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Land der Drama-Queens: Mit Angela Merkel sind wir gut bedient


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Land der Drama-Queens
Mit Merkel sind wir gut bedient

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 22.06.2018Lesedauer: 4 Min.
Angela Merkel und Horst Seehofer: Obwohl es in der Regierung seit Wochen knallt, steht Deutschland noch ziemlich gut da in Europa.Vergrößern des Bildes
Angela Merkel und Horst Seehofer: Obwohl es in der Regierung seit Wochen knallt, steht Deutschland noch ziemlich gut da in Europa. (Quelle: Michael Kappeler/dpa)

Auch wenn es in diesen unruhigen Zeiten nicht so wirkt. Wer sich in Europa umschaut merkt: Etwas Besseres als die Kanzlerin finden wir nicht.

Ich wünsche mir aus zwei Gründen fast sehnlich, dass die deutsche Mannschaft morgen gegen Schweden gewinnt: Weil ich, erstens, praktisch auf einem Fußballplatz aufgewachsen bin, und weil sich danach die Stimmung im Land bessern könnte, was dringend notwendig wäre.

Die Stimmung ist ja fast absurd schlechter als die Lage. Deutschland ist eine Insel in einem Meer von Ländern, die mit Rezession und hoher Arbeitslosigkeit und geringer Produktivität kämpfen oder in die Hände von Autokraten gefallen sind. Andere beneiden uns um unsere ökonomische Stärke und politische Stabilität. Sie hätten gerne unsere Probleme. Nicht weniger gerne würden sie ihre an uns abtreten.

Ich mag England, aber ich wollte jetzt nicht dort leben: Brexit, Engstirnigkeit, klappriges Land. Ich liebe Italien, das aber leider in die Hände von Clowns gefallen ist. Ich habe Amerika immer für seine klugen Leute und innovative Kraft und die herrliche Landschaft bewundert, aber jetzt rübergehen, für ein paar Monate nur? Lieber nicht.

Politiker reden das Land schlecht

Die Stimmung in Deutschland ist schlechter als die Lage, weil allerlei Politiker aufs Schärfste daran arbeiten, das Land schlecht zu reden. Es muss ihnen selber aufgefallen sein, weil sie sich in den letzten Tagen dafür gerechtfertigt haben, aber wie: Markus Söder möchte uns doch tatsächlich weis machen, dass es ihm nur um die Sache geht und um sonst nichts, bestimmt nicht um Personen und schon gar nicht um die Landtagswahl am 14. Oktober. Horst Seehofer tut ähnlich selbstlos, ähnlich sachorientiert und schüttelt den Kopf über die Leute dort draußen, die einen anderen Eindruck haben.

Franz Josef Strauß hat wenigstens geschwitzt, wenn er Behauptungen aufgestellt hat, die ihm jenseits von Bayern niemand abnahm. Er hat Gebirge aus Argumenten aufgetürmt und reihenweise griechische Klassiker zitiert, er wollte ein Machiavelli sein, ein illusionsloser Machtmensch. Wären Söder und Seehofer doch nur annähernd so ambitioniert! Aber sie sind einfach nur, was sie sind: Bauernschlaue, die den Putsch proben.

Ja, es geht bei diesem ominösen "Masterplan Migration" um Wichtiges. Es geht darum, was aus den Geflüchteten wird, die schon hier sind, wer von ihnen bleiben kann und wer wieder gehen muss, ob die Regierung ein Einwanderungsgesetz formuliert oder das Asylrecht neu formuliert. Natürlich geht es auch darum, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr kommen und wann die Bürokratie endlich reibungslos arbeitet.

Söder und Seehofer reduzieren das Problem allein auf die Grenze. Wenn sie es ernst meinen würden, dann hätten sie uns längst mit Zahlen bombardieren: Seht her, so riesig ist das Problem, da kommen ganz viele Flüchtlinge Tag für Tag an, ganze Horden, und unsere Bundespolizisten brechen unter dem Ansturm zusammen.

Nichts davon stimmt. An den Grenzen spielen sich momentan keine Dramen ab. In Bayern überwacht die Bundespolizei drei Übergänge: in Passau, im Inntal, bei Salzburg. Bei Passau, so ließ die Bundespolizei wissen, kommen derzeit im Monat durchschnittlich 150 Menschen an, von denen mehr als die Hälfte abgewiesen wird: keine Papiere, kein Asylgrund.

Man wüsste gerne: Wie sieht es anderswo aus? Wie viele Flüchtlinge kommen über den Balkan, obwohl Bulgarien, Ungarn und Österreich ihre Grenzen dicht gemacht haben? Oder über die dänische Grenze oder an den Flughäfen an? Wie kommt die Schätzung, dass es 2018 ungefähr 160.000 werden, im einzelnen zusammen? Nähere Informationen zu bekommen, ist jedoch erstaunlich schwierig.

Die t-online.de-Redaktion versucht seit einer Woche, möglichst viele Zahlen über möglichst viele Einwanderungsorte zu bekommen, um ein möglichst konkretes Gesamtbild zu zeichnen – eine ganz normale Recherche also über ein eminent wichtiges politisches Problem. Äußerst seltsam, dass die Zuständigen entweder keine Zahlen und Daten liefern können oder wollen.

Bindet uns die CSU-Führung einen Bären auf?

Seehofer und Söder sagen, es geht ihnen um eine nationale Lösung. Gibt es kein Drama an der Grenze, binden sie uns einen Bären auf.

Die Kanzlerin ist auf Tour für eine europäische Lösung. Wie es aussieht, kommt sie unverrichteter Dinge zurück. Vielleicht hat sie gehofft, dass sie mehr erreichen kann, vielleicht hat sie nur so getan, als ob, aber dann hat sie nicht nur Seehofer/Söder, sondern auch uns an der Nase herumgeführt.

Sie haben sich verrannt, Söder und Seehofer, unsere Drama-Queens. Sie haben die geschwächte Kanzlerin geschwächt, aber zugleich machen sie uns unfreiwillig klar, dass wir mit Angela Merkel trotz alledem gut bedient sind. Wer bitte sollte denn an ihre Stelle treten? Wer außer ihr bringt die nötige Ernsthaftigkeit auf, die zum Regieren gehört? Wer will denn Neuwahlen nach wenig mehr als 100 Tagen?

Genug die Kanzlerin klein geredet. Genug das Land schlecht geredet. Genug an der deutschen Fußballmannschaft herumkritisiert. Kroos, Kimmich, Neuer und die anderen sollen morgen raus gehen und Spaß haben und gewinnen. Tut dem Land gut, tut uns gut, tut der Stimmung gut.

Und hinterher können sich dann Seehofer und Söder und die Kanzlerin zur Abwechslung mal wirklich um die Sache kümmern, ohne Drama. Wäre der Lage angemessen.

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