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Beim G7-Gipfel sitzen die Falschen am Tisch


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G7-Gipfel in Biarritz
Beim Treffen der Mächtigen sitzen die Falschen am Tisch

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 26.08.2019Lesedauer: 4 Min.
Die G7-Runde: Die neuen Wirtschaftsmächte sitzen nicht mit am Tisch.Vergrößern des Bildes
Die G7-Runde: Die neuen Wirtschaftsmächte sitzen nicht mit am Tisch. (Quelle: Jeff J Mitchell/reuters)

Wenig kann für die Weltpolitik herausspringen, wenn wichtige Länder bei den G7-Treffen gar nicht dabei sind. Es wird Zeit für Veränderungen. Die Probleme verlangen danach.

Die Zusammenkunft der sieben Staaten in Biarritz ist eine schöne Erinnerung an die Zeit, als der Westen erheblich mehr Gewicht besaß als heute. Ins Leben gerufen wurde diese Institution, weil damals in den Siebzigerjahren die Weltwirtschaft trudelte: Ölkrise reihte sich an Ölkrise, die internationale Währungsordnung brach zusammen, linke Terroristen ermordeten führende Politiker, Manager und Richter.

Auch heute steht die Weltgeschichte niemals auch nur annähernd still. Im Gegenteil produziert sie beständig Großkrisen aller Art, Kriege und Bürgerkriege und Handelskriege. Heute brennt der Regenwald in Amazonien, Großbritannien flieht aus der Europäischen Union, der amerikanische Präsident zettelt Handelskriege an, die ökonomisch auf eine Rezession hinauslaufen – vom Dauergemetzel in Syrien ganz zu schweigen. Trump tut so, als stünde er im Zentrum der Weltereignisse, während er Amerikas Jahrhundert unter der Flut seines Irrsinns begräbt.

Die Welt hat sich verändert

Doch die sieben Länder treffen sich, als hätte sich die Welt nicht weitergedreht. Hat sie sich aber – und wie! Weltpolitik lässt sich vom Westen allein nicht mehr beschließen. An China hängt vieles. Indien lässt sich auch nicht ignorieren. Und nebenbei ist es auch nicht besonders schlau, Russland dauerhaft auszuschließen und so von G8 zu G7 zu schrumpfen.

Ich schätze Emmanuel Macron sehr. Er denkt groß und das ist in einer Welt, in der sich kein Land und kein Staatsmann findet, der Verantwortung übernimmt, die seine Eigeninteressen übersteigen, fast schon ein Segen. Sein Ehrgeiz war es, aus dem Treffen in Biarritz einen Erfolg mit Bindungskraft zu machen. Doch darin lag auch ein so gut wie unmögliches Vorhaben, denn von wem ist er heutzutage umgeben?

Angela Merkel ist auf Abschiedstournee; Boris Johnson ist ein Spieler, der nicht weiß, was er tut; der italienische Ministerpräsident Guiseppe Conte ist gerade zurückgetreten und hofft auf eine Weiterbeschäftigung mit einer anderen Koalition; Donald Trump ist beleidigt, weil er Grönland nicht kaufen kann und bereitet noch höhere Zölle für noch mehr Waren aus China vor; Kanadas Justin Trudeau ist auf dem absteigenden Ast; Japans Shinzo Abe hält sich schon verdammt lange als Ministerpräsident und bekriegt momentan ausgiebig Südkorea.

Macron – die große Ausnahme

Macron ist die Ausnahme, nicht nur in Europa. Frankreich neigt wie selbstverständlich zur Weltpolitik. Natürlich liegt der Grund in den Resten seiner kolonialen Vergangenheit, in Afrika, in der Südsee. Die Deutschen reden immer nur von der größeren Verantwortung, die sie international übernehmen wollen. Dabei fällt ihnen jede Verlängerung für Auslandseinsätze der Bundeswehr schwer. In Kürze müssen die Mandate für Jordanien und den Irak verlängert werden. Ich bin gespannt.


Die G7 sind über die Jahre schwach geworden, haben systematisch an Bedeutung verloren. Wenig bis nichts war von Biarritz zu erwarten. Erklärungen ja, aber kein Kommuniqué. Trump hätte wieder aus "Air Force One" anrufen können, um seine Unterschrift zurückzuziehen, zumal ihm nicht passen konnte, dass der iranische Außenminister als Überraschungsgast aufgetaucht war.

Alles auf Trump zu schieben, ist zu einfach

Nun kann man leicht sagen: Die Weltprobleme haben fünf Buchstaben: Trump. So hielt es die "Süddeutsche Zeitung" in einem Kommentar am Samstag. Daran ist richtig, dass "The Donald" vieles zerschlägt, was zu erhalten besser wäre, und dass er die Probleme verschärft, indem er vorgibt, sie zu lösen. Als sein größter Irrtum dürfte sich die Einschätzung erweisen, dass Handelskriege leicht zu gewinnen sind. Nicht mit China, jedenfalls.

Trotzdem ist es falsch, sämtliche Veränderungen auf eine einzige Kausalität zurückzuführen. Könnte ein anderer Präsident verhindern, dass das amerikanische Jahrhundert ausklingt? Könnte Amerika die Türkei und Russland, Israel und den Iran etc. dazu bringen, den Krieg in Syrien einzustellen? Oder auch nur diesen Jair Messias Bolsonaro dazu veranlassen, das illegale Roden und Brandschatzen in Amazonien endlich ernst zu nehmen und daraus Konsequenzen zu ziehen, sogar gegen seine Gönner in der Wirtschaft?


Bolsonaro ist eine weitere üble Figur in der Weltpolitik, die sofort Kolonialismus schreit, wenn Emmanuel Macron in Biarritz über Amazonien reden will. Aber wer den Klimawandel für ein gewichtiges Problem hält, kann Brasilien gar nicht schonen.

Europa tut gut daran, eine Welt ohne Amerika zu bauen

Die Europäische Union hat soeben mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay ein Freihandelsabkommen geschlossen, das größte weltweit. "Cars for cows" ist die Kurzform dafür: Die Zollschranken für Exporte für die Automobilindustrie einerseits und Rindfleisch andererseits werden fallen. Europa macht dort weiter, was nach dem Zweiten Weltkrieg eine Wohltat war: internationale Organisationen zu bauen, in denen gemeinsame Interessen austariert und Konflikte entschärft werden.

Europa tut gut daran, an einer Welt zu bauen, ohne auf Amerika zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Auch da wagt sich Macron am weitesten vor und macht Vorschläge für die Ausweitung der EU-Institutionen. Auch da zaudert Deutschland. Warum eigentlich? Es ist doch eine gute Frage, was Europa sein sollte, wenn das chinesische Jahrhundert erst einmal richtig beginnt.

Es braucht andere sieben Staaten

Ich weiß schon, dass Emmanuel Macron Schwächen hat, wer denn nicht. Aber in einer Welt, in der Prahlhans und Zirkusclown als Staatenlenker auftreten, ist ein überzeugter Europäer mit großen Zielen und Ideen ein Lichtblick. Jetzt versucht er, aus den G7 so viel wie nur geht herauszuholen. Das ist lobenswert, es gibt diese Institution nun einmal.


Doch diese G7 gehört ins letzte Jahrhundert, als die Welt gespalten war in West und Ost, als Europa der entscheidende Kontinent war. Die Weltgeschichte ist aber weitergezogen, nach Asien. Wenn schon G7 beibehalten werden soll, dann aber in anderer Zusammensetzung. Sieben ist eigentlich eine gute Zahl. Sieben Menschen können gut miteinander reden, müssen es sogar, wenn sie schon beieinander sitzen. Es müssen nur die Sieben aus den wichtigsten Ländern sein. Und auch die sieben richtigen, möglichst ohne Gaukler und Hütchenspieler.

Europa muss sich anstrengen, wenn es zu denen noch gehören will.

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