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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Historisches Urteil gegen Trump "Schuldig. Schuldig. Schuldig."
Die Jury ist sich im Strafverfahren gegen Donald Trump am Ende überraschend schnell einig geworden. Damit geht erstmals ein verurteilter Straftäter ins Rennen um die kommende US-Präsidentschaft.
Bastian Brauns berichtet aus New York
Um 16.13 Uhr Ortszeit sitzt Donald Trump in seinem abgewetzten Sessel im Gerichtssaal in Manhattan und lacht. Er lehnt sich, wie so oft in den vergangenen sieben Wochen, zu seinem Verteidiger Todd Blanche. Beide scheinen bester Laune zu sein. Den ganzen Tag über schien es so, als würde es kein Urteil geben. Gleich könnte Trump nach Hause gehen.
Hier können Sie Trumps erste Worte nach dem Urteil hören – und welche Drohung er ausspricht.
Dann sagt der Vorsitzende Richter Juan Merchan, es gebe eine Notiz von der Jury. Die anwesenden Reporter vermuten, es gehe wieder um Rückfragen zu bestimmten Prozessaussagen, die die Geschworenen zu ihrer Urteilsfindung anfordern und erneut sichten können. "Um 16.30 Uhr werde ich die Geschworenen entlassen", sagt Merchan und verlässt den Raum. Nur noch wenige Reporter sitzen im Gericht.
25 Minuten später, um 16.38 Uhr, tritt Juan Merchan erneut in den Saal. "Ich entschuldige mich für die Verspätung", sagt er. Merchan ist höflich, er wirkt gefasst. So war das in den vergangenen Wochen fast immer. Doch dann folgt ein Satz, mit dem kaum einer mehr an diesem Tag gerechnet hat. "We have a verdict" ("Wir haben ein Urteil").
Ein Raunen geht durch den Saal. Die Reporter werden plötzlich hektisch, holen ihre zusammengeklappten Laptops eilig wieder aus den Taschen. Die Nachrichtenagenturen verschicken erste Eilmeldungen. Juan Merchan sagt, das Urteil müsse erst noch verschriftlicht werden, bevor es vorgetragen werde. Im Gerichtssaal wird nun nicht mehr gelacht. Donald Trump sitzt mit verschränkten Armen da. Seine Miene wirkt versteinert.
Trump: Der erste verurteilte Ex-Präsident
Um 17.08 Uhr fällt das öffentliche Urteil. Eine Gerichtsmitarbeiterin geht mit dem Vorsitzenden der Jury alle 34 Anklagepunkte durch. "Count one?", fragt sie. Der Sprecher sagt: "Guilty". Schuldig. "Count two?", "Guilty." Schuldig. Bis am Ende klar ist: Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika wurde ein ehemaliger US-Präsident nicht nur wegen einer Straftat angeklagt, sondern auch verurteilt. Und zwar in allen 34 Anklagepunkten.
- Kommentar zum Trump-Urteil: Jetzt kann es richtig gefährlich werden
Donald Trump ist schuldig, nicht nur Geschäftsunterlagen gefälscht zu haben, sondern auch gegen die Wahlgesetze des Staates New York und der Vereinigten Staaten verstoßen zu haben. Dass er im Zuge dessen auch Steuerbetrug begangen hat, wirkt da fast schon nebensächlich.
Die New Yorker strömen zum Gericht
Bei der Verkündung des Urteils ist Donald Trumps Gesicht nicht zu sehen. Die Reporter im Gerichtssaal sitzen hinter ihm, und in dem Raum, wo sonst auf Bildschirmen sein Mienenspiel in allen Details übertragen wird, kappen die Gerichtsangestellten kurzzeitig die Leitungen, weil der Bundesstaat New York die Persönlichkeitsrechte der Angeklagten schützt.
In vielen anderen Bundesstaaten werden die Verfahren sogar live im Fernsehen übertragen. Die Zuschauer können Mördern, Terroristen und anderen Kriminellen unentwegt ins Gesicht blicken – auch bei der Urteilsverkündung. Viele Täter brechen dann zusammen oder in Tränen aus.
Als die Bildschirme wieder anspringen, wirkt Donald Trump zumindest geschlaucht. Sein Anwalt Todd Blanche ist ernüchtert. Nicht nur die beiden, auch einige Experten im Land haben mit einem anderen Urteil in diesem historischen Strafprozess gerechnet. Wenn nur ein Geschworener anderer Meinung gewesen wäre, hätte es wegen einer blockierten Jury kein Urteil geben können. Dann wäre der Prozess gescheitert.
Vor dem Gericht war es in den vergangenen Wochen seit April meistens ziemlich ruhig geblieben. Vor allem fanatische Trump-Fans tauchten hier mit ihren roten MAGA-Schirmmützen auf dem Kopf auf. Sie hielten großen Banner, Flaggen und Schilder hoch, auf denen martialische Sätze zu lesen waren wie "Trump oder Tod". Wut zeichnete ihre Gesichter. Nur vereinzelte Trump-Gegner suchten den Weg in den Süden von Manhattan zum Gerichtsgebäude, um ihrem Unmut kundzutun.
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Nicht an diesem Abend. Der Platz vor dem Gericht ist gefüllt mit Menschen, die sich bis an den Zaun des Geländes drängen. Es sind die Bürger New Yorks, die diesen historischen Moment miterleben wollen. Sie rufen: "Gulity. Guilty. Guilty". "Schuldig. Schuldig. Schuldig." Ihre Gesichter wirken glücklich. Am Himmel kreist ein Helikopter. Die New Yorker Polizisten hatten bereits am Vorabend weitere Barrikaden aufgebaut, um mögliche Proteste besser kontrollieren zu können.
Mit einem "Freeze", also einer Totalblockade der Straße, halten sie den Verkehr und die Passanten auf. Das geschieht, weil Donald Trump das Gerichtsgebäude gerade verlässt. Eine Vorsichtsmaßnahme des Secret Service, der für die Sicherheit auch des ehemaligen Präsidenten ein Leben lang zuständig ist, sogar, wenn er ins Gefängnis kommen sollte.
Ein verurteilter Straftäter tritt als Präsidentschaftsbewerber an
Vier Jahre Haft könnten Donald Trump mit diesem Urteil maximal drohen. Der Secret Service müsste dann mit ins Gefängnis einziehen. Ob es dazu kommt, ist offen. Der laut "Forbes"-Magazin mehrfache Milliardär wurde zwar bereits einige Male schuldig gesprochen, aber nur in Zivilverfahren. Die jetzige Verurteilung ist seine erste in einem Strafverfahren. Die Strafe könnte also durchaus zur Bewährung ausgelegt werden. In wenigen Wochen soll das Strafmaß verkündet werden.
Noch bevor es dazu kommen wird, findet Ende Juni in Atlanta die erste Präsidentschaftsdebatte zwischen Donald Trump und Joe Biden statt. Denn Donald Trump kann noch immer US-Präsident werden. In den USA gibt es kein Gesetz, das besagt, ein verurteilter Straftäter dürfe nicht antreten. Trotzdem wird das Urteil von Manhattan ab sofort den Wahlkampf anheizen. Beide Lager, Demokraten und Republikaner, werfen sich bereits seit Wochen vor, den Prozess politisch zu instrumentalisieren.
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Doch die Debatte über Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten könnte nun auch innerhalb der Republikanischen Partei angefacht werden. Es gibt Umfragen, nach denen insbesondere die unentschiedenen Wähler Trump im Falle einer Verurteilung der insgesamt vier laufenden Strafverfahren nicht wiederwählen wollen.
Eine Erkenntnis könnte sich mit diesem Urteil außerdem durchsetzen: Möglicherweise schaffte es Trump im Jahr 2016 nur mithilfe dieser Straftat, mit der unliebsame Informationen auf illegale Weise vor der Öffentlichkeit verborgen wurden, ins Weiße Haus. Die Bürger Amerikas könnten sich auch acht Jahre später noch betrogen fühlen. Und die Chancen auf die Macht könnten für die Republikaner schwinden.
Sorge vor politischer Eskalation
Trump setzt allerdings weiterhin auf Sieg. Kaum war das Urteil verkündet, erhob sich der 77-Jährige und ging in den Flur im 15. Stock des Gerichtsgebäudes. Dort stand er in den vergangenen Wochen immer, wenn er in den Prozesspausen etwas zu verkünden hatte.
Viel Neues fiel ihm diesmal allerdings nicht ein. Er wiederholte lediglich seine wütenden Anschuldigungen gegen den angeblich korrupten Richter und das unfaire Verfahren, das er konsequent als "Hexenjagd" oder "Biden-Verfahren" bezeichnet. Die "wahre Entscheidung", sagte Trump, werde am 5. November dieses Jahres gefällt. Dann, wenn die Amerikaner über ihn und Joe Biden bei der Präsidentschaftswahl abstimmen.
Als er am Abend nach dem Urteil am Trump Tower an der Fifth Avenue ankommt, dem Hauptsitz seiner Trump-Organisation, reckt er die rechte Faust in die Höhe. Er gibt sich kämpferisch. Und wer Donald Trump kennt, weiß, dass das nicht nur Show ist. Wenn eines sicher ist, dann, dass er weitermachen wird. Jetzt erst recht.
- Eigene Beobachtungen vor Ort