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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trumps Wahlkampfmaschine "Genug ist genug"
Im Wahlkampf von New Hampshire zeigt sich eine alte Stärke Trumps. Er bringt die einfachen Leute dazu, alles für ihn zu geben. Ein Besuch in seinem Hauptquartier.
Bastian Brauns berichtet aus Manchester, New Hampshire
Dreimal hintereinander tutet es im Telefon. Dann meldet sich eine männliche Stimme. Sie soll Brian Chase Prescott* gehören, 41 Jahre alt, Republikaner, wohnhaft in New Hampshire. Das zumindest zeigt die intern genutzte Wahlkampf-App "Campaign Sidekick" von Trumps Republikanern an. Die Stimme sagt: "Wenn das ein weiterer Scheißanruf von euch Freiwilligen ist, dann legt ihr verdammt noch mal sofort wieder auf!" Dann beendet ein Piepen diese automatisierte Mailbox-Ansage.
Brian Chase Prescott hat sich vorbereitet auf die Welle von Anrufen, die heute aus dem Hauptquartier von Donald Trumps Wahlkampfteam in der Lincoln Street 326 in Manchester über ihn hereinbrechen wird. Jugendliche, Familienväter, Rentnerinnen und Rentner sitzen hier an Tischen, starren auf ihre Smartphones, Tablets und Laptops. Sie wollen ihren Beitrag zum Sieg ihres Idols leisten. Einige tragen unter ihren roten Trump-Mützen Headsets oder Kopfhörer. Andere haben ihre Lautsprecher an. Ein Mann bringt Dunkin Donuts und Kaffee für alle.
Ohne Unterbrechung grast der "Campaign Sidekick"-Algorithmus die gesammelten Telefondaten und die Parteizugehörigkeiten von Hunderttausenden Menschen aus New Hampshire ab. Tuuuut. Tuuuut. Schallt es durch den Raum. "Hallo, hier ist Dylan* von der Trump-Kampagne", sagt ein Mann, der bisher für das Team von Vivek Ramaswamy gearbeitet hat. "Vergessen Sie auch nicht, morgen abzustimmen? Sie stimmen für Donald Trump? Ja? Dann danke ich Ihnen für die langjährige Unterstützung. Haben Sie noch einen schönen Tag." Tuuuut. Tuuuut. "Hallo, hier ist Mike* von Trumps Wahlkampfteam ..."
"Diese Anrufe sind wirklich wichtig"
Das Zentrum von Trumps MAGA-Bewegung ("Make America Great Again") in New Hampshire gleicht einem Callcenter, nur für Trump. An der Wand prangen Bilder von und künstlerische Versuche zu Trump. Auch das Motto des Bundesstaates New Hampshire, "Live Free or Die" (Lebe frei oder stirb), ist zu lesen. Hier kämpfen die sogenannten Volunteers 24 Stunden vor dem Ende um jede Stimme, obwohl der Sieg gegen Nikki Haley allen Umfragen zufolge bereits als sicher gilt. Aber das Signal, das Trump und sein Team aussenden wollen, soll Strahlkraft in die Nation und die ganze Welt haben.
Kein Zweifel soll mehr aufkommen: Er und niemand sonst wird wieder Präsident der Vereinigten Staaten werden. Gestern kam Trump persönlich vorbei. Weil er heute in New York vor Gericht wegen einer Verleumdungsklage der Frau erscheint, die er sexuell belästigt hat, will sein Sohn Donald Jr. die vielen Freiwilligen motivieren. Erinnerungsanrufe wie die in New Hampshire gehören schon lange zu amerikanischen Wahlkämpfen. Aber Trumps Team wirkt in diesen Tagen besonders motiviert. Der Abstand zu Nikki Haley soll so groß wie möglich ausfallen.
Eine Frau mit blonden Haaren steht auf und ruft in den Raum: "Wir wollen wirklich, dass jeder so viel wie möglich anruft. 'Campaign Sidekick' ist super-, supereinfach. Ladet euch die App aufs Smartphone und los geht's! Ich komme gerade aus Iowa und ich kann euch sagen: Diese Anrufe sind superwichtig!" Dann sagt sie: "Es ist doch so schön, Donald Trump zu zeigen, dass ihr hier seid und für ihn diese Anrufe macht. Wir müssen das wirklich machen. Donald Trump braucht eure Hilfe. Und ihr wisst, gleich kommt ein ganz besonderer Gast."
Die Massen mobilisieren
Doch ganz so einfach, wie sie sagt, ist es nicht. Ähnlich wie Brian Chase Prescott mit seiner Mailbox-Beschimpfung schützen sich viele Menschen aus New Hampshire vor den automatisierten Anrufen von Trumps Wahlkampf-App. Viele Versuche, eine Verbindung herzustellen, scheitern bereits, weil die Telefone der Wählerinnen und Wähler erkennen, dass die Anrufe von einer Software ausgespielt werden. Als der Algorithmus Marion F. Porter, 75, ohne Parteizugehörigkeit, anruft, erklingt eine Computerstimme: "Um sicherzustellen, dass Sie kein Roboter sind, geben Sie bitte die Zahl 7 ein." Innerhalb der App ist aber keine Zahleneingabe möglich.
Ein Anleiter von Trumps Team gibt Tipps: "Einfach sofort auflegen, wenn ihr eine Mailbox hört. Fangt bitte auch nicht an, zu diskutieren. Wenn irgendjemand sagt, er wählt Nikki Haley, wünscht ihr einen schönen Tag und legt auf. Dann ruft ihr den nächsten an. Wir dürfen keine Zeit verlieren." Es geht darum, zu mobilisieren, nicht zu überzeugen. Sollte jemand noch Fragen zu Trump haben, dürfen die aber gerne wohlwollend beantwortet werden.
Dazu liegen überall praktische Broschüren aus. Überschrieben sind sie mit den Worten: "Große Ideen, mutige Ambitionen und gewagte Träume für New Hampshires Zukunft". Demnach wird Trump unter anderem das Drogenabhängigkeitsproblem bekämpfen, die Grenze schließen und chronische Kinderkrankheiten beenden. Er wird Amerika wirtschaftlich unabhängig machen, die Sozialversicherungssysteme und die Krankenversicherung schützen. Dazu den Sumpf in Washington trockenlegen und die Erziehungsrechte den Eltern zurückgeben. Auf der Rückseite seine Wahlkampflosung steht: "Sie sind nicht hinter mir her. Sie sind hinter euch her ... Ich stehe ihnen nur im Weg."
An einer Wand hängt eine Tafel, auf der zu lesen ist: "Heutige Topanrufer". Am Ende jedes Tages wird der Sieger gekürt. Das fleißigste Freiwilligenteam hat 43.943 Anrufe an einem einzelnen Tag geschafft. In New Hampshire gibt es etwa 300.000 als Republikaner registrierte Wähler, etwa 300.000 Demokraten und rund 400.000, die keine Angaben zur Parteizugehörigkeit machen. Auch am Wahltag selbst werden diese Anrufe noch stattfinden. Dass das die Leute vergraulen kann, nimmt man als Kollateralschaden in Kauf. Weil alles per App geht, kann jeder von überall, auch von zu Hause aus, noch Menschen bei ihrer Entscheidung auf die Sprünge helfen.
Trumps Sohn warnt vor Faschismus der anderen
In der Lincoln Street 326 wird es enger. Immer mehr Menschen kommen in ihr "MAGA-Headquarter", eine Art Lagerhalle mitten im Industriegebiet. Gleich ist es so weit. Trumps Einpeitscher feuern die Menge wie im Stadion an und rufen die Schlachtrufe der Trump-Bewegung. Die Leute rufen sie nach. "USA, USA, USA", "Trump, Trump, Trump", "Never Nikki, Never Nikki" und "Drill, Baby, Drill" – ein alter konservativer Wahlspruch nach mehr Ölbohrungen, der noch von Sarah Palin und ihrer ultrakonservativen Tea-Party-Bewegung von 2008 stammt.
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Dann ist es so weit. Trumps Statthalter, Donald Jr., betritt den Raum und dankt den Freiwilligen. "Ich weiß, es nicht einfach, ein Konservativer zu sein. Und noch viel weniger einfach ist es, ein Trump-Konservativer zu sein", sagt er. Aber es brauche die "laute Mehrheit dieses Landes" jetzt ganz besonders. "Sie wollen meinen Vater für 1.000 Jahre ins Gefängnis werfen. Das sind die Leute, die jetzt am lautesten vor Faschismus warnen. Sie wollen ihren politischen Gegner für 1.000 Jahre wegsperren!" Den gewaltsamen Aufstand vom 6. Januar verharmlost er als eine Protestaktion von Unbewaffneten, die künstlich von Hunderten anwesenden FBI-Beamten angefacht worden sei.
Kurz geht er auf die Außenpolitik von Trump und dessen Haltung zur Nato ein. Sein Vater habe Deutschland damals nicht ohne Grund zur Rede gestellt. Merkels Politik sei gewesen: "Wir stärken Russland, indem wir seine Pipeline in unser Land lassen. Dann fragen wir nach noch mehr amerikanischen Steuergeldern, um uns gegen jenen Feind zu verteidigen, den wir gestärkt haben", meint Donald Trump Jr. Niemand außer seinem Vater habe sich damals getraut, das zu beenden. Aber jetzt sei wieder die Zeit zu sagen: "Genug ist genug!"
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Selfies statt "Sheraton"-Hotel
Die Bedeutung der MAGA-Bewegung betont er gezielt. "Wir haben keine Hollywood-Milliarden. Wir haben keine Tech-Milliarden. Wir haben kein Boosting durch die künstliche Intelligenz dieser Unternehmen. Wir haben nichts davon. Wir haben nur uns." Er könnte sich sein Leben als Sohn eines Milliardärs in New York deutlich leichter gestalten, sagt Donald Trump Jr. Stattdessen kämpfe auch er für die gemeinsame Sache. "Danke, Don!", ruft einer aus der Menge. Es ist eine Geschichte, die er auch ein wenig später wieder erzählt, als er auf einem Weingut vor betuchterem Publikum spricht.
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"Ich danke euch für eure harte Arbeit!", sagt Don Junior schließlich zu seinen Wahlkämpfern in der Zentrale. Als Dank gewährt er den Anwesenden eine schnelle Runde Selfies. Einige hier hoffen, auf die Siegesfeier am Abend im "Sheraton"-Hotel in Nashua eingeladen zu werden. Dorthin sind es nur 20 Autominuten. Doch nur wenige aus dem engeren Zirkel werden wohl kommen dürfen. Aber Trump-Schilder müssen noch aufgestellt werden. Schnell legen ein paar Freiwillige ihre Telefone ab und befestigen Plastikschilder auf Metallstangen, die auch gut in den Schnee gesteckt werden können.
Jetzt sind es noch zehn Stunden bis zum Wahltag. Eine Frau sucht eine Steckdose. Ihr Smartphone hat vor lauter Anrufen keinen Saft mehr. In der Ecke hinter ihr leuchtet ein Plastikweihnachtsbaum. Rote und weiße Kugeln, beschriftet mit MAGA und Trump, hängen daran. "Ich stecke den jetzt aus. Weihnachten ist eh vorbei", sagt sie und schließt ihr Telefon an. Es tutet wieder im Hauptquartier der Kampagne. Morgen soll Trump noch mal vorbeikommen.
*Namen aus Datenschutzgründen geändert
- Eigene Recherchen und Beobachtungen vor Ort