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Impeachment-Ermittlung um Donald Trump: Eine riskante Wette der Demokraten


Post aus Washington
Der Vorhang fällt

MeinungEine Kolumne von Fabian Reinbold

Aktualisiert am 01.11.2019Lesedauer: 5 Min.
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Nancy Pelosi (l.) und Donald Trump: Die mächtige Sprecherin des Repräsentantenhauses will den US-Präsidenten zu Fall bringen.Vergrößern des Bildes
Nancy Pelosi (l.) und Donald Trump: Die mächtige Sprecherin des Repräsentantenhauses will den US-Präsidenten zu Fall bringen. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Ermittlungen zu einer Amtsenthebung Donald Trumps treten in eine neue Phase. Jetzt folgt die Impeachment-Show fürs Volk – es ist eine riskante Wette der Demokraten.

Einen schönen guten Tag aus Washington,

wo es gerade noch atemloser als üblich zugeht. Die Stadt hat sich nach einer zermürbenden Finalserie erstmals seit 95 Jahren die Baseball-Meisterschaft gesichert und badete in der Nacht zum Donnerstag für ein paar Stunden in einem nicht mehr gekannten Gefühl der Einheit, bis am nächsten Vormittag die politische Krise wieder alles verdrängte.

Auch Nancy Pelosi, immerhin schon 79 Jahre alt, tippelt etwas hektischer als gewöhnlich ans Pult. "Was macht ihr denn alle hier?", fragt sie uns Reporter.

Es soll ein Witz sein.

Sie weiß ganz genau, warum wir alle da sind, warum ausnahmsweise die gähnend leere Pressetribüne und das spärlich besetze Plenum des Repräsentantenhauses voll besetzt sind. Der Donnerstagmittag ist der Fluchtpunkt, auf den Pelosi, die mächtige "Sprecherin" des Repräsentantenhauses, und ihre Demokraten seit ihrem Sieg bei den Kongresswahlen vor einem Jahr zumarschiert sind: erst zögerlich, zwischendurch mit ein paar Schritten zurück, am Ende jedoch ganz zackig. Das Ziel: die Amtsenthebung des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Trump selbst hielt sich den verregneten Halloween-Tag frei von jeglichen öffentlichen Terminen. Er hat im Weißen Haus am Fernseher zugeschaut.

In der "Post aus Washington" berichtet unser Korrespondent Fabian Reinbold von der Arbeit im Weißen Haus und seinen Eindrücken aus den USA unter Donald Trump. Hier können Sie seinen kostenlosen Newsletter abonnieren, der noch weitere Einblicke und Einschätzungen aus Washington enthält und einmal pro Woche direkt in Ihrem Postfach landet.

Eine halbe Stunde nach Pelosis kurzem Gespräch mit der Presse stimmt das Repräsentantenhaus formell darüber ab, wie die Impeachment-Untersuchung weitergehen soll. Es ist einerseits ein ziemlich kompliziertes Bündel an Maßnahmen und Regeln – und andererseits ein Votum für die Geschichtsbücher. Donald Trump ist jetzt der dritte Präsident in der Geschichte des Landes, gegen den das Repräsentantenhaus etwas im Zusammenhang mit dem Wort Impeachment beschließt.

So wollte Donald Trump nicht in die Geschichtsbücher eingehen.

Als Pelosi um 11.30 Uhr das Ergebnis verkündet, flimmern hinter mir auf der Pressebühne an einer Leinwand bereits die Namen der 435 Abgeordneten, davor ein grünes Y oder ein rotes N, je nachdem, wer mit Ja oder Nein gestimmt hat. Die Abgeordneten empfangen das Resultat im Stehen, schweigend, es ist ganz still für zehn, fünfzehn Sekunden, dann geht das übliche Theater im Parlament wieder los.

Es ist, wie sagt man so schön in der Politik, ein ehrliches Ergebnis: Die Demokraten sind dafür (mit zwei Ausnahmen), die Republikaner ausnahmslos dagegen. Der einzige Republikaner, der dafür stimmen wollte, wurde Anfang des Jahres schon aus der Partei vertrieben. Ursprünglich wollte Pelosi nur zum Schwert des Impeachment greifen, wenn sie auch Republikaner dafür gewinnen kann. Doch das Votum macht klar: Das Impeachment ist eine parteipolitische Schlacht.

Die Demokraten inszenieren sich als Verteidiger der Republik, die Republikaner fabulieren über einen Schauprozess nach "Sowjet-Art". Beide Seiten haben die Reihen geschlossen – falls das so bleibt, muss Trump keine Verurteilung im Senat fürchten.

Die wichtigste Entwicklung: Schon sehr bald sollen die Anhörungen öffentlich ablaufen. Das heißt: Es folgt das Drama fürs Fernsehen, für das Volk. Es wird sicher einen Auftritt geben vom Offizier Alexander Vindman aus dem Weißen Haus, der am Dienstag hinter verschlossenen Türen davon berichtete, wie Trump persönlich die Ukraine-Militärhilfen in Geiselhaft genommen habe. Vindman ist ein Bilderbuch-Einwanderer, die Eltern geflohen aus der Sowjetunion, hoch gedient im Militär, jetzt im Sicherheitsrat im Weißen Haus. Doch für Trumps Leute: ein Spion.

Oder vom Ukraine-Gesandten Bill Taylor, dem altgedienten Karrierediplomaten, von Trumps Außenminister aus dem Ruhestand zurückgeholt und ob seiner Aussage in der vergangenen Woche vom US-Präsidenten als "menschlicher Abschaum" betitelt.

Die Demokraten glauben, genügend Beweisstücke ausgegraben zu haben, mit der sie die Öffentlichkeit überzeugen können, dass der Präsident sein Amt missbraucht hat, um mithilfe der Ukraine seine politischen Rivalen zu schädigen.

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Doch das mit der "öffentlichen Meinung" ist so eine Sache. Zwar sind laut der Umfragen die Hälfte der Amerikaner für eine Amtsenthebung. Doch die amerikanische Öffentlichkeit ist ja längst zersprungen in zwei Teilöffentlichkeiten. Hier die Blase der liberalen Medien und der Late-Night-Shows, in der seit jeher klar ist, dass die Witzfigur Trump ohne jeden Zweifel Amtseid und Verfassung verraten hat. Dort der Trump-Fox-News-Komplex, in dem Verschwörungstheorien die besten Quoten bringen und stets die Demokraten und Medien die Übeltäter sind. Wer in einer der beiden Echokammern gelandet ist, kommt da nicht mehr raus.

Es ist also eine heikle Wette, die die Demokraten eingehen.

Die Zeit drängt auch noch. Schon Phase eins verlief atemlos. Binnen vier Wochen hetzten die Ausschüsse durch ein Dutzend Vernehmungen, über 70 Stunden wurde ausgesagt, nachgehakt – und jeder Auftritt brachte neue Erkenntnisse.

Der Blick in die Geschichte verrät etwas über das Tempo unserer Tage.

  • Bei Richard Nixon dauerte es vom ersten Medienbericht über den Einbruch im Watergate-Komplex bis zum Votum im Repräsentantenhaus zur damit zusammenhängenden Impeachment-Ermittlung 597 Tage.
  • Bei Bill Clinton waren es vom ersten Bericht über seine Lewinsky-Affäre bis zu diesem Votum 265 Tage.
  • Bei Trump sind seit dem ersten Bericht über die Whistleblower-Beschwerde über seine Ukraine-Politik gerade einmal 44 Tage vergangen.

Jetzt drücken die Demokraten noch einmal stärker aufs Gas. Kommende Woche soll der frühere Nationale Sicherheitsberater John Bolton aussagen, danach sollen die öffentlichen Termine beginnen. Gerade weiß niemand, ob sie die Anklage noch bis Weihnachten verabschieden, bevor die Amerikaner sich mehr für die Geschenkejagd als für Machtmissbrauch in Washington interessieren.

Weil die Ukraine-und-Impeachment-Untersuchungen die Taktung der Neuigkeiten, der Enthüllungen, der giftigen Attacken beschleunigt hat, waren die langen Baseball-Abende auch etwas wie Therapiesitzungen für eine ausgelaugte Hauptstadt.

Am Mittwochabend, als die Washington Nationals in Houston das alles entscheidende Spiel nach langem Rückstand gewannen, brach alles heraus. "Das hat die Stadt gebraucht", war der Satz, den man nach Spielende am meisten hörte. Ein Fan im Fernsehen führte den Satz noch etwas weiter: "Weil wir ein Arschloch im verdammten Weißen Haus sitzen haben." Die Moderatorin entriss ihm augenblicklich das Mikrofon. Solche Wörter sind im US-Fernsehen bekanntlich tabu.

Seine Wortwahl heiße ich selbstverständlich nicht gut, aber dem Mann gebührt das Verdienst, klargemacht zu haben, dass es sich in dieser Stadt auch im Moment größter Triumphe letztlich nur um eines dreht: die erbitterte Auseinandersetzung mit Donald Trump.


Und auch wenn niemand sagen kann, wie und wann ein Amtsenthebungsverfahren für Trump enden wird, ist doch sicher, dass es das Feuer auf allen Seiten noch anheizen wird.

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