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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kamala Harris riskante Strategie "Sie hat das Problem eingestanden"
Im Wahlkampf-Endspurt verfolgt das Thema Migration Kamala Harris – zuletzt auch im Fox-News-Interview. Ein Experte erklärt, welche Strategie die Vizepräsidentin verfolgt.
Das Thema Migration ist womöglich die größte Schwachstelle im Wahlkampf von Kamala Harris. Viele Wähler verbinden die Probleme mit der Migration direkt mit der Demokratin. Mit dem Interview bei Fox News hat sie sich nun direkt in die Höhle des Löwen begeben: Denn dass Moderator Baier insbesondere die Migration in den Fokus rücken würde, galt bereits zuvor als ausgemacht.
Doch Harris scheint eine Strategie für den Umgang mit dem Thema gefunden zu haben. Sie setzte sich zur Wehr: Harris erklärte, sie sei "fokussiert darauf, das Problem zu lösen". Auch ihre Angriffe auf Donald Trump könnten verfangen. Immer wieder kritisierte sie den Ex-Präsidenten, der einen Migrationsdeal zwischen Republikanern und Demokraten verhindert hatte.
Experte: Das ist Harris' Hauptziel
Eine gute Strategie? "Es war die einzige", erklärt Kampagnen- und Strategieberater Julius van de Laar t-online. Harris sei in das Fox-Interview gegangen mit einer Hauptaufgabe: "Es ging ihr darum, die Wähler abzuholen, die sich als Republikaner sehen, aber etwas anderes wollen als Donald Trump."
Zur Person
Julius van de Laar ist Kampagnen- und Strategieberater. 2012 war er für die Wählermobilisierung für Barack Obama im Swing State Ohio zuständig. Bereits 2007 und 2008 war van de Laar in Obamas Präsidentschaftskampagne aktiv. Er hält Seminare und Vorträge zu Wahlkampfstrategien und politischer Kommunikation.
Harris habe sich bei Fox News in ein Interview begeben, von dem sie wusste, dass es hart werden könnte. "Sie ist das Risiko eingegangen, beim Thema Migration von Bret Baier gegrillt zu werden, um dieser Wählergruppe sagen zu können: 'Ich bin die Problemlöserin, er der unzurechnungsfähige Egomane. Trump hat kein Interesse daran, Probleme zu lösen.'"
Diese Hauptbotschaft habe Harris immer und immer wieder in ihre Antworten eingeflochten. Bei der Fox-Konkurrenz auf CNN analysierte Medienexperte Brian Stelter nach dem Interview, Harris habe eine "Google-Strategie" angewandt: "Sie wollte, dass die Zuschauer nach den Dingen suchen, die sie gesagt hat. Deshalb hat sie viele Punkte angesprochen, die selten bei Fox News zu hören sind."
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"Harris hat das Problem eingestanden"
Dass Baier Harris mit dem Thema Migration konfrontierte, ist für van de Laar wenig überraschend. "Das ist ein ganz zentrales Thema für den Sender. Baier hat seine Fragen auch sehr aggressiv gestellt, Harris immer wieder unterbrochen."
Viele Amerikaner verbinden die Migrationsprobleme direkt mit der Vizepräsidentin. Harris könne das Problem nicht wegleugnen, so van de Laar. "Harris hat das Problem eingestanden und anschließend ihre Position klargemacht. Denn das ist nun mal die Realität: Im Land befinden sich Millionen illegaler Einwanderer, und Amerikaner sind durch Gewalttaten illegaler Migranten gestorben." Nach Angaben der Friedrich-Ebert-Stiftung liegt die Zahl der illegal Eingewanderten in den USA inzwischen zwischen 11,5 und 12 Millionen.
Dass Harris im Fox-Interview immer wieder auf ihre Karriere als Staatsanwältin in Kalifornien verwies, sei Teil ihrer Strategie – zu der auch gehört, dass sie ihren als liberal geltenden Heimatstaat in diesem Zusammenhang nicht nennt. "Sie bezeichnet sich immer wieder als 'Strafverfolgerin in einem Grenzstaat'", analysiert van de Laar. "Das Ziel ist hier, als die harte Staatsanwältin gesehen zu werden, die bereits vor ihrer Zeit in der Politik hart gegen Kartelle vorgegangen ist."
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Moderator: "Das ist ihr wahrscheinlich gelungen"
Mit dem Auftritt bei Fox, erklärt van de Laar, zeige Harris auch, dass sie vor harten Interviews nicht zurückschreckt. "Das würde sie aber nicht tun, wenn sie nicht glauben würde, dass sie das braucht, um zu gewinnen. Dieses Interview war für sie mit vielen Risiken behaftet."
Hat Harris ihr Hauptziel, Trump-Kritik beim konservativen Sender Fox News zu platzieren, erreicht? Möglicherweise, meint Bret Baier. Der Fox-Moderator, der das Interview führte, analysierte kurz nach seinem Gespräch mit Harris in seiner Sendung: "Sie kam zu Fox News. Sie wollte einen Anti-Trump-Moment, der dann auch bei anderen Medien und in den sozialen Medien viral geht. Das ist ihr wahrscheinlich gelungen." Tatsächlich hat unter anderem CNN Harris' Fox-Interview aufgegriffen – und titelt: "Kamala Harris stellt sich Fox News in hitzigem Interview."
- Interview mit Julius van de Laar
- Eigene Recherche