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Ukraine-Krieg: Trump sendet gemischte Signale – Putin wittert Chance


Trumps Ukraine-Verhandlungen
"Dann droht ein neuer Angriff"

  • Bastian Brauns
InterviewVon Bastian Brauns

Aktualisiert am 17.02.2025Lesedauer: 4 Min.
US-Präsident Donald Trump: Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin.Vergrößern des Bildes
US-Präsident Donald Trump: Er will direkte Friedensverhandlungen mit Wladimir Putin. (Quelle: Nathan Howard)
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Während die Ukraine sich Frieden wünscht, sendet die Trump-Regierung widersprüchliche Signale – und Putin nutzt die Gelegenheit. Warum die Lage in Europa jetzt so gefährlich ist und sich historische Muster wiederholen könnten.

Bastian Brauns berichtet aus Washington

Während in München die Sicherheitskonferenz stattfindet und Staats- sowie Regierungschefs über die globale Sicherheitslage beraten, steht die Ukraine weiterhin im Zentrum der geopolitischen Spannungen. Die neue US-Regierung unter Donald Trump sendet teils widersprüchliche Signale in Richtung Kiew und Moskau, während der russische Präsident Wladimir Putin seine Angriffe auf das Land unvermindert fortsetzt.

Lucian Kim, langjähriger Russland- und Ukraine-Korrespondent, berichtet seit Jahren über diese Entwicklungen. Im Interview mit t-online spricht der Amerikaner über die aktuelle Lage in der Ukraine, die Verhandlungsstrategie der Trump-Regierung mit Putin und welche Lehren aus der Geschichte unbedingt berücksichtigt werden müssten.

t-online: Was ist Ihr Eindruck von der aktuellen Lage in der Ukraine?

Lucian Kim: Die Lage in der Ukraine ist hochdynamisch. Die Meinungen im Land ändern sich ständig, und es gibt viel Unsicherheit über die politische Zukunft.

Die Trump-Regierung will Verhandlungen mit Russland beginnen. Dabei stehen schon vor deren Beginn die Grenzen der Ukraine von vor 2014 zur Debatte. Eine Nato-Mitgliedschaft wird ausgeschlossen. Wie schätzen Sie das ein?

Für die Ukraine ist das eine schwierige Entwicklung. Donald Trump verfolgt eine neue Strategie gegenüber Russland. Für Kiew bedeutet das, sich auf völlig veränderte Rahmenbedingungen einstellen zu müssen. Putin sieht nun eindeutig die Möglichkeit, über die Köpfe kleinerer Staaten hinweg direkt mit Washington zu verhandeln. Das war immer sein Ziel und eine Taktik, die er schon früher angewandt hat.

US-Verteidigungsminister Pete Hegseth hält die Grenzen der Ukraine für verhandelbar. Trump telefoniert mit Putin und sendet gemischte Signale und deutete sogar an, die Ukraine könnte russisch werden – oder eben nicht. Ist das bewusste strategische Ambivalenz?

Eher nicht. Strategische Ambivalenz bedeutet, Optionen offenzulassen. Aber wenn Trump-Vertreter wie sein Verteidigungsminister ganz klar sagen, dass eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine ausgeschlossen ist und auch keine US-Truppen für ein Friedensabkommen entsendet werden, dann ist das keine offene Frage mehr, sondern eine klare Positionierung. Das verschlechtert die ukrainische Verhandlungsposition enorm.

(Quelle: Columbia University Press)

Zur Person

Lucian Kim, Jahrgang 1970, ist ein amerikanischer Journalist, renommierter Ukraine-Analyst und der ehemalige Leiter des Moskauer Büros des US-Radiosenders NPR. Er berichtet seit Jahren über Russland und die Ukraine, verbrachte lange Zeit dort und lebt heute in Washington, D.C. Gerade ist sein Buch "Putin's Revenge – Why Russia Invaded Ukraine" (Putins Rache – Warum Russland die Ukraine angegriffen hat) erschienen. Darin zeichnet er die Vorgeschichte des Konflikts nach und analysiert Putins Motive.

Was bedeutet das für Putin, ist das eine Einladung für weitere Aggressionen?

Putin verfolgt zwei große Ziele: erstens die politische Kontrolle über die Ukraine und zweitens die Neugestaltung der Sicherheitsordnung in Europa. Eine schwächere Unterstützung des Westens gibt ihm möglicherweise Spielraum für weitere Schritte. Die Gefahr ist, dass eine Feuerpause in der Ukraine dazu führt, dass das Land sich teilweise demobilisiert oder in innere Konflikte verwickelt wird – genau dann wäre es am verwundbarsten für einen erneuten Angriff.

Trump hat gefordert, dass in der Ukraine Neuwahlen abgehalten werden. Ist das realistisch?

Das ist hochproblematisch. Neuwahlen in einem Kriegsgebiet sind fast unmöglich und könnten das Land destabilisieren. Interessanterweise stammt dieses Narrativ – dass die ukrainische Regierung illegitim sei und dringend Neuwahlen brauche – direkt aus Moskau. Jetzt haben es Trump und seine Verbündeten aufgegriffen.

Diese Erzählung verfängt schnell. Können Sie erläutern, warum Neuwahlen nicht einfach stattfinden sollten?

Die Ukraine ist ein demokratisches Land mit vielen Parteien, und die Ukrainer wollen Neuwahlen haben. Alle verstehen aber, auch die Kritiker von Selenskyj, dass ein nachhaltiger Frieden notwendig wäre, um Wahlen abzuhalten. Das ist in der aktuellen Situation aber schlicht nicht möglich.

Weshalb?

Erstens gibt es besetzte Gebiete, in denen keine Wahlen stattfinden könnten. Zweitens sind Millionen von Ukrainern ins Ausland geflohen, was eine umfassende Wahlbeteiligung extrem erschwert. Drittens stellt der Kriegszustand eine massive logistische Herausforderung dar – Wahllokale könnten Angriffsziele werden. Und viertens birgt ein Wahlkampf in einem gespaltenen Land während des Krieges das Risiko, innere Konflikte zu verstärken, was die Ukraine noch verwundbarer für russische Einflussnahme auf die Wahlen machen würde.

In Ihrem Buch "Putins Rache" beschreiben Sie die historischen Hintergründe des Ukraine-Kriegs. Welche Rolle spielt die Geschichte in der aktuellen Krise?

Sehr viel. Mein Buch beginnt mit der Orangenen Revolution 2004 und zeigt, dass Putin sich von Anfang an bedroht fühlte, als die Ukraine einen prowestlichen Kurs einschlug. Für ihn ist die Ukraine nicht einfach ein Nachbarstaat – ohne Kontrolle über das Land sieht er Russland als unvollständig an. Hinzu kommt sein zunehmend autoritärer Führungsstil: Je länger Putin an der Macht bleibt, desto paranoider wird er gegenüber dem Westen.

Über die wahren Gründe von Putins Einmarsch wird bis heute spekuliert. Können Sie das Verhalten des russischen Präsidenten näher beschreiben?

Putins Einmarsch in die Ukraine hat wie gesagt zwei Hauptgründe: Erstens spielt der russische Imperialismus eine große Rolle. Putin sieht Russland als das Zentrum eines eurasischen Imperiums, und die Ukraine ist für ihn ein essenzieller Bestandteil davon – sowohl strategisch als auch wirtschaftlich. Zweitens kommt sein autoritärer Regierungsstil hinzu. Mit den Jahren wurde Putin zunehmend misstrauischer gegenüber dem Westen, und seine Isolation während der Pandemie hat ihn noch stärker in seiner Überzeugung bestärkt, dass der Westen sein Regime schwächen und stürzen will. Diese beiden Faktoren zusammen haben letztlich zur Invasion geführt.

Viele fürchten, dass Russland auch andere Staaten ins Visier nehmen könnte. Wie realistisch ist das?

Diese Frage stellen sich viele. Ich denke, zumindest in naher Zukunft wird sich Russland weiter auf die Ukraine konzentrieren. Aber Provokationen gegenüber den baltischen Staaten sind denkbar, um den Westen herauszufordern – Cyberangriffe, Sabotage und Propaganda sind ja bereits in vollem Gange.

Kann die Ukraine diesen Krieg noch gewinnen?

Ein Sieg wird nicht militärisch, sondern politisch entschieden. Die Ukraine kämpft für ihr Überleben als unabhängiger Staat. Wenn der Westen geschlossen bleibt und die Ukraine unterstützt, kann sie sich behaupten. Aber wenn Kiew gezwungen wird, schlechte Friedensbedingungen zu akzeptieren, wird es schwierig. Ich befürchte allerdings, dass der Frieden dann nicht nachhaltig wäre, eben weil sich Putins Ziele ja nicht geändert haben. Das heißt, der Konflikt könnte einmal mehr nur aufgeschoben und nicht gelöst sein.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Lucian Kim
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