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USA – Donald Trumps Corona-Diagnose: "Das ist auch ein Test für Joe Biden"


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Trump mit Corona infiziert
Jetzt bloß keine Häme!

MeinungEin Kommentar von Sven Böll

Aktualisiert am 02.10.2020Lesedauer: 3 Min.
US-Präsident Donald Trump mit Maske: Seine Corona-Infektion ist auch ein Test für seinen Herausforderer Joe Biden, meint t-online-Redakteur Sven Böll.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump mit Maske: Seine Corona-Infektion ist auch ein Test für seinen Herausforderer Joe Biden, meint t-online-Redakteur Sven Böll. (Quelle: Carlos Barria/reuters)
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Donald Trump hat Corona. Die Erkrankung ist allerdings nicht nur ein Realitätstest für den US-Präsidenten, sondern auch für seine Gegner – und für uns alle.

Es war einer der Schlüsselsätze des Wahlkampfes vor vier Jahren: "When they go low, we go high", rief Michelle Obama den Delegierten des Parteitags der Demokraten zu. Und zwar in der Rede, in der sie Donald Trump unter anderem wegen seiner frauenfeindlichen Kommentare zu einer eigentlich unwählbaren Person erklärte.

Frei übersetzt heißt der Satz, der zu einer Art inoffiziellem Motto der damaligen Kampagne von Hillary Clinton wurde: Mögen die anderen sich auch danebenbenehmen, wir bleiben anständig.

Die Hoffnung von Michelle Obama, dass eine Mehrheit der Wähler es genauso oder zumindest ähnlich sieht, erfüllte sich: Clinton bekam bei der Wahl 2016 deutlich mehr Stimmen als Trump. Aber der Republikaner wurde angesichts des komplizierten Wahlrechts eben Präsident.

Trump will immer recht haben – und nie schuld sein

Was seit dem 20. Januar 2017 passierte, dürfte allerdings selbst die schlimmsten Befürchtungen der größten Pessimisten übertroffen haben: Trump beschädigte das, was gern als "Würde des Amtes" bezeichnet wird, vermutlich dauerhaft.

Unter anderem, weil er sich immer wieder als ein Meister im Leugnen und Beschwichtigen erweist. Und wenn seine Mitverantwortung für Probleme allzu offensichtlich ist, zeigt er auf andere und inszeniert sich als Opfer. Er will immer recht haben – und nie schuld sein.

Nicht viel anders verhält es sich bei der größten Herausforderung von Trumps Amtszeit: Corona.

Erst leugnete der Präsident, dass es sich um eine ernsthafte Krankheit handelt. Als die Pandemie in den USA außer Kontrolle geriet, beschwichtigte er, es werde schon bald ein Impfstoff kommen. Weil er qua Amt aber auch immer mit dafür verantwortlich ist, was in seinem Land passiert (oder eben nicht), spricht er eh lieber vom China-Virus. Das soll heißen: Ich guter Amerikaner bin's doch nicht, die bösen Chinesen sind's gewesen!

Keiner verbreitet mehr Falschinformationen als Trump

Leugnen, Beschwichtigen, auf andere zeigen. Da verwundert es kaum, dass eine Studie der Cornell University laut der Hauptautorin Sarah Evanega zu dem Ergebnis kam, dass Trump der größte Verbreiter von Desinformationen rund um das Coronavirus gewesen sei. Die Forscher hatten mehr als 38 Millionen englischsprachige Artikel analysiert. Und für rund 38 Prozent der Falschinformationen war demnach der US-Präsident verantwortlich.

Angesichts dieser grotesk anmutenden Gesamtsituation mag es eine nachvollziehbare Reaktion sein, wenn der eine oder die andere nun eine gewisse Schadenfreude empfindet.

Schließlich hat der Erst-Leugner und Dann-Beschwichtiger Trump mitgeteilt, dass seine Frau Melania und er positiv auf Covid-19 getestet wurden. Welche Konsequenzen dieses Ergebnis für den Präsidenten, den Wahlkampf und die US-Politik im Allgemeinen hat, ist noch nicht wirklich absehbar.

Wir sollten Trump einen symptomfreien Verlauf wünschen

Klar ist aber, dass die Wochen bis zur Wahl Anfang November ein Test für Trump werden – aber auch für seine Gegner. Und für uns alle. Die Tests können jeweils positiv oder negativ ausfallen.

Wir wissen nicht, welchen Verlauf die Erkrankung bei Trump nehmen wird. Wir wissen aber, dass der britische Premier Boris Johnson nach überstandener schwerer Infektion anders über Corona dachte als vorher. Trotzdem sollten wir alle Trump wünschen, dass er für ähnliche Erkenntnisse keinen vergleichbaren Verlauf braucht, sondern eine symptomfreie Erkrankung erlebt.

Trumps Diagnose ist auch ein Test für Joe Biden

So, wie wir es übrigens jedem Menschen wünschen sollten. Egal, ob Freund oder Feind. Ob Maskenträger oder Maskenmuffel. Ob selbstreflektiert oder unbelehrbar. Mögen die Impulse auch andere sein.

Wir sollten unsere guten Wünsche für Trump von heute selbst dann nicht revidieren, wenn das passiert, was angesichts der Erfahrungen der vergangenen Monate zumindest im Bereich des Möglichen liegt: Etwa, dass er einen symptomfreien Verlauf dahingehend interpretiert, dass Corona ja nicht mal eine richtige Grippe sei.

Wie Trump mit seiner Corona-Erkrankung genau umgeht – ob er demütiger wird oder noch aggressiver –, werden wir wohl erst in den nächsten Wochen erfahren. Was wir jetzt schon wissen ist, dass die Zeit bis zur Wahl auch ein Test für die Demokraten und ihren Präsidentschaftskandidaten Joe Biden wird. Biden hätte viele Gründe, Häme gegenüber Trump zu empfinden. Der Präsident verhöhnt ihn, wo er nur kann. Er hat sich immer wieder lustig gemacht, dass Biden ständig Maske trägt. Und er hat das TV-Duell in dieser Woche torpediert.

Doch Biden kann nun beweisen, dass es die amerikanische Politik mit Anstand und Stil immer noch gibt – egal, was auch passiert. Und das Motto von Michelle Obama von 2016 eben mehr denn je gilt. Auch wenn sie nach fast vier Jahren Trump inzwischen sagen müsste: Mögen die anderen sich auch noch viel schlimmer danebenbenehmen, als wir es uns jemals vorstellen konnten: Wir bleiben anständig.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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