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Fußballspiele trotz Corona-Krise? An der Bundesliga zerbricht die Einmütigkeit


Meinung
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Fußball in Corona-Zeiten
An der Bundesliga zerbricht die Einmütigkeit

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 27.04.2020Lesedauer: 4 Min.
Uli Hoeneß: Der Ehrenpräsident von Bayern München hält Fußball für "lebensnotwendig", voreilige Lockerungen in anderen Branchen kritisiert er hingegen. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Uli Hoeneß: Der Ehrenpräsident von Bayern München hält Fußball für "lebensnotwendig", voreilige Lockerungen in anderen Branchen kritisiert er hingegen. (Archivbild) (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)
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Die Bundesliga bekommt womöglich das Privileg, den Spielbetrieb aufzunehmen. Warum eigentlich? Die Debatte führt uns vor, was das Ende der großen Einmütigkeit in der Politik bedeutet.

Die Wochen der großen Einmütigkeit klingen ab. War die Bundeskanzlerin gerade noch umzingelt von Wohlmeinenden, die sie für ihre Umsicht und Entschlossenheit mit Lob überschütteten, lichten sich die Reihen jetzt. FDP und AfD trompeten einträchtig für die Wiederaufnahme des Geschäftslebens unter Beachtung gewisser Regeln. SPD und Union waren sich wochenlang bewundernswert einig, wie das Virus eingedämmt werden kann und welche Einschränkungen dafür notwendig sind. Nun driften sie zumindest in Teilen wieder auseinander.

Zum großen Symbolthema ist die Bundesliga geworden. Sie will den Betrieb wieder aufnehmen. Die DFL hat ein Konzept vorgelegt. Der Fußball soll dürfen, was andere Branchen noch nicht dürfen. Die Saison könnte am 9. Mai fortgesetzt werden. In einigen Wochen sollen wir wissen, wer Deutscher Meister wird und wer absteigt.

Laschet und Lindner geht es nicht nur um den Fußball

An der Bundesliga scheiden sich die Geister. Bei "Anne Will" war Armin Laschet der beredte Befürworter einer Fortsetzung des Spielbetriebs, assistiert von Christian Lindner. Beide haben den Kollateralnutzen ihrer Meinung scharf im Blick. Laschet möchte die Kanzlerin beerben, Lindner den Schwefelgeruch vergessen lassen, der ihm seit dem Platzen der Jamaika-Koalition und der Wahl von Erfurt anhängt. Wer sich mannhaft für den Fußball einsetzt, bekommt Beifall von vielen Süd- oder Nordkurven, so viel ist klar.

Gegen Geisterspiele in Corona-Zeiten argumentierten die Grüne Annalena Baerbock und der SPD-Politiker Karl Lauterbach. Baerbock, die selbst im linken Mittelfeld spielte, führte Gründe der Egalität an: Kinder dürfen nicht auf den Bolzplatz, aber Neuer, Reus und Co. dürfen ins Stadion? Geschickter Populismus, könnte man sagen.

Lauterbach tritt seit Wochen in Talkshows weniger als Politiker denn als Wissenschaftler auf. Wenn schon Spiele, dann müssten die Spieler aber auch in Quarantäne, schlägt er vor. Klingt virologisch plausibel.

Bei Fußball geht es um Kapitalismus – und um Emotionen

Der Fußball taugt bestens als Symbolthema in diesen Tagen, in denen es um eine sanfte Wiedererweckung der ins Koma versetzten Volkswirtschaft geht. Wo Männer in kurzen Hosen dem Ball hinterherjagen, geht es einerseits um Kapitalismus in Reinkultur und andererseits um tiefenscharfe Emotionen eines mehrheitlich männlichen Publikums, das sich über Klubgrenzen hinweg zu einer in der Kindheit verwurzelten Romantik bekennt.

Aus dieser Besonderheit leiten die Matadore der Bundesliga das Recht auf Privilegien ab. Worum es geht, hat Uli Hoeneß in schönster Einfalt geäußert: Geisterspiele, sagte der Erfinder des Festkontos, seien zwar unschön, aber "lebensnotwendig und bedingungslos". Da keine Zuschauer im Stadion sitzen dürften, könnten ARD und ZDF ja die Spiele übertragen, wofür sie lebensnotwendig an die Klubs zahlen sollen und zwar bedingungslos.

Uli weiß nicht, was er will

Dass ihm das Sonderrecht, das er für den Fußball beansprucht, entgangen ist, verrät eine Nebenbemerkung über die politische Debatte dieser Tage: Er würde sich sehr freuen, sagte der Uli, "wenn sich manche Öffnungs- und Lockerungsfanatiker, die zurzeit in den Meinungsumfragen nicht so gut abschneiden, etwas mehr zurücknehmen würden. Es kann nicht sein, dass für eine oder zwei Wochen mehr Spaß auch nur ein einziger Mensch mehr stirbt. Das kann keiner von uns verantworten."

Es gibt durchaus das Risiko, dass sich Fans, die sich vor den Stadien oder privat zu den Spielen treffen, mit Corona infizieren. Schließlich ist Fußball im Kollektiv noch schöner. Das sollte irgendjemand mal dem Uli sagen, dem Lockerungsfanatiker, der sich über andere Lockerungsfanatiker erregt.

Die Bundesliga schafft einen Präzedenzfall. Präzedenzfälle sind eigentlich dazu da, Maßstäbe zu straffen. Diesmal aber werden Maßstäbe gelockert.

Nicht nur Fußball ist lebensnotwendig

Deutschland besteht aus Sparten und Branchen, die "lebensnotwendig und bedingungslos" wieder ins Spiel kommen wollen. Schätzungsweise 50 Milliarden Euro fehlen der deutschen Volkswirtschaft Woche für Woche. Allein in Berlin werden normalerweise jeden Abend Zehntausende Karten für Konzerte und Theater, für Shows und Revuen verkauft. Davon profitieren auch Restaurants, Bars und Klubs.

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Notleidende Sektoren gibt es überall in Deutschland. Dabei handelt es sich um Konzerne und den Mittelstand, um Kleinunternehmer und Ein-Mann-Betriebe. Das Leben in den Städten steht deshalb surreal still und die Rezession entfaltet sich. Aus Einsicht der Notwendigkeit halten sich die meisten Deutschen an die Regelungen, auch im Vertrauen darauf, dass Merkel/Scholz/Spahn und die anderen bei aller Ungewissheit das Richtige im richtigen Tempo angehen.

Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei

Doch das Regieren in der Corona-Zeit wird jetzt schwieriger. Ich würde der Bundesregierung wünschen, dass sie weiterhin in kurzen Abständen überprüfen könnte, welche Auswirkungen ihre Lockerungsübungen haben: Wie viele Menschen sich infiziert haben, wie viele gestorben sind – ganz einfach, wie der Sachstand ist. Um dann auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob die Kitas geöffnet werden können und die Restaurants und irgendwann alles andere auch – natürlich unter bestimmten Regeln, solang es keine Medikamente gegen Corona gibt.

Fromme Wünsche. Mit der Ruhe ist es vorbei, weil es mit der großen Einmütigkeit vorbei ist und mit der Gleichheit für alle Teile der Volkswirtschaft auch.

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