"Wichtigste Übung seit 40 Jahren" Nato führt Abschreckungsmanöver in Norwegen durch
Verteidigungsminister Pistorius besucht das Nato-Manöver am Polarkreis. Dabei stellt er eine engere Zusammenarbeit mit den nordischen Bündnispartnern in Aussicht.
Deutschland baut die militärische Zusammenarbeit mit Norwegen und den neuen Nato-Partnern Finnland und Schweden vor dem Hintergrund russischer Drohungen aus. "Wir wollen hier im hohen Norden – in the High North – einfach noch präsenter sein", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Donnerstag südlich der Stadt Alta, das am nördlichen Polarkreis liegt. Dort laufen seit Mitternacht die Hauptübungen des Manövers "Nordic Response 2024" mit einem simulierten Gegenangriff.
Der SPD-Politiker nannte eine verstärkte Beteiligung an Übungen sowie eine gemeinsame Beschaffung wie bei U-Booten und der Arbeit an der Fregatte 127. Zu dem Manöver sagte er: "Es ist die größte und wichtigste Übung in der Nato seit mindestens 40 Jahren."
20.000 Soldaten aus 13 Nationen
Sein norwegischer Amtskollege Bjørn Arild Gram betonte die Bedeutung einer gemeinsamen Abschreckung. "Wir treffen uns in einer sehr ernsten Sicherheitslage hier in Alta im hohen Norden. In diesen Zeiten ist es wichtig, Freunde, Alliierte und Partner zu haben." Bei der Übung gehe es darum, die Fähigkeit zum gemeinsam geführten Kampf und der Zusammenarbeit auszubauen. Diese Zusammenarbeit reiche bis hin zu Rüstungskooperationen.
Mit der Großübung trainieren Nato-Partner im Norden Europas seit Mitternacht die Abwehr eines Angriffs auf das Bündnisgebiet. Bei dem Manöver sind nach norwegischen Militärangaben etwa 20.000 Soldaten aus 13 verbündeten Nationen dabei. Darunter sind auch Finnland und Schweden, die sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine für einen Beitritt zum Bündnis entschlossen haben.
Die Soldaten sollten am Donnerstag vom Raum Alta aus südlich gelegene Gebiete, die in diesem Szenario bereits von einem Gegner besetzt wurden, mit einem Gegenangriff einnehmen. Die Nato-Staaten fahren ein breites Spektrum von Waffensystemen auf, darunter 100 Flugzeuge sowie Kräfte der Seestreitkräfte mit Fregatten und U-Booten.
Auch 1.500 Männer und Frauen der deutschen Streitkräfte, darunter 700 Gebirgsjäger, sind daran beteiligt. Die Bundeswehr will mit dieser Übung weitere praktische Erfahrungen unter den arktischen klimatischen Bedingungen sammeln.
Pistorius hatte am Vortag eine Station des norwegischen Militärs an der Grenze zu Russland besucht und dabei ein verstärktes Engagement der Bundeswehr im hohen Norden angeboten, auch wenn die Welt derzeit vor allem auf die Ukraine und den Nahen Osten schaue.
Pistorius: "Im Nordmeer laufen die Fäden zusammen"
"Klar wird eigentlich, dass hier in der Arktis, im Nordmeer, die Fäden, wenn man so will, zusammenlaufen", sagte Pistorius an der norwegischen Grenzstation Pasvik. Ein wesentlicher Teil der militärischen Macht Russlands sei im Norden versammelt. Pistorius sagte, hier gehe der Verkehr durch, "hier kreuzen die U-Boote. Hier kommt vieles zusammen, wovon wir in Mitteleuropa nur wenig mitbekommen."
Norwegen grenzt im hohen Norden auf 198 Kilometern Länge an Russland. Von Pasvik aus ist die nächste große Stadt auf russischer Seite Murmansk, die mit ihrem Umland an der Barentssee Heimat der für Russland strategisch wichtigen Nordflotte ist. Zu dieser gehören Atom-U-Boote der russischen Streitkräfte. Die ganze Region liegt nördlich des Polarkreises.
Russland wirft Nato Destabilisierung der Weltlage vor
Russland äußerte harte Kritik am Manöver. Bei den Übungen der Streitkräfte der Nato-Staaten werde ein Szenario einer bewaffneten Konfrontation mit Russland durchgespielt, sagte der Sekretär des russischen nationalen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, am Donnerstag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. "Zweifellos verschärft das die Spannungen und destabilisiert das die Lage in der Welt."
Eigenen Angaben zufolge hat Moskau seine Truppenpräsenz im Norden und Nordwesten des Landes verstärkt. Dies sei eine Reaktion auf die Ausweitung des Militärpotenzials der Nato nahe der russischen Grenze, sagte Verteidigungsminister Sergei Schoigu am Mittwoch vor führenden Generälen. Er bezog sich auf Finnlands und Schwedens Beitritt zur Nato. Einzelheiten zum russischen Truppenaufbau nannte Schoigu nicht. Finnland und Schweden – beides traditionell neutrale Staaten – hatten nach Russlands Einmarsch in die Ukraine die Aufnahme in die Nato beantragt.
- Newsblog zum Krieg in der Ukraine: Russland bereitet sich offenbar auf Nato-Konfrontation vor
Schweden ist der Nato am Donnerstag offiziell beigetreten, nachdem Ungarn als letzter Mitgliedsstaat seinen Ratifizierungsbeschluss eingereicht hatte. Der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson und Außenminister Tobias Billström sind in die US-Hauptstadt Washington, D.C. gereist. Dort sollte die Aufnahme Schwedens in das Militärbündnis offiziell vollzogen werden.
Die Nato reagiert mit einer ganzen Übungsserie mit dem Namen "Steadfast Defender" (auf Deutsch: "Standhafter Verteidiger"), zu dem auch "Nordic Response 2024" gehört, auf die neue sicherheitspolitische Lage. Im Bündnis werden rund 90.000 Soldaten mobilisiert.
- Nachrichtenagenturen dpa und Reuters