Sonntagsvisite beim Bundeskanzler Dieser Besuch ist alles andere als gewöhnlich
Am Wochenende besucht der argentinische Präsident Berlin. Kanzler Scholz macht für Javier Milei eine Ausnahme von seiner Sonntagsruhe – und auch sonst läuft der Besuch ganz anders ab als sonst.
Der argentinische Präsident hat es nicht immer leicht. Der Senat in Buenos Aires ein umstrittenes Reformpaket von Javier Milei vergangene Woche nach monatelangen Diskussionen zwar angenommen. Die Entscheidung der kleineren Parlamentskammer wurde jedoch von massiven Ausschreitungen in der argentinischen Hauptstadt begleitet.
Seine kleine Auslandsreise, die ihn am Freitag nach Spanien und am Wochenende nach Deutschland führt, dürfte Milei also ganz recht kommen. In Hamburg nimmt der studierte Ökonom am Samstag die "Hayek-Medaille" der rechtsliberalen Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft entgegen. Am Sonntag geht seine Reise mit einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin weiter.
Doch der Besuch wird für Milei ganz anders ablaufen, als für die meisten anderen Staatsgäste. Der argentinische Präsident bekommt weder einen Empfang mit militärischen Ehren, noch wird er sich bei einer Pressekonferenz zu Fragen von Journalisten äußern. Beides war zunächst geplant, kurz vor dem Treffen kommt nun jedoch die Absage. Wie kam es dazu?
Berlin will "vieles" möglich machen
Ganz klar ist das nicht. Dass Milei überhaupt an einem Sonntag komme, bezeichnete Regierungssprecher Steffen Hebestreit als "relativ ungewöhnlich". Man mache aber "vieles" möglich, schob er hinterher. Nun soll der Besuch wohl möglichst schnell abgehandelt werden. Angeblich wollte die argentinische Seite die Visite auf nur eine Stunde begrenzen. Was dabei herumkommen soll? Das ist ebenso unklar.
Bislang hat Milei erst wenige typische Auslandsreisen absolviert. Seit seinem Amtsantritt im Dezember vergangenen Jahres reiste er in offizieller Mission lediglich nach Israel, Italien und El Salvador. Die für argentinische Präsidenten üblichen Reisen in die wichtigen Nachbarländer wie Brasilien und Chile ließ Milei wegen ideologischer Differenzen ausfallen. In den USA empfing ihn Präsident Joe Biden trotz zweier Besuche Mileis gar nicht erst.
Das dürfte einerseits an Mileis politischer Ausrichtung – er vertritt einen wertekonservativen und ultraliberalen Kurs – liegen, andererseits aber auch an seinen vorherigen Treffen mit umstrittenen Persönlichkeiten. Denn statt etwa Biden zu besuchen, traf sich der Staatschef in den USA mit Tesla-Boss Elon Musk, besuchte den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump auf der ultrakonservativen CPAC-Konferenz und kam in Spanien mit dem Rechtspopulisten Santiago Abascal auf einer Versammlung der Vox-Partei zusammen. Mehr zu dem Spanien-Besuch lesen Sie hier.
Milei steht innenpolitisch unter Druck
Hinzu kommen die andauernden innenpolitischen Querelen des Präsidenten. Mileis umstrittene Gesetzesinitiative sieht unter anderem die Privatisierung mehrerer staatlicher Unternehmen, Steuererleichterungen für Großinvestoren sowie Arbeitsmarkt- und Steuerreformen vor. Die Regierung musste den Maßnahmenkatalog bereits erheblich zusammenkürzen, um eine Mehrheit im Parlament möglich zu machen. Soziale Bewegungen und die linke Opposition verurteilen das Reformpaket als neoliberal und unsozial. Mehr dazu lesen Sie hier.
Bei dem Treffen zwischen Scholz und Milei dürfte es genug zu besprechen geben: Argentinien verfügt über viele Rohstoffe wie beispielsweise Lithium, das in Deutschland dringend gebraucht wird. Zudem sind die Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem südamerikanischen Wirtschaftsbund Mercosur weiterhin festgefahren. Bei den internationalen Konflikten liegt Milei als treuer Verbündeter Israels und der Ukraine eher auf einer Linie mit der Bundesregierung als sein linker Vorgänger.
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Argentinien steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Die Inflation von fast 290 Prozent ist eine der höchsten der Welt. Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht.
Der ultraliberale Präsident Milei will das einst reiche Land nun mit einem radikalen Sparprogramm wieder auf Kurs bringen. Die Regierung strich Tausende Stellen im öffentlichen Dienst, kürzte Subventionen und wickelte Sozialprogramme ab. Nach Angaben der Katholischen Universität Argentiniens leben knapp 56 Prozent der Menschen in Argentinien unter der Armutsgrenze und rund 18 Prozent in extremer Armut.
- n-tv.de: "Kanzleramt sagt militärische Ehren für Argentiniens Präsidenten ab"
- spiegel.de: "Der unberechenbare Gast" (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa