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HomePolitikGerhard Spörl: Der Welterklärer

Taiwan: China hofft auf Untätigkeit von Donald Trump


China schielt auf Taiwan
Er plant schon den nächsten großen Schachzug

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

23.03.2025Lesedauer: 3 Min.
Donald Trump und Xi JinpingVergrößern des Bildes
Donald Trump und Xi Jinping (Archivbild): China hofft darauf, dass Trump in Taiwan nicht intervenieren würde. (Quelle: Alex Brandon/AP/dpa/dpa-bilder)
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Donald Trump will sein Augenmerk China widmen. Wie reagiert Xi Jinping darauf? Er könnte darin die Chance sehen, Taiwan eher schnell zu annektieren – militärisch oder mit einem Schein-Deal.

Manchmal empfiehlt es sich, die Dinge aus einer anderen Perspektive anzuschauen als immer nur aus der eigenen. Im Leben kann der Blickwechsel genauso wie in der Geopolitik von Vorteil sein. Also unternehmen wir mal einen Schwenk aus dem Trump-Amerika und dem geschockten Europa nach China. Wie sehen die grundstürzenden Ereignisse aus dieser Sicht aus?

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Militärisch, ideologisch und geostrategisch bereitet sich China unter dem Dauerdiktator Xi Jinping schon seit Jahren auf die Konfrontation mit Amerika um die Weltherrschaft vor. Jedes Jahr, in dem die USA in der Ukraine und im Nahen Osten gebunden bleiben, ist ein gutes Jahr. So kann China in Ruhe Flugzeugträger bauen und eine neue Klasse von Jagd-U-Booten, die Marschflugkörper auf Land schießen können. Außerdem legt die Marine zum Beispiel Landungsboote und Landungsfahrzeuge auf, die zweifellos die Voraussetzung für eine Invasion in Taiwan bilden. Die Luftwaffe lässt seit Jahren regelmäßig Kampfflugzeuge im taiwanesischen Luftraum kreisen, um den Besitzanspruch zu dokumentieren.

Gerhad Spörl

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Eine Ein-Parteien-Diktatur vermag es, langfristig zu planen. Wenn man bedenkt, dass Deng Xiaoping erst vor 46 Jahren den staatlich gelenkten Kapitalismus in China einführte, bekommt man eine Vorstellung von der rasanten Entwicklung und der Zielstrebigkeit des kommunistischen Regimes. In der ersten Phase konzentrierte sich Deng auf die Bekämpfung der Armut. In der zweiten Phase lernte China von den fortgeschrittenen Industriestaaten des Westens. Jetzt ist das Riesenreich in der dritten Phase auf Autonomie bedacht, wirtschaftlich, militärisch und strategisch – das ist die Bedingung der Möglichkeit, die Supermacht Amerika demnächst zu übertrumpfen.

Taiwan gelang rasanter Aufstieg

Was für Russland die Ukraine ist, ist für China Taiwan. Dabei geht es nicht um die ferne Geschichte, in der die Insel von europäischen Seemächten beherrscht wurde, von den Portugiesen, den Holländern, den Spaniern. Von 1895 bis 1945 stand Taiwan dann unter japanischem Joch.

Der Anspruch Chinas gründet vor allem auf die Jahre von 1945 bis 1949, als Maos rote Truppen den Bürgerkrieg gewannen und die Nationalisten unter Chiang Kai-shek mit zwei Millionen Anhängern auf die Insel Taiwan flüchteten.

Heute ist Taiwan ein Inselstaat mit 23 Millionen Einwohnern. Eine kapitalistische Demokratie mit einer starken Wirtschaft, in der die Halbleiter-Industrie die Welt mit Mikroprozessoren für Handys, E-Autos und militärischer Rüstung versorgt. Ökonomisch gesehen eine erstaunliche Leistung für eine kleine, politisch isolierte Insel. Denn China hat das Taiwan seit 1971, dem Jahr der Aufnahme in die Uno, systematisch international isoliert. Heute hat Taiwan nur noch wenige diplomatische Beziehungen, unter anderem mit Guatemala, Haiti oder Paraguay.

Amerika ist die Schutzmacht Taiwans. Im Prinzip.

Existenz unter Vorbehalt

Schon wahr, die Insel wurde in den vergangenen 20 Jahren mit Rüstungsgütern in Höhe von 50 Milliarden Dollar versorgt. Eine Garantieerklärung für die Existenz Taiwans gibt Amerika allerdings nicht ab. Das Verhältnis zur Insel vor Chinas Küste bezeichnen die USA als "strategische Ambiguität". Ein kluger Begriff, denn damit ist gemeint, dass weder Taiwan noch China sicher sein können, ob die USA im Falle einer Invasion eingreifen werden oder nicht.

So behält Amerika freie Hand in Asien. Und strategische Ambiguität zeichnet jetzt auch das Verhältnis zu Europa aus, bestenfalls.

Taiwans Existenz steht unter Vorbehalt. Die Regierungen betonen sicherheitshalber den Wunsch nach Unabhängigkeit nicht allzu lautstark – sie versuchen, das übermächtige China nicht zu provozieren.

China könnte bald Ernst machen

Versetzen wir uns weiter in die Lage Chinas: Die vier Jahre mit Donald Trump bieten Chancen darauf, dass Amerika einer Annexion tatenlos zusehen könnte. In Trumps Gedankenwelt nehmen sich starke Männer, was sie sich nehmen wollen. Und die Schwachen sind selbst schuld daran, dass sie unterlegen sind – Pech gehabt.

Dass sich Amerika von Europa abwendet, um sich Asien zuzuwenden, ist aus chinesischer Sicht ohnehin keine große Bedrohung. Schon wahr, Japan und Südkorea sind mit den USA verbündet, die dort Stützpunkte unterhalten. Aber Japan geht erst langsam dazu über, eine Militärmacht aufzubauen, und Südkorea hat zwar viele Menschen unter Waffen, ist aber keine Furcht einflößende Größe in Nordasien.

Vieles spricht dafür, dass China mit seiner Übernahme Taiwans in absehbarer Zeit Ernst macht. Warum sollte Xi abwarten, bis Japan und Südkorea im Schlepptau Amerikas hochgerüstet sind und China gleichsam einkreisen?

Doch es muss ja nicht unbedingt eine militärische Lösung geben. China könnte nach dem Vorbild Hongkong vorgehen und einen Schein-Deal mit Taiwan eingehen – ein China, zwei Systeme. Und danach könnte China langsam Fakten auf der kleinen Insel schaffen, die einer Annexion gleichkommen. Darauf sollten wir uns einstellen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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