck. An der Forderung entzündet sich scharfe Kritik.

Aktienanleger sollen nach einem Vorstoß von Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck für die Sozialversicherung in Deutschland herangezogen werden. Ihre Einkünfte aus Kapitalerträgen sollen somit künftig auch der Finanzierung etwa der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dienen. "Warum soll eigentlich Arbeit höher belastet sein als Einkommen durch Kapitalerträge?", sagte Habeck in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" am vergangenen Sonntag. Knapp sechs Wochen vor der Bundestagswahl kamen prompte Reaktionen – nicht nur positive.

So warfen die Parteispitzen von CSU und FDP Habeck den Griff in die Taschen der Menschen vor. Auch der Koalitionspartner SPD lehnte den Vorstoß des Grünen-Wirtschaftsministers ab. Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warnte vor negativen Auswirkungen für die Mittelschicht. Als Idee für mehr Gerechtigkeit begrüßte hingegen der Sozialverband Deutschland (SoVD) Habecks Äußerung.

TK-Chef prophezeit Beitragsanstieg auf 20 Prozent

Habeck kündigte an, die Grünen "würden gern die Beitragsgrundlage erhöhen". Er kritisierte, dass Kapitalgewinne bislang von Sozialversicherungsbeiträgen freigestellt seien. Habeck war auf Warnungen vom Chef der Techniker Krankenkasse Jens Baas angesprochen worden. Dieser hatte in der "Süddeutschen Zeitung" prophezeit, ohne politisches Eingreifen drohe in diesem Jahrzehnt bei den Kassen ein Beitragsanstieg auf 20 Prozent.

Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, dass im Jahr 2024 ein durchschnittlicher Arbeitnehmerhaushalt in Deutschland 52,6 Prozent seines Einkommens an den Staat gezahlt hat. Von einem Euro an Arbeitseinkommen bleiben demnach 47,4 Cent übrig. 31,7 Cent entfallen auf Sozialabgaben, der Rest auf Steuern und Umlagen.

Lauterbach will Privatversicherte beteiligen

Gesundheitsminister Karl Lauterbach reagierte mit einem Gegenvorschlag. "Bevor wir bei GKV-Versicherten auch noch die Rücklagen für das Alter mit Beiträgen belasten, sollten wir privat Versicherte an Solidarität beteiligen", schrieb der SPD-Politiker auf der Plattform X. "Sie zahlen für Familien, Arbeitslose, Geringverdiener, Menschen mit Behinderung nicht mit. Das ist falsch."

Aus der CSU kam deutliche Kritik: "Die Grünen wollen nicht nur höhere Steuern. Jetzt wollen sie auch noch ans Sparguthaben der Menschen und ihre Erträge ran", sagte Parteichef Markus Söder der Deutschen Presse-Agentur. "Das lehnen wir grundlegend ab." Auf schon einmal versteuertes Geld dürfe nichts mehr erhoben werden.

FDP-Generalsekretär spricht vom "großen Habeck-Klau"

FDP-Chef Christian Lindner warnte vor einem "Abkassieren der Mittelschicht in Deutschland". Habeck nehme damit auch eine weitere Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland in Kauf, sagte Lindner den Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Auf der Plattform X nannte er Habecks Vorstoß zudem einen "Angriff auf Millionen Sparer".

Der designierte FDP-Generalsekretär Marco Buschmann rechnete vor, dieser "große Habeck-Klau" könne sogar für kleine Sparraten sechsstellige Minderungen ihrer Erträge bedeuten. "Das halte ich für verantwortungslos." Daniel Bauer, Vorstandschef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Millionäre und Milliardäre würde dies nicht treffen, da die Krankenversicherungsbeiträge eben durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt sind."

Grüne verteidigen Habecks Vorstoß

Grünen-Wahlkampfleiter Andreas Audretsch sagte: "Es ist ungerecht, wenn eine Alleinerziehende in Teilzeit oder ein Polizist mehr zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung beiträgt als jemand, der sehr viel Geld im Aktienhandel verdient." Auch für Unternehmen sei es gut, wenn wir die Beitragssätze so gering wie möglich halten, sagte er.

Grünen-Chef Felix Banaszak betonte, es gehe um mehr Gerechtigkeit. "Es geht hier nicht um den Kleinsparer. Für Kleinsparer ändert sich nichts." Dafür sollten "sehr großzügige Freibeträge" sorgen. Zahlen nannte Banaszak nicht.

Anders als bei den Sozialbeiträgen werden in Deutschland Kapitalerträge bei der Festsetzung der Einkommenssteuer bereits berücksichtigt. Sie werden gemäß Kapitalertragsteuer mit 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag versteuert, wenn sie über dem Freibetrag von 1.000 Euro liegen.

Höhere Sozialabgaben verringern Kluft zwischen Arm und Reich

Im Fokus des Bundestagswahlkampfs steht bisher vor allem, wie die Wirtschaftsflaute und diverse Belastungen in Deutschland eingedämmt werden könnten. So hatte AfD-Chefin Alice Weidel kürzlich gesagt, der "normale deutsche Arbeitnehmer" arbeite mindestens zur Hälfte für den Staat. Tatsächlich wird seit Jahren kontrovers debattiert, wie die Milliardenkosten, die für die sozialen Sicherungssysteme in Deutschland anfallen, auf Beschäftigte und Arbeitgeber verteilt werden sollen.

Forscher haben festgestellt, dass in Staaten mit höheren Sozialausgaben eine geringe Kluft zwischen dem reichen Bevölkerungsanteil und Menschen mit durchschnittlichem Vermögen besteht. Der aktuelle Verteilungsreport 2024 des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt den Zusammenhang: Der Vermögensanteil der beim Einkommen unter dem Durchschnitt liegenden Bevölkerung ist demnach in den Staaten deutlich höher, in denen auch die "Sozialschutzausgaben pro Einwohner" höher liegen.

"Erschreckende Unwissenheit über unser Steuersystem"

Der Ökonom Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg warf Habeck "erschreckende Unwissenheit über unser Steuersystem" vor. Es sei falsch, dass Kapitalerträge weniger stark besteuert werden als Arbeitseinkommen, sagte er der "Neuen Zürcher Zeitung". "Sollte sich Habeck mit seinem Vorschlag durchsetzen, wäre das ein Anschlag auf alle Sparer und alle jene, die eigenverantwortlich fürs Alter vorsorgen."

In Deutschland hatten die meisten der 94 gesetzlichen Krankenkassen zu Jahresbeginn ihren Zusatzbeitrag kräftig auf im Schnitt 2,91 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens angehoben. Der Zusatzbeitrag kommt auf den allgemeinen Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohns obendrauf.

Vor diesem Hintergrund gab die Vorsitzende des Sozialverbands Deutschland, Michaela Engelmeier, Habeck Rückendeckung. Für die Finanzierung der Krankenkassen müssten auch andere Einkünfte als heute einbezogen werden, sagte Engelmeier der Funke-Mediengruppe. "Aber: Dabei muss darauf geachtet werden, dass etwa Einkünfte aus kleinen Sparguthaben beitragsfrei bleiben." Insbesondere die zuletzt immer stärker gestiegenen Zusatzbeiträge belasteten niedrige und mittlere Einkommen stark, sagte Engelmeier. Kassenbeiträge auf Kapitalgewinne wären dagegen solidarisch.

Krankenkassen zeigen sich skeptisch

Verhalten zeigten sich die Krankenkassen. "Die Frage, welche Einkunftsarten für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, die immerhin 90 Prozent der Bevölkerung versichert und versorgt, herangezogen werden, erfordert eine gesellschaftspolitische Antwort", sagte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, der dpa.

Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, lehnte Habecks Forderung ab. "In der aktuellen Schieflage bei der Finanzierung von Gesundheit führen einfache Lösungen nicht ans Ziel", sagte Baas den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Dienstagausgaben).

Einfach mehr Geld in ein System zu stecken, in dem das Geld nicht zielgenau und effizient eingesetzt werde, helfe langfristig nicht weiter, sagte der TK-Chef. "Angesichts der stark steigenden Ausgaben im Gesundheitswesen müssen die Finanzen zunächst kurzfristig stabilisiert werden." Die Versicherten müssten "dringend finanziell entlastet werden". An grundlegenden Reformen führe kein Weg vorbei, sagte der Kassenchef.

Verwendete Quellen

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom