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US-Wahl: Kamala Harris oder Donald Trump? China schwenkt um


Kamala Harris oder Donald Trump?
China schwenkt um


20.08.2024Lesedauer: 7 Min.
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Kamala Harris oder Donald Trump: Der chinesische Präsident Xi Jinping hat bislang vor allem Kontakte in das Trump-Lager knüpfen lassen.Vergrößern des Bildes
Kamala Harris oder Donald Trump: Der chinesische Präsident Xi Jinping hat bislang vor allem Kontakte in das Trump-Lager knüpfen lassen. (Quelle: Zuma Press, Eileen Meslar, Archie Carpenter/imago-images-bilder)

Die Beziehungen zwischen China und den USA sind angespannt und Peking bereitet sich auf einen Machtwechsel in Washington vor. Kamala Harris oder Donald Trump: Wen möchte Xi Jinping im Weißen Haus sehen?

Es ist ein Foto, das in den vergangenen Wochen besonders in China rasant an Bedeutung gewonnen hat: Im November 2022 traf die US-Vizepräsidentin Kamala Harris bei der "Leaderhip Conference" im thailändischen Bangkok den chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Es ist bis heute das einzige Treffen der beiden. Harris selbst besuchte China bislang nicht. Die US-Beziehungen zur Volksrepublik schienen auch nie wirklich ein Schwerpunkt ihrer politischen Agenda zu sein. Doch seit einigen Wochen ist die 59-Jährige nun Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, könnte die US-Wahl im November gewinnen.

Chinesische Regierungsvertreter und Analysten versuchen nun, Harris‘ bisherige Bilanz nach Hinweisen auf ihre künftige Politik zu durchleuchten. Bei ihrem Treffen in Thailand sprachen die Vizepräsidentin und der chinesische Staatschef darüber, wie sie den Wettbewerb zwischen China und den USA verantwortungsvoll gestalten können. Danach besuchte Harris die Philippinen und sagte auf einem Schiff der Küstenwache: "Wir werden unsere Verbündeten und Partner weiterhin gegen rechtswidriges und unverantwortliches Verhalten mobilisieren." Eine eindeutige Kritik an der aggressiven chinesischen Expansionspolitik im Südchinesischen Meer.

Derartige Aussagen aus den USA waren nicht neu, aber in Peking rufen sie immer wieder Verärgerung hervor. Unter dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump begannen die Vereinigten Staaten, China strategisch als Bedrohung, als "revisionistische Macht" und vor allem als Rivalen zu begreifen. US-Präsident Joe Biden hatte zwar einen anderen diplomatischen Stil als sein Vorgänger, aber er hat den Wandel in den amerikanisch-chinesischen Beziehungen noch verstärkt. Auch unter Biden gab es Zölle und Sanktionen gegen China und von Harris erwartet die chinesische Führung keinen Kurswechsel.

In China ist demnach die Hoffnung gering, dass sich die Beziehungen zu den USA unter Trump oder Harris entspannen könnten – ein Dilemma für Xi Jinping. Der Republikaner steht vor allem für politische Attribute, vor denen man sich in Peking fürchtet: Unberechenbarkeit, Chaos und Impulsivität. Trotzdem scheint China aus unterschiedlichen strategischen Erwägungen immer mehr einen Wahlsieg Trumps zu favorisieren. Diese Entwicklung ist durchaus neu.

Trump provozierte Chaos

Offiziell möchte die chinesische Führung sich nicht in die inneren Angelegenheiten der USA einmischen. Xi Jinping handelt nicht wie sein "strategischer Partner" Wladimir Putin, der auch offiziell Trump zum Beispiel als Hoffnung für Frieden in der Ukraine inszeniert. Aus dem chinesischen Außenministerium hieß es dazu in einem Pressegespräch: "Die Präsidentschaftswahlen sind Angelegenheiten der Vereinigten Staaten. Wir haben dazu keinen Kommentar."

Doch die zurückhaltenden Töne aus Peking bedeuten nicht, dass China keine strategischen Interessen hat. Xi Jinping möchte sein Land bis zum Jahr 2049 zur weltweit dominierenden Supermacht machen. Dafür muss er an der aktuell dominierenden Supermacht – den USA – vorbei und es ist dementsprechend für ihn bedeutsam, wer in den nächsten Jahren im Weißen Haus sitzt.

Doch Xi Jinpings Ziele sind längerfristig angelegt. Die chinesische Führung betreibt zwar in ihrer geografischen Nachbarschaft eine aggressive Machtpolitik, aber sie ist auch stets darum bemüht, politische und militärische Risiken zu vermeiden. Wladimir Putin, der sein Land seit zweieinhalb Jahren in der Ukraine in einen Krieg verrannt hat, der immer teurer wird und der Russland vom Westen entkoppelt hat, ist für China durchaus eine Schreckensvision.

Trump als Risiko?

Denn eine tragende Säule des chinesischen Aufstieges der vergangenen drei Jahrzehnte war die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Westen. Und auch aktuell möchte China in einer wirtschaftlichen Schwächephase größere Konflikte mit den USA und Europa eigentlich vermeiden.

Dementsprechend ist der ehemalige US-Präsident Donald Trump für China im Grunde genommen ein rotes Tuch. In seiner ersten Amtszeit hatte er nicht nur den Handelskrieg mit der Volksrepublik begonnen, sondern er wollte Peking auch die in der Corona-Krise entstandenen Schäden in Rechnung stellen. Das tat er vor allem, um von seinen eigenen Fehlern bei der Reaktion auf den Beginn der Pandemie abzulenken.

Aber China kostet das Nerven und in Peking favorisiert man in der Diplomatie der Großmächte ohnehin eher die leisen Töne. Der polternde Trump ist für Xi ein Risiko, das für ihn nicht planbar ist. So drohte der Republikaner in seiner ersten Amtszeit Chinas Nachbarland Nordkorea mit "Feuer und Wut" und ließ Angriffspläne auf ein Land prüfen, das offenbar über Atomsprengköpfe verfügt. Für China wäre das ein immenses Sicherheitsrisiko gewesen, zumal die Volksrepublik noch immer die Schutzmacht der nordkoreanischen Kim-Diktatur ist.

Chinesische Medien schießen gegen Harris

Noch vor wenigen Monaten lag für viele Analysten der chinesischen Politik eines auf der Hand: Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus wäre ein Alptraum für Xi. Joe Biden war zwar der erste Präsident seit Jimmy Carter, der die Volksrepublik in seiner Amtszeit nicht persönlich besucht hat – und das wird ihm von Teilen der chinesischen Politik als respektlos ausgelegt. Aber Biden betont immer wieder, dass er mit keinem anderen Staatsoberhaupt so viel Zeit verbracht habe wie mit Xi Jinping. Über 90 Stunden sollen beide bislang gesprochen haben.

Xi und Biden waren sich der gegenseitigen Rivalität ihrer Länder bewusst, hatten aber versucht, verantwortungsvolle Wege zu suchen, um damit umzugehen. Als sich beide etwa im November 2023 in San Francisco persönlich trafen, beschlossen sie, die Kommunikation ihrer Militärs wieder aufzunehmen, um "Missverständnisse" und "Unfälle" zu vermeiden, wie Xi danach betonte. Biden kennt durch seine langjährige Erfahrung China und China kennt Biden. Trotz aller politischer Konflikte zwischen den beiden Supermächten ist das zumindest ein Fundament für eine Zusammenarbeit.

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Deswegen sind Experten überrascht, dass China Harris relativ kritisch gegenübersteht, obwohl die Vizepräsidentin für die Fortsetzung des Biden-Kurses steht.

China tut sich schwer mit Harris. Das zeigt sich besonders in der Berichterstattung der chinesischen Staatsmedien. Die chinesische "Global Times" attestierte Harris zuletzt eine "mittelmäßige" Regierungsarbeit und zitierte Experten, die behaupteten, dass es der Vizepräsidentin an Erfahrung und Leistungen fehle, um als "Präsidentin zu dienen". Außerdem sei sie bei der US-Wahl leichter zu schlagen als Biden.

Auch in den chinesischen sozialen Medien wird Harris vor allem als schwach dargestellt und als "weiblicher Obama" auf ihre Hautfarbe reduziert. In einer Umfrage mit über 12.000 Teilnehmern auf Chinas X-ähnlicher Plattform Weibo sagten 80 Prozent der Befragten, dass Trump die Wahl gewinnen werde.

Auch wenn sich die chinesische Führung in der US-Präsidentschaftswahl nicht öffentlich positioniert, ist es als ein klares Zeichen zu werten, dass die chinesische Zensur die Meinungsbildung pro Trump im Informationsraum zulässt. Es wird also keine Stimmung gegen den Republikaner gemacht.

Viele Gründe für China, Trump zu favorisieren

Das könnte zahlreiche Gründe haben. Aus chinesischer Perspektive erscheint eine Annäherung an die Vereinigten Staaten nicht sonderlich realistisch, unabhängig davon, wer die US-Wahl gewinnt. Republikaner und Demokraten überbieten sich im Wahlkampf damit, wer mehr Härte gegenüber China demonstrieren kann. Xi könnte aber aus unterschiedlichen Erwägungen nun auf einen Sieg Trumps setzen:

  • Kein Wandel durch Harris: In China herrscht durchaus Frust, da sich die Beziehungen zu den USA auch unter Biden verschlechtert haben. In der China-Politik herrscht zwischen Republikanern und Demokraten eine bemerkenswerte Kontinuität. Die Biden-Regierung behielt die wichtigsten Trump-Zölle gegen China bei, sie verhängte Sanktionen gegen chinesische Regierungsvertreter wegen Menschenrechtsverletzungen, bestrafte chinesische Unternehmen für ihre Unterstützung der russischen Kriegsmaschinerie und versuchte, den Chinesen den Zugang zu Spitzentechnologien, darunter wichtigen Mikrochips, zu verwehren.
  • US-Bündnis gegen China: Im Gegensatz zu Trump konnte Biden allerdings im Indopazifik seine Bündnisse gegen China ausbauen. In seiner Präsidentschaft vertieften die Amerikaner etwa ihre sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Australien, Japan, Südkorea, Vietnam, Indien und den Philippinen. China ist zunehmend isoliert. Harris würde diesen Kurs fortsetzen, Trump dagegen setzt auf "America First". Seine Rückkehr würde nicht nur die US-Bündnisse in Asien belasten, sondern auch die Zusammenarbeit in der Nato. Davon würde China profitieren.
  • Streit um Taiwan: Besonderes Augenmerk legt Peking auf die Taiwan-Frage. Während Harris auf die Kontinuität der US-Unterstützung der von China bedrohten Insel setzt, stellte Trump diese bereits infrage. "Ich denke, Taiwan sollte uns für die Verteidigung bezahlen. Wir sind nichts anderes als eine Versicherungsgesellschaft. Taiwan gibt uns nichts", sagte der ehemalige Präsident dem Magazin "Bloomberg Businessweek" im Juli. Das schürt Ängste, nicht nur in Taiwan.
  • Persönliche Beziehung: Im selben Interview nannte Trump den chinesischen Präsidenten einen "sehr, sehr guten Freund". Trotz der Konflikte während Trumps erster Amtszeit ist das nicht wirklich eine Überraschung: Die chinesische Führung hat sich früh im US-Wahlkampf um Kontakte zu Trumps Team und den Republikanern bemüht. Auf den 78-Jährigen konnte sich die chinesische Führung bereits vorbereiten, während bei Harris diese Prozesse erst beginnen.
  • Ablenkung der USA: Peking sieht aktuell in dem Krieg in Nahost und in der Ukraine auch einen strategischen Nutzen. Diese Konflikte lenken die USA von ihrer Rivalität zu China ab. Trump könnte bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus nicht nur die US-Bündnisse erschüttern, sondern auch in den Vereinigten Staaten innenpolitisches Chaos hervorrufen. Auch das wäre aus chinesischer Perspektive eine Chance, damit die Amerikaner den Fokus im amerikanisch-chinesischen Konflikt verlieren.
  • Menschenrechte: Harris' frühere Äußerungen und ihr Abstimmungsverhalten als Senatorin deuten auch auf ihre Besorgnis über Cyberdiebstahl durch China und chinesische Menschenrechtsverletzungen hin. Die Demokratin kritisierte etwa den chinesischen Umgang mit den Uiguren. Trumps Fokus dagegen liegt vor allem auf dem Handels. Auch wenn der Republikaner bereits seinen Wählern Zölle von 60 Prozent auf alle chinesischen Exporte versprach, könnte das Verhandlungstaktik sein – auf der Suche nach einem guten Deal für die USA.

Das alles sind strategische Argumente dafür, dass die chinesischen Vorbehalte gegenüber Trump mehr und mehr in den Hintergrund rücken. Letztlich könnte die Führung in Peking glauben, vier weitere Jahre mit dem Republikaner schon irgendwie überstehen zu können. Für Harris sind dagegen noch zwei Amtszeiten und damit acht Jahre im Weißen Haus möglich.

Doch eines ist klar: Für China geht es vor allem um Schadensbegrenzung. Wu Xinbo , Dekan des Instituts für Internationale Studien an der Universität Fudan in Shanghai, sagte dem "Wall Street Journal": "Die chinesische Seite wird sich keine großen Hoffnungen auf eine positive Wende in der China-Politik der USA machen, egal wer Präsident wird."

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